HB ohne Filter: Markante Risse in der Herstellervertriebspolitik
Unabhängig, scharfsinnig, auf den Punkt: der aktuelle Wochenkommentar von AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat!
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Datum:
22.07.2022Lesezeit:
10 minMarkante Risse in der Herstellervertriebspolitik +++ Steuerzahlergedenktag 2022 +++"Liquide Kundenzufriedenheit" bei 40 Grad Sommerhitze
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Montag, 18. Juli 2022
Markante Risse in der Herstellervertriebspolitik
Noch mehr: Aktuell sind gewaltige Risse im Fundament zwischen Hersteller/Importhersteller und dem deutschen Markenhandel auszumachen. Der aktuelle IfA MarkenMonitor 2022 ist der sichtbare Beweis dafür. Hier können Sie das Whitepaper im Detail abrufen:
IfA MarkenMonitor 2022 - Whitepaper
- IfA MarkenMonitor 2022 - Whitepaper (2.4 MB, PDF)
Die Relation Hersteller zu Handel ist inzwischen eine Liaison ohne Lust! Kopflose Riesen haben nur noch die eigene Rendite im Fokus (Shareholder Value Management). Mercedes-Benz beispielsweise 15 Prozent Umsatzrendite. Und das Hersteller-Hauptquartier gibt zentral Vertriebskostensenkung in Tabula-Rasa-Manier über seine Europazentralen vor! Auch über massiven Personalabbau in den eigenen Reihen. Offenheit? Transparenz? Es wird nach Plan vertuscht und mit halben Wahrheiten hantiert. So wenig Aufbruchstimmung – auch im Verbund mit einer neuen GVO, neuen Händlerverträgen, neuen Vertriebsanpassungen oder der Lieferzeitenmalaise – gab es noch nie. Der Handel macht jetzt mobil!
Das IfA mit seinem Leiter Prof. Dr. Stefan Reindl hat zum 24. Mal den MarkenMonitor, das Barometer für die Händlerzufriedenheit der deutschen Automobilbranche vorgelegt. Und das in bestechender Performance. Lassen Sie einmal die Komplexität in Sachen Automobilvertrieb auf sich wirken:
39 Einzelkriterien
Addieren wir die 39 Einzelkriterien des MarkenMonitors aus den Bereichen Produkt und Marke, Netzpolitik, Vertriebspolitik, Gebrauchtwagen und Aftersales hinzu, dann wird das ganze Spektrum deutlich, in dem Hersteller/Importeure wie Händler heute agieren. Es sei deutlich gemacht, dass Niederlassungen und reine Servicebetriebe nicht in die Analyse einfließen. Obwohl von besonderem Interesse wäre, wie Niederlassungen künftig mit vier bis sieben Prozent Marge im Agentursystem überleben wollen? Werden diese verkauft? Geschlossen?
Gesamtzufriedenheit
Ein Blick auf die Gesamtzufriedenheit zeigt, dass 2018/19 mit der Gesamtzufriedenheit mit der Schulnote von 2,51 der positive Beurteilungsgipfel erreicht wurde. Seither fahren die Hersteller/Importeure ins Nirwanatal, in eine andere Daseinsweise, geprägt von Ablehnung, Distanz, mangelnder Wertschätzung, persönlicher Gewinngier, immer wieder unsinnigen Vorgaben, Standardüberfrachtung, Formalismus und Onlinevertrieb. Das aktuell Ergebnis 2022: Schulnote 3,36! Die höchste Händlerunzufriedenheit seit 1994! Es wäre vom IfA wichtig zu lesen, auf welche Ursachen dieser Händlerzufriedenheitseinbruch nahezu markenübergreifend zurückzuführen ist?
Händler-Mobilmachung
Die Händlerverbände von VW, Audi, Skoda und Seat haben auf ihrer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 15. Juli 2022 in Hannover einstimmig die wichtigste Tugend bewiesen: Solidarität! Sie haben einstimmig das Agentursystem für ihre Marken mit sechs Prozent Marge abgelehnt. Mindestforderung sind acht Prozent. Nicht nur VW, auch andere Hersteller (Stellantis) greifen künftig weitere Marge im GW-Geschäft ab. Bei VW gezielt über Leasing-Rückläufer. Wenn der E-Auto-Monopolist Volkswagen 2035 100 Prozent seiner Fahrzeuge auf dem deutschen Markt über die E-Road-Map veräußern will, sollte man seine Blicke auch auf die Zukunft in der Werkstatt und im Teilevertrieb werfen, die derzeit noch über 60 Prozent der Autohaus-Erträge einfahren und den Neuwagenverkauf quersubventionieren. Im Rahmen der Verkehrswende wird auf aktive Reduzierung der Autos in den Städten gesetzt. Nennen wir es "Elektrifiziert, Shared". Es werden weniger Fahrzeug verkauft werden. Und 2035 werden wir "Elektrifiziert, Shared, Automatisiert" antreffen. Auch das bedeutet weniger Fahrzeugverkauf. Wie sehen dazu konkret neue Geschäftsmodelle aus?
Die Stellantis-Händlerverbände VDOH, JARD und VCDP mögen den VW-Händlern folgen! Manche meinen nun, dass verschiedene Händlernetze wachsen würden. Wenn mehr und mehr Mercedes-Partner Hyundai übernehmen, da machen diese das mit dem Aspekt Mehrmarkenhandel. Die Zahl der aktiven Autohausunternehmer wird damit nicht wachsen. Oder Stellantis weiß, welche rund 400 VW-oder auch Audi-Händler ab 2023 ohne Vertriebsvertrag dastehen werden. Da leistet der VW-Konzern dem Rivalen vertriebspolitische Entwicklungshilfe. Da wird dann beispielsweise in manchem Audi-Terminal künftig eine oder mehrere Stellantis -Marken anzutreffen sein. Oder neue chinesische E-Auto-Marken oder China-Anbieter mit Verbrennermotoren und emissionsfreiem E-Fuel.
Es seien die so fundierten und hoffnungsstarken VW-Grundsätze der Ära Stackmann aufgerufen: Commitment für gemeinsame Ziele, neue Geschäftsfelder/Mobilität, Kundendaten, Profitabilität, Zukunft durch Gegenwartsbewältigung, integrierte IT u.a. Da wartet auf die große Hoffnungsträgerin, die VW-Vertriebsvorständin Imelda Labbé eine Mammutaufgabe.
Markenranking
Man lasse nun das Ranking auf sich wirken. Porsche steht an erster Stelle. Note 2,20. Es mag wohl an der besonderen angestammten Verbundenheit des IfA zur Marke Porsche liegen, dass hier eine einsame Sonderstellung reklamiert wird. Doch Ferrari, Lamborghini, Bugatti, Maserati, Bentley, Lotus wären da eigentlich eine sehr interessante Spezies für sich, um zu sehen, was alles aus dem Luxussegment nach und nach zur breiteren Normalität generiert.
Erstaunlich, die sich ins Luxusmarkensegment überhebende Marke Mercedes-Benz positioniert sich im Händlerspektrum auf Platz elf (!). BMW an Platz 13! Eine überschaubare Wertung! Audi immerhin an Platz fünf und mit der Note 2,84. Da darf man tiefer hinschauen. Welche Größe! Audi hat sich immerhin bei seiner Händlerschaft wegen der Lieferprobleme entschuldigt und Formulierungen für die Malaise den Kunden gegenüber konkret vorgeschlagen. Erstaunlich, dass sich Renault auf Platz acht positioniert. Note: 3,04. Das wird in einem Jahr nach der geplanten Netzausdünnung ganz, ganz anders aussehen. Oder VW schneidet bei den deutschen Volumenmarken als Sieger ab. Und das auf Rang 19 von insgesamt 26 Plätzen mit der Note 3,64 (!!). Man sollte bei einer derartig lausigen Benotung doch niemanden mehr als Sieger auszeichnen. VW kickt doch nicht in der A-Klasse!
Die Stellantis-Marken inklusive Ford (!) halten die "rote Laterne". Deren Schulnoten liegen jenseits von 4,0! Deren Versetzung ist ernsthaft gefährdet. Wohin aber will man die noch versetzen? Der Contrapunkt sei offen angesprochen, dass derartige Noten zuerst am Management der Hersteller/Importeure und deren Zentralen liegt. Als die heutige Europa-Vertriebschefin von Stellantis, Maria Grazia Davino, FCA-Vorstandsvorsitzende in Deutschland war, rückte sie gemeinsam mit der Händlerschaft 2020 die Marke von Platz 27 in den Vorjahren auf Position zehn vor - und das mit sichtbaren Markterfolgen. Es liegt am Management, dessen Leidenschaft, dessen Engagement, dessen Glaubwürdigkeit, dessen Wollen für das gemeinsame ausgewogene Miteinander. Nur, die deutschen Statthalter haben ja so gut wie nichts mehr zu sagen und können so gut wie nichts mehr selbständig entscheiden. Auch einheitliche Europa-Händlerverträge zeigen, wo die Musik gegeigt wird. Will man mit einem der Europaverantwortlichen ein Interview zur Sache führen, wird jegliche Fragestellung mit großem Schweigen beantwortet. Fazit: Nichts mit goldenem Oktober, es wird unter verschiedenen Aspekten ein rauher Herbst geben.
Sieger in den Beziehungsfeldern
Nachstehende Grafik weist die "Sieger" in den Beziehungsfeldern aus. Porsche habe ich oben charakterisiert:
Mitsubishi, nochmals Mitsubishi, schneidet im Gesamtranking um 0,01 Punkten schlechter als Porsche ab. Und in Sachen Netzpolitik, Vertriebspolitik und Aftersales steht man an Platz eins! Woran liegt das! Am Importeur! Und wer agiert hier? Ein Privatimporteur, nicht ein Herstellerimporteur! Es ist die Emil Frey Gruppe. Das Testat zeigt deutlich: Wir brauchen dringlich mehr Privatimporteure in Deutschland. Private chinesische E-Autoimporteure, die den deutschen Autobauern zeigen, wo der E-Autopreis marktkonform anzusiedeln ist. Ohne Prämiensubventionen. Das gibt die neue Handelslücke für zukünftige Händler, die ohne Vertriebsvertrag ihre neue Zukunft angehen müssen. Die Emil Frey Gruppe lehnt das Agenturmodell entschieden ab. Warum? Das ist eine kluge schweizerische Entscheidung: Man setzt auf das unternehmerische Risiko des einzelnen Händlers. Man lehnt die reine Dienstleistungsfunktion eines Händlers ab.
Und warum stehen die Mitsuibishi-Händler so markant hinter ihrem Importeur? Da stimmt die Augenhöhe, der Respekt voreinander. Warum sind die Mitsubishi-Betriebe wirtschaftlich gesund? Da wurden keine Protzbauten, keine überzogene Standards eingefordert. Da stimmt das Geben und Nehmen! Und es wird ganz bewusst das Prinzip Einfachheit gelebt. Keine seitenlangen Verkaufsprämienaktionen, die keiner versteht. Fazit: eine positive Beurteilung der MMC-Händler, trotz der eingeschränkten Modellpolitik.
Wie wird sich das Zukunftsbild im Handel verändern? Gibt es überhaupt das Zukunftsbild? Es gibt dazu ganz viele Zukunftsbilder. Online wie offline! Wie all diese vielfältigen Zukunftsbilder zusammen kommen können, dass wir daraus eine Zukunft gestalten können - das weiß für 2030 keiner. Erst recht nicht für das Jahr 2035. Wir werden mit großen Unsicherheiten leben müssen.
Persönliche Anmerkung
Sie gestatten mir eine persönliche Anmerkung. Ich habe 1994 auf dem Heimweg von der Einweihung der BFC in Northeim im Auto, mit Helmut H. Lederer, Schwacke-Inhaber, den DSI, den Dealer-Satisfaction-Index initiiert. Die ersten vier Jahre über Prof. Dr. Wolfgang Meinig und dann ab 1998 mit der AUTOHAUS-Namensgebung "MarkenMonitor" vom IfA fortgeführt. Wir testen nun seit 1994! Seit 28 Jahren! Was hat sich seitens der Hersteller/Importeure verändert?
Es gehört nach vierzig Jahren Branchenwirken zu meinen negativen Erfahrungen, dass sich seitens der Hersteller in Sachen Händlerzufriedenheit, ihren wichtigsten Kunden (!), da diese jeden Tag vor Ort die größte Kundenzufriedenheit produzieren, trotz jährlicher Zufriedenheitsbefragung nach 28 Jahren allenfalls Marginalien verbessert haben. Mit dem grandiosen Zufriedenheitsverfall ab dem Jahr 2020 machen die Hersteller ihre künftige Abkehr zum Handel mehr als deutlich. Bei der aktuellen Pokalverleihung 2022 war von Volkswagen nicht einmal mehr ein Offizieller aus der Zentrale vertreten. Wolfsburgs fließende Grenzen via Blamage zeigt sich eben nicht nur im Dieselskandal!
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Mittwoch, 20. Juli 2022
Steuerzahlergedenktag 2022
Es war wieder soweit. Die deutschen Steuerzahler arbeiteten dieses Jahr bis zum 13. Juli für die öffentlichen Kassen. Von jedem verdienten Euro beträgt die Abgabenlast 53 Cent. Ganze 47 Cent macht die "freie Verfügungsmasse" aus.
Dahinter stehen die direkten Steuern, also Lohn- bzw. Einkommensteuer. Einige haben trotz gesetzlich anderer Ursprungsregelung immer noch den Soli zu bezahlen. Dann kommen die indirekten Steuern, Mehrwertsteuer, die Energiesteuer hinzu. Ferner Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Die Zwangsabgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Umgekehrt erhalten wir staatliche Dienstleistungen von Schulen, Universitäten, Sicherheit, Infrastruktur, soziale Absicherungen u.a. Umgekehrt gäbe es allerdings genügend staatliche Sparpakete, angefangen von Subventionen an DAX-Konzerne, unnötige Förderung von TV-Serien bis hin zur "ewigen" Subventionierung der E-Autos, Ladesäulen, Wallboxen. Die meisten Elektroautos auf deutschen Straßen fahren aktuell mit Kohlestrom. Jeder sparsame Diesel weist aktuell eine bessere Klima-Bilanz als ein E-Kohle-Auto aus.
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Freitag, 22. Juli 2022
"Liquide Kundenzufriedenheit" bei 40 Grad Sommerhitze
Um da nicht in Überängste zu fallen: Am Freitag, 6. August 1975, hatten wir auch schon mal 40 Grad Hitze. Vor bald 50 Jahren! Damals standen allerdings die "Grenzen des Wachstums" im Zentrum der Zukunftsforscher. Heute der ernst zu nehmende Klimaschutz!
Bei derartigen Sommer-Temperaturen Kundenzufriedenheit zu schaffen, stellt an den Service besondere Anforderungen. In der Franz AG in Zürich sieht die kundennahe Antwort so aus. Text: "In Kürze klopft Volkswagen an, um die Bewertung der Service-Leistung zu hinterfragen. So sie damit zufrieden sind, freuen wir uns über 5 Sterne." Die Wasseridee zeitigt seitens der Kunden sichtbare positive Erfolge. Dank hilfreicher Hitzeliquidität. Die Petflasche Wasser, stilles Quellwasser, zwölf Stück im Karton, wurde für die Franz AG hergestellt. Zu beziehen über Eckert Werbeartikel AG in Zürich (www.eckert.ch). Dort ist sicher auch eine deutsche Bezugsadresse zu erfahren.
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Spruch der Woche
Nicht nur die Malaise mit den fragwürdigen Lieferterminen im Neuwagenbereich schafft für den Handel massive Zusatzbelastung. Auch der "Werkstattplaner" demonstriert, wie viele Kundenaufträge aufgrund fehlender Originalteile nicht abrechenbar sind. Das schafft nachhaltige Kundenzufriedenheit!
Mit den besten Wünschen für eine starke Solidarität im Markenhandel!
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
www.brachat.de
Der nächste HB ohne Filter erscheint am 29. Juli 2022!
Volker Höfert