Diesel-Kläger, die wegen des VW-Motors EA189 um Schadenersatz von Audi streiten, haben dank eines Urteils aus Karlsruhe verbesserte Erfolgsaussichten. Die obersten Zivilrichterinnen und -richter des Bundesgerichtshofs (BGH) bestätigten am Donnerstag mehrere Urteile des Oberlandesgerichts (OLG) München, das vier Audi-Käufern das geforderte Geld weitgehend zugesprochen hatte. Damit ist der Ingolstädter Autobauer rechtskräftig zur Zahlung verurteilt. (Az. VII ZR 238/20 u.a.)
Es ist das erste Mal, dass so eine Schadenersatz-Klage gegen Audi vor dem BGH Erfolg hat. Denn der Motor EA189 wurde zwar in verschiedenen Audi-Modellen eingesetzt, aber bei der Konzernmutter Volkswagen entwickelt. In zwei früheren Fällen hatten die Kläger beim BGH deshalb schlechte Karten. Die Richter vermissten konkrete Anhaltspunkte dafür, dass jemand bei Audi von der illegalen Abgastechnik wusste. Eine "Wissenszurechnung" über die Grenzen der Konzerngesellschaften hinweg sei nicht möglich.
Die Münchner Richter hielten es dagegen für undenkbar, dass kein einziger Audi-Verantwortlicher von der manipulierten Steuerungssoftware Kenntnis hatte. Nach ihrer Überzeugung ist es ausgeschlossen, dass der Motor quasi blind einfach eingebaut wurde. Der BGH macht sich diese Argumentation nicht zu eigen, erklärte sie aber für "rechtlich möglich". Das Revisionsgericht könne nur prüfen, ob der Tatrichter - also in diesem Fall das OLG - sich "mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt" habe. Im Ergebnis sei daran nichts zu beanstanden.
Argumentation könnte als Blaupause genutzt werden
Das eröffnet Anwälten und Gerichten die Möglichkeit, die OLG-Argumentation als Blaupause zu nutzen. Andere Landgerichts- und OLG-Richter können aber natürlich auch zu anderen Urteilen kommen.
Audi nannte die BGH-Entscheidung "falsch". Sie sei "zudem nicht ohne Weiteres auf weitere noch anhängige Verfahren übertragbar". "Berufungsgerichte werden daher für jeden Einzelfall zu prüfen haben, ob der Klägervortrag den Anforderungen des BGH genügt."
Audi-Anwalt Moritz Becker kritisierte in Karlsruhe, dass das OLG den Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung erhoben habe, "ohne auch nur eine Beweisaufnahme durchgeführt zu haben, ohne auch nur gesagt zu haben, welche Person es denn bei Audi gewesen sein soll".
Auswirkungen des BGH-Urteils dürften sich in Grenzen halten
Die Auswirkungen des BGH-Urteils dürften sich auch deshalb in Grenzen halten, weil die meisten Betroffenen nicht gegen Audi, sondern gleich gegen VW geklagt hatten. Auf diesem Weg waren Schadenersatz-Ansprüche deutlich einfacher durchzusetzen. Nach Auskunft von Audi gibt es derzeit noch eine niedrige vierstellige Zahl offener Verfahren. Darunter seien Fälle, in denen die Ansprüche wohl verjährt seien.
Daneben gibt es allerdings noch Klagen wegen anderer Diesel-Motoren, die direkt von Audi hergestellt wurden. Zwei solche Fälle sollen in Karlsruhe erstmals am 16. Dezember verhandelt werden.
Bei VW geht der BGH davon aus, dass dem Einsatz der illegalen Abgastechnik in Millionen Fahrzeugen eine strategische Entscheidung auf hoher Ebene zugrunde gelegen haben muss. Behörden und Kunden seien systematisch hinters Licht geführt worden. Denn in Wirklichkeit stießen die Autos zu viele Schadstoffe aus - nur im Test sorgte eine Software dafür, dass die Grenzwerte eingehalten wurden.
Deshalb können Kläger, die die Voraussetzungen erfüllen, grundsätzlich ihr Auto an VW zurückgeben. Sie bekommen aber nicht den vollen Kaufpreis wieder, sondern müssen sich die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Vor diesem Hintergrund hatte sich VW konzernweit in Zehntausenden Verfahren auf einen Vergleich geeinigt, ohne eine gerichtliche Entscheidung abzuwarten. Diese Kläger durften ihr Auto behalten. Außerdem hatten gut 245.000 Betroffene durch einen Mustervergleich zwischen Volkswagen und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen Summen von 1.350 bis 6.257 Euro bekommen. Darunter sind auch Diesel-Besitzer, die keinen VW fahren, sondern einen Audi.