Ausgabe 09/2008: Zukunft gestalten

Service 2008 / Der Service ist nach wie vor das Ertragsrückgrat der Markenwerkstätten. Was bringt die Zukunft? Welche Anpassungs-notwendigkeiten kommen auf uns zu?Zukunft gestaltenVon Prof. Hannes BrachatDas Wirtschaftsjahr 2007 servierte dem deutschen markengebundenen Automobilhandel die übelste Rendite der Nachkriegsgeschichte: 0,2 Prozent Umsatzrendite! Eine Demütigung ersten Grades! Stärkendes Rückgrat bildete für die meisten Betriebe der Service. Abb. 1 bringt den Nachweis dafür. Danach werden – je nach Autohaus – zwischen 43 und 70 Prozent des Ergebnisses über die Serviceschiene erwirtschaftet. Wird das auch in Zukunft so sein? Ja, wenn die Werkstattauslastung weiterhin gegeben ist. Die zentralen Herausforderungen für den Markenhandel lauten also Werkstattauslastung schaffen und den fürchterlichen Ergebnisdruck egalisieren. Servicevolumen schmilzt!Wohl ging die Zahl der Kfz-Betriebe (Markenhändler wie Freie Werkstätten) in 2007 von 40.200 auf 39.750 zurück. Der Service-Kuchen verteilt sich also auf weniger Existenzen. Dennoch, das Servicevolumen in Summe geht zurück. Der Kuchen wird kleiner. Hatten wir 2006 noch 72,7 Mio. Wartungs- und Reparaturaufträge, waren es 2007 noch 71,9 Mio. Ein Minus von 800.000 Aufträgen! Machen wir uns nichts vor, in Summe ist über die vergangenen Jahre sowohl die Auslastung pro Arbeitsplatz rückläufig, ebenso die Auslastung der Mechaniker. Darin liegt zugleich die Notwendigkeit begründet, die Arbeitszeit im Service wieder auf 42 Stunden auszubauen, auch wenn das die IG-Metall im Diesseits nie verstehen wird. Zwei weitere Phänomene müssen der Branche zu denken geben. Nicht nur die Vergütung und das Prozedere in Sachen Garantievergütung führte die letzten Jahre bei allen Herstellern und Importeuren zu einem Rückgang der Garantielohn- und Teileerlöse, nein, auch die Autos wurden und werden qualitativ Jahr um Jahr besser. VW-Chef Martin Winterkorn: "Die einzigen Klagen unserer Händler lauten: ,Wir verdienen kein Geld in der Werkstatt.' Ich sage, warum: Unsere Autos sind zu gut." Als würden die VW- und Audi-Händler im Verkauf das große Geld machen. Aber bitte! In qualitativen Belangen seiner Fahrzeugwelt möchte jeder Hersteller den anderen übertreffen. Das ist strategisches Ziel. Folglich werden die Garantieleistungen der Hersteller schrumpfen. Trotz verlängerter Garantie- bzw. Gewährleistungszeiten! Das zweite Phänomen. Abb. 2 und Abb. 3 belegen das: Die Markenhändler haben über die ersten drei Jahre – dank Garantiezeit – eine hohe Kundenreputation. Innerhalb dieser Zeit bevorzugen die Kunden auch Originalteile. Der "Abfall" vom Markenhandel passiert ab dem vierten Jahr. Ganz genau genommen nach dem fünften Jahr. Bitte: Die Vertragswerkstätten haben bei Fahrzeugen älter als 4 Jahre noch einen Betreuungsgrad von sage und schreibe 39 Prozent! Lassen wir Mengenzahlen sprechen. Auf deutschen Straßen laufen derzeit über 46 Mio. Pkw. 33,5 Mio. sind älter als vier Jahre. 21,6 Mio. sogar älter als 8 Jahre. Oder anders: 47 Prozent der Fahrzeuge sind älter als acht Jahre! Die neue Heimat!Und wo haben die "älteren Fahrzeughalter" in Sachen Wartung bzw. Reparatur ihre Service-Heimat? Abb. 4 zeigt beispielsweise die Aufwändungen für Reparaturarbeiten nach Fahrzeugalter pro Jahr. Am interessantesten sind wirtschaftlich betrachtet die Fahrzeuge 6 Jahre und älter! Die Frage sei erlaubt: Haben die Vertragswerkstätten im Hauptsegment der Serviceumsatzträger überhaupt eine realistische Chance? Im besagten Segment II – Fahrzeuge vier bis acht Jahre alt – kann man sagen, dass die Kundenloyalität nach wie vor bei 40 Prozent liegt. Diese Kunden kommen auch weiter, haben quasi Stammkundencharakter. Die anderen 40 Prozent kommen aber nur noch bei kniffligen Reparaturen. Der Rest gehört der Gattung der Abwanderer an. Dennoch, die Vertragswerkstätten, der Markenhandel hat hier weiter seine Chance. Ja! Aber diese ist von der Preisreduktionsmöglichkeit abhängig und muss über gezieltes Servicemarketing "vertrieben" werden. Bestsellerautor Erwin Wagner hat hierzu in seinem neuesten Buch "Praxishandbuch Servicemarketing" praxisgerechte Wege aufgezeigt (siehe Kasten). Fazit: Für das Segment II wie für das Segment III sind gezielte Pakete zu schaffen. Das bedeutet: Es muss jeglicher Firlefanz gestutzt werden! Bei Klein- und Mittelbetrieben bestünde beispielsweise die Möglichkeit, dass die Mechaniker die Aufträge selber annehmen. Der Kunde liebt den persönlichen Kontakt zum "Produzenten", zum Mechaniker. Wer die gesamte Ebene der Serviceberater "einsparen" kann, muss nicht 70 Euro pro Stunde zzgl. MwSt. weiterverrechnen, sondern kommt mit 55 Euro zurecht! Außerdem: Der ganze Kundenzufriedenheitsbefragungszirkus ist auf ein Minimum zurückzuschrauben. Es sind Eigenteste zu entwickeln. Abb. 6 zeigt ein hervorragendes Beispiel aus der Audi-Organisation, worauf es bei "Qualität im Service" besonders ankommt. Und das wird gemacht! Konzentration auf das Wesentliche! 90 Prozent an Kundenzufriedenheit im Service werden geschaffen durch einen klar definierten Reparaturauftrag. Ergo, die Diagnosequalität muss stimmen! Dann kommt der Faktor Zuverlässigkeit hinzu. Zum einen in Form der Termintreue, zum anderen über die Arbeitsqualität. Auf Dauer hat nur der eine Chance, der Tag für Tag auf allen Leistungsebenen hohe Qualität produziert. Kundenzufriedenheitseinbrüche sind gleichzusetzen mit Vertrauenseinbrüchen. Wer Kunden verliert, hat die Vertrauensebene verletzt. Und das geht zumeist auf den Faktor Qualität zurück. Wer dann dem Kunden noch klar bei Auftragsannahme sagen kann, was die Arbeit verbindlich kostet, das kompetent und mit hoher Sympathie vermittelt, hat 90 Prozent Kundenzufriedenheit in der Tasche. Und das reicht. Da kann man sich das Nachtelefonieren sparen. Das bringt nichts und der Kunde will das nicht. Wenn ein Kunde im Rahmen der Garantie zum dritten Mal wegen desselben Anliegens kommt, dann erwartet er einen Anruf vom Chef. Aber eine telefonische Seelsorge, die hinterfragt, ob der Kunde mit dem Sommerreifenwechsel zufrieden war, ist blanke Hybris. Aufhören! Qualität produzieren!Der Wandel im Service ist der Wandel vom Serviceberater zum Serviceverkäufer. Viele kleben förmlich an der Beratung. Wir leben aber vom Toreschießen! 50 Prozent der Kundenzufriedenheit im Service liegt in der Produktion von technischer Qualität. Die anderen 50 Prozent machen die "weichen" Faktoren, das Wie, die Sympathie aus. Weshalb kommen nicht mehr Damen im Service als Service-Verkäuferinnen zum Einsatz? In China ist das eine Selbstverständlichkeit. Bei uns werden technische Vorbehalte männlicher Art vorgeschoben. Abb. 7 demonstriert aktiv gelebten Charme. Allerdings aus Österreich! Verkaufen bedeutet: Leistungen aufzeigen. Gerade bei der Rechnungserläuterung. Abb. 8 zeigt ein hervorragendes Beispiel aus einem Skoda-Betrieb an der Automeile am Höherweg in Düsseldorf. Dort werden in der Direktannahme dem Kunden die "Zustände" von abgefahrenen Reifen, Bremsscheiben, Bremsbelägen etc. gezeigt. Das schafft Vertrauen!Abb. 1 arbeitet sehr deutlich die Ertragsperle Mineralöl heraus. 15 Prozent des Gesamtgewinnes im Autohaus resultieren aus der "goldenen Perle"! Oder anders: 50 Prozent des Teileertrages kommen aus diesem Geschäft. Das würde man den Automobilherstellern wünschen, eine derartige Verkaufs- und Einkaufspolitik bis zum heutigen Tage durchzuziehen, wie es umgekehrt die Mineralölgesellschaften vorgemacht haben. Worin liegen die eigentlichen Wachstumsreserven im Ölgeschäft? Abb. 9 zeigt die eine Schiene: Mitnahmeöl. Jeder Kunde erhält im Rahmen des Services eine Literflasche beigelegt. Sie muss ja nicht 25 Euro kosten! 15 Euro sind für jeden Kunden zu vermitteln. Wird das Öl nicht gebraucht, verwenden wir das beim nächsten Service im Rahmen des Ölwechsels. Die zweite Schiene: Bei jedem Fahrzeug, das in die Werkstatt kommt, wird der Ölstand kontrolliert!Die Perle Karosserie & LackEine weitere gewichtige Schiene darf nicht einbrechen. Es ist das Karosserie- und Lackiergeschäft. AUTOHAUS hat dies mehrfach in seiner Beilage "SchadenBusiness" praxisnah dargestellt. Schlimm, wenn 80 Prozent der Kunden nach einem Unfall erst einmal ihre Versicherung anrufen. Alle acht Jahre baut ein Auto-fahrer statistisch gesehen einen "Unfall". Schon beim Knall muss er nur an eines denken: an seine Werkstatt! Zum 1.7.2008 tritt das neue Rechtsdienstleistungsgesetz in Kraft. Künftig dürfen also unsere Kunden "rechtlich" über die einzelnen Schritte der Unfallabwicklung im Auto-haus "beraten" werden. Diese Chance gilt es – trotz oder im Verbund mit An-wälten – zu nutzen. In jedes Handschuhfach gehört in großen Lettern die Telefon-nummer der Unfall-Hotline. Abb. 10 zeigt eine weitere Variante. Die Vorder- oder Rückseite der Kfz-Scheintasche gibt die Möglichkeit, diese Hotline abzubilden. Die freie WerkstattmarkeWerkstattauslastungssicherung wird auch von mehr und mehr Markenhändlern über die Integration einer freien "Werkstattmarke" betrieben (siehe Abb. 11). Auch in Sachen Internetauftritt ist der Serviceauftritt systematisch auszubauen. Abb. 12 zeigt die Empfehlungen von Service-Experte Erwin Wagner. Wenn es schon eine Börse in Sachen Service für freie Werkstätten gibt, wo bleibt die Servicebörse für die Markenhändler (siehe Abb. 13)? Da müssten sich die Automobilhersteller im VDA und VDIK an einen Tisch setzen und überfabrikatlich endlich Gas geben. Aber nein, jeder klebt an seinem Markenschild. Die überfabrikatliche Markenbörse wird kommen, ob die das da oben wollen oder nicht!

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