Ausgabe 08/2008: Wer kriegt was vom Werkstattkuchen?

Studie Aftersales 2008 / Teil 1: Im Servicemarkt klopft der Verdrängungswettbewerb ans Werkstattttor.Wer kriegt was vom Werkstattkuchen?von Dieter RadlMarkenwerkstätten und freie Werkstätten bzw. Werkstattketten agierten in der Vergangenheit in einer Art "friedlichen Koexistenz": Lebten Erstere vor allem vom jungen Segment I (Fahrzeugalter bis 4 Jahre), kümmerten sich Letztere um die älteren Baujahre in den Segmenten 2 und 3. Seit einigen Jahren aber stimmt diese Beschreibung nicht mehr: Hersteller versuchen z. B. mit verlängerten Garantieangeboten und Servicepaketen verstärkt ins Segment 2 vorzudringen. Umgekehrt bauen Werkstattketten ihre Filialnetze aus und greifen angestammte Geschäftsfelder der Markenwerkstätten an (Inspektionen, Flottenbetreuung etc.). Dass der Aftersales-Wettbewerb derzeit vor einem qualitativen Sprung zum beinharten Verdrängungswettbewerb steht, zeigt die brandneue Studie "Aftersales 2008" der Unternehmensberatung Salaw &Partner (www.salaw.de). Segment 2 verliert, Segment 3 legt zuDie Studie prognostiziert einen insgesamt stagnierenden Aftersales-Markt, der für 2010 mit einem Volumen von 29 Mrd. € (ohne Garantie- und Unfallreparaturen) beziffert wird. In diesem volumenstabilen Markt werden Strukturveränderungen jedoch den Wettbewerbsdruck massiv erhöhen, v. a. zwischen den Markenwerkstätten (MW) auf der einen und den Freien Werkstätten/Systempartnern (FW) und Werkstattketten/Fast-fit (WK) auf der anderen Seite. Unter anderem erläutert die Studie diese drei wichtigen Strukturveränderungen: Die Altersstruktur des Fahrzeugbestands: Das Segment 2 (4 bis 8 Jahre) profitierte bisher stark vom Verkaufsboom zu Anfang dieses Jahrzehnts. Schleppender Neuwagenabsatz und damit alternder Fahrzeugbestand führten in den letzten Jahren aber dazu, dass sich im Segment 2 eine anhaltende Talsohle abzeichnet. Dietmar Holzenthaler, Projektleiter der Studie "Aftersales 2008": "Rechnerisch stehen heute eine Million Pkw mit einem Fahrzeugalter von 3-4 Jahren weniger auf der Schwelle zu Segment 2 als vor 4 Jahren." Einzig im Segment 3 lassen sich derzeit ordentliche Zuwächse registrieren, ein Segment, das bisher den Markenwerkstätten wenig attraktiv erschien. Allerdings ist auch hier schnelles Handeln gefragt, denn die heutige Talsohle im Segment 2 wird in zwei bis drei Jahren auch Segment 3 erreichen. Schlussendlich bedeutet das, dass immer mehr Marktteilnehmer um einen schwindenden Markt kämpfen. Der Sparzwang: Rückläufige Realeinkommen, stark steigende Ausgaben für den Grundbedarf (Wohnung, Energie, Nahrung) und weitere Faktoren wie rückläufige Jahresfahrleistungen pro Pkw haben dazu geführt, dass bei den Mobilitätskosten auf die Bremse getreten wird. Die Studie zeigt, dass sich seit 2002 ein Rückgang von 17 Prozent bei der Werkstattkundenfrequenz (Wartung und Verschleißreparaturen) ergeben hat. Zu dieser Entwicklung tragen weitere Faktoren bei, z. B. die wachsende Langlebigkeit von Verschleißteilen, verlängerte Wartungsintervalle oder auch die demographische Entwicklung (Senioren fahren weniger). Gleichzeitig aber steigen die Preise pro Werkstattaufenthalt (aufgeschobene Reparaturen, mehr Komplexreparaturen etc.), und damit erhöht sich die Preissensibilität beim Verbraucher. Komplexreparaturen (Mechatronik, Motormanagement, Antriebsstrang, Infotainmentsysteme etc.) werden ihren Anteil gegenüber "Einfachreparaturen" von 2002 (25 %) bis 2012 auf 40 Prozent signifikant erhöhen. Sie erfordern von der Werkstatt einen deutlich höheren Qualifizierungs- und Ausrüstungsstandard. Die politischen Rahmenbedingungen (C02-Gesetzgebung, Feinstaubproblem etc.) und der Innovationsdruck in der Automobilindustrie (Hybridisierung, Start-Stop-Systeme etc.) lassen künftig einen noch schneller steigenden Anteil an Komplexreparaturen als wahrscheinlich erscheinen. Über die Zeitachse haben die Komplexreparaturen bereits Segment 2 erreicht und werden künftig verstärkt auch in Segment 3 nachgefragt (werden müssen). Neben Segment 2 dürfte künftig also verstärkt auch Segment 3 als Marktpotenzial in den Fokus der Markenwerkstätten rücken, da sie bei wachsender Reparaturkomplexität (bisher) die klare Kompetenzführerschaft haben. Hier liegt Chance und Fluch zugleich für die Markenwerkstatt. Die Zunahme der Reparaturkomplexität bringt zwar Kundenkontakt, doch die damit verbundene teure Reparatur bestätigt den Kunden eher wieder darin, für einfachere Arbeiten den freien Wettbewerb aufzusuchen. Welche Konsequenzen und welchen Handlungsbedarf diese hier skizzierten Marktentwicklungen für die Markenwerkstätten haben – vor allem im Hinblick auf Dienstleistungsangebot, Preismarketing und Kundenbindung –, werden wir im zweiten Teil dieser Serie in der nächsten AH-Ausgabe skizzieren.

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