Von Frank Bartnick / Bartnick Personalentwicklung
Kundenansprüche im Wandel
Was unterscheidet den Kunden von "gestern" von dem von "heute"? Hilfreich ist hier ein Blick auf andere Wirtschaftszweige. Früher gab es sogenannte Einheitsmärkte: Bis in die 1980er Jahre bekam Otto Normalverbraucher in fast allen Geschäften derselben Branche ähnliche Produkte mit einem ähnlichen Service. Geflogen wurde mit der Lufthansa, Lebensmittel wurden bei Pro oder Edeka gekauft, und das kaputte Auto wurde in die Werkstatt gebracht. Der Service war überall gleich – bescheiden. Das Wort "Service" war im deutschen Sprachgebrauch noch nicht vorhanden.
Erst als Aldi die Discounter-Branche in Deutschland mit erfand, bildeten sich über drei Jahrzehnte das Billigsegment, in dem der Kunde fast ausschließlich den günstigsten Preis als Kaufgrund angibt, und das gehobene Segment, bei dem Produktqualität, gute Beratung und guter Service eine wichtige Rolle spielen. So gibt es heute in vielen Branchen zwei oder mehrere Segmente, in dem sich günstig und gehoben – nicht unmittelbar als Konkurrenten – gegenüberstehen: Lufthansa und Ryan Air, Edeka und Aldi, VW-Werkstatt und ATU-Filiale.
Wie kann der Kunde jetzt erkennen, wo er sich befindet? Zum einen entscheidet er nach optischen Gesichtspunkten und nach der haptisch zu begutachtenden Produktauswahl. Andererseits achtet er auf die Qualität des Beraters. Edeka hat das erkannt. In seinen Werbespots setzt der Lebensmittelhändler zumeist auf Auswahl und Beratungsqualität. Früher wurde der Einkauf als eine Notwendigkeit betrachtet. Wenn der Kunde "billig" kauft, hat sich an dieser Einstellung kaum etwas geändert. Aber wie ist es sonst heute? Sind die Bezeichnungen "Shopping" und "Erlebniseinkauf" nur Floskeln? Was können Autohäuser tun, um das Shopping-Gefühl in den Betrieb zu transferieren?
Ich denke, dass die Verkäufer und Berater diesen Ansprüchen am besten gerecht werden, wenn Produkte oder Reparaturbedarf direkt am auf der Hebebühne stehenden Auto gezeigt und besprochen werden. Wird Beratung nicht erst dann vom Kunden als wirklich "gehoben" empfunden, wenn er Dinge sieht und dadurch besser versteht?
Nicht zuletzt haben die heutigen Kunden wesentlich mehr und bessere Möglichkeiten, sich vor dem Einkauf über die Produkte und Beratungsleistungen zu informieren. Viele Autohauskunden wollen das auch. Dass sie dadurch nicht nur selbständiger und unabhängiger, sondern auch wesentlich kritischer werden, müssen Anbieter hinnehmen. Was gestern über die Mund-zu-Mund-Propaganda langsam und mühsam an positiven und negativen Informationen weitergegeben wurde, erfährt heute durch Facebook und Twitter eine enorme Beschleunigung.
Mit der Durchführung einer guten Dialogannahme (DA) unterstützt man den Kunden bei seiner Wahl. Er bekommt das Gefühl, selbst zu entscheiden, wofür er ein Produkt nun braucht und warum die teure Reparatur notwendig ist. Nur diese Kunden verbringen ihre begrenzte Zeit gerne im Autohaus. Meiner Meinung nach reagieren die Kfz-Betriebe aber nur schleppend auf diese Entwicklung – und das beginnt damit, dass sich viele Kunden in der DA so fühlen, als wären sie in einer kalten Waschküche.
Verkaufsraum Dialogannahme
Die stiefkindliche Behandlung der Dialogannahme im Autohaus wird besonders bei der inhaltlichen und optischen Gestaltung deutlich. In zu kleinen, kalten und dreckigen Räumen, in denen sich nicht nur der Kunde unwohl fühlt, sollen gute Beratungen stattfinden? Vielerorts hat die Dialogannahme immer noch den Charakter einer Werkstatt und nicht den eines Verkaufsraumes. Da geht es mitunter so eng zu, das sich Serviceberater und Kunde um das Auto "herumhangeln" müssen. Das stört die Gesprächsatmosphäre ebenso wie zu laute Hebebühnen. Meiner Meinung nach gehören eine leise und praktische Hebebühne, ein modernes Achsmessgerät und ein Bremsenprüfstand zur technischen Grundausstattung einer Dialogannahme. Zwei vorne und hinten an der Decke montierte Spiegel sorgen dafür, dass der Serviceberater nicht erst den Kunden oder einen Kollegen fragen muss, ob das Licht am Auto funktioniert.
Diese technischen Minimal-Kriterien werden von den meisten Markenwerkstätten erfüllt. Ein Verkaufsraum wird die Dialogannahme jedoch erst dann, wenn (kleine) Produkte ausgestellt sind und auch Dienstleistungen angeboten werden. Für viele Kunden ist eine Altteilewand das Highlight einer heutigen Dialogannahme. Hier werden verbrauchte und neue Teile zusammen präsentiert und gegenübergestellt. So kann der Kunde wesentlich besser verstehen, dass seine Bremsbeläge oder Reifen nicht mehr ihre 100-prozentige Leistungskraft besitzen.
Auch Bilder können den Verkaufsraum DA verschönern. Einige Autohäuser sind dem Ideal ganz nah, indem sie den Bereich so geplant und gebaut haben, dass der Serviceberater seinen Arbeitsplatz in der DA hat. Einen kürzeren Weg gibt es kaum.
Das Tal der Tränen
Sind jetzt ein paar Tipps von außen ausreichend, um das Thema in den Autohäusern professionell zu bearbeiten? Es muss natürlich nicht immer so dramatisch sein, wie folgendes Zitat aussagt: "Manchmal muss man ein Dorf verbrennen, um damit ein ganzes Land zu retten." Wenn aber die organisatorischen Voraussetzungen für die Ausübung der Dialogannahmen nicht gegeben sind und die Einstellung und Überzeugung dafür nicht wirklich vorhanden ist, stehen die Autohäuser vor einem tief greifenden Veränderungsprozess.
Dabei sollten Berater und Coaches darauf achten, dass einer ausführlichen Diagnose für die jeweilige betriebliche Ist-Situation genügend Zeit gewidmet wird. Immer wieder zu beobachtender Aktionismus bewirkt oft, dass sich die Dinge nur kurzfristig oder schlimmstenfalls gar nicht ändern. Im Endeffekt verschlechtert sich die betriebswirtschaftliche Situation eher weiter.
Die größte Herausforderung bei der Durchführung dieser Veränderungsprozesse besteht meiner Meinung nach darin, dass sich Betriebe oder einzelne Abteilungen auf die neue Situation einstellen müssen. Die betriebswirtschaftlichen Erfolge stellen sich nicht kurzfristig ein. Oft müssen Mitarbeiter geschult und/oder organisatorische Abläufe verändert werden. Nur wenn alle Mitarbeiter und Führungskräfte mit einbezogen werden, also eine Herausforderung ganzheitlich "angepackt" wird, stellen sich nachhaltig Erfolge ein.
Leider werfen viele leitende und verantwortliche Kräfte in den Autohäusern die Flinte zu schnell ins Korn. Dabei lassen sich in der Regel erst die Früchte ernten, wenn das "Tal der Tränen" durchschritten wurde. Immer wieder habe ich festgestellt, dass sich die Erträge, wie z.B. im Service, zunächst erst einmal verringern, ehe die Umsätze und Gewinne weit über dem Niveau vor dem Veränderungsprozess liegen können.
Gibt's doch gar nicht …
Doch bei ... Es gibt natürlich auch zahlreiche Autohäuser, die den Wert einer Dialogannahme längst erkannt haben. Die Führungskräfte und Mitarbeiter wollen sie gewinnbringend nutzen. Auch hier erarbeite ich gemeinsam mit ihnen, wie die Dialogannahme künftig noch besser und effizienter genutzt werden kann.
Sie haben Stiefkind Dialogannahme – Teil I verpasst? Kein Problem! Den Beitrag können Online-User hier nachlesen.
Zum Autor:
Frank Bartnick ist Inhaber der bundesweit tätigen Agentur Bartnick Personalentwicklung. Seine Spezialgebiete: Coaching und Beratung für Führungskräfte in Autohäusern und Ausbildung von Automotive-Coaches und Trainern.
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