"Wir angeln alle im selben Teich, aber die Fische werden immer weniger." So beschrieb ein Teilnehmer die aktuelle Situation im Recruiting neuer Mitarbeiter im Fahrzeughandel und im Service. Viele ältere Mitarbeiter gehen in den Ruhestand, aber es wird offenbar immer schwerer adäquaten Ersatz am Arbeitsmarkt zu finden. Das Thema Mitarbeitermangel kommt absehbar auf die Automobilwirtschaft zu und droht zum Engpass und Ertragskiller zu werden. Und das in einer Branche, die es bislang gewohnt war, zu den beliebten Arbeitgebern zu zählen. Das Thema Mitarbeitermangel brennt offenbar allen auf den Nägeln, das zeigte sich schnell an der lebhaften Diskussion im Raum.
Jeder wusste dazu eine Geschichte zu erzählen: "Wir haben noch nie so viel Employer Branding-Kampagnen entwickelt wie derzeit", bestätigte Michael Ruppert, Gründer und Managing Partner der Agentur Snook, die sich auf die Automotive-Branche spezialisiert hat und unter anderem Marketingkonzepte für den Handel sowie im Aftersales entwickelt. "Früher reichte es, eine Stellenanzeige zu schalten, heute haben die Arbeitgeber erkannt, dass sie sich für potenzielle neue Mitarbeiter interessant und authentisch darstellen müssen", so Ruppert. Hierbei sei es wichtig sich als Unternehmen authentisch zu präsentieren und – ganz wichtig – das Versprochene auch in der Realität einzulösen.
Zudem müsse man die Kandidaten dort abholen, wo sie sich medial tummeln, betonte Ruppert. Wer junge Leute ansprechen wolle, komme ohne Social Media heute nicht mehr aus. Das sei aber auch eine gute Nachricht, denn erfolgreiche Social-Media-Kampagnen zeigten, dass es funktionieren kann. Vielen von dem, was sich Unternehmen oder Verbände einfallen ließen, hat offenbar weniger gut funktioniert: Besonders die Bemühungen der Branchenverbände sind offenbar gut gemeint, aber wenig hilfreich.
Erfolgreiches Projekt mit Geflüchteten
Ein Teilnehmer berichtete von einem erfolgreichen Projekt, das mit Hilfe einer Personalagentur gezielt geflüchtete Menschen anspricht, die teilweise bereits eine gute Ausbildung im Heimatland genossen haben. Das Projekt laufe sehr gutm die Erfahrung sei mehr als positiv, hieß es. Die neuen Mitarbeite aus der Ferne zeigten hohes Engagement und sehr gute Arbeitsleistungen im Job. Mittlerweile wird auch die Idee gehandelt, gezielt Arbeitnehmer aus dem Ausland anzusprechen und für den Einsatz in Deutschland zu gewinnen. In anderen Branchen, beispielsweise bei den Berufskraftfahrern, werde das bereits erfolgreich praktiziert. Voraussetzung dazu sei eine gute Vorbereitung samt Unterbringung. Damit solche Projekte nicht an der Bürokratie scheiterten, müsse die Anerkennung von Abschlüssen aus dem Ausland in Deutschland deutlich erleichtert werden.
AUTOHAUS Würth Servicegipfel - 13./14. Juni 2023
BildergalerieWo top ausgebildetes Personal fehlt, könnten Prozesse vereinfacht oder automatisiert werden, um Personalkapazitäten freizuschaufeln. Ansätze und Ideen dazu gibt es offenbar bereits: Vom vollautomatischen Annahmeautomaten, bei dem der Autofahrer nur noch den Autoschlüssel einwirft, über selbstfahrende Roboter für das Teilelager bis zum Diagnosetool, das mittels künstlicher Intelligenz bei der Fehlersuche hilft.
Künftig muss auch infrage gestellt werden, ob man für jede anfallende Arbeit in der Werkstatt immer einen ausgebildeten Mechatroniker benötigt oder ob auch ungelernte Kräfte stärker zum Einsatz kommen könnten. Bei der Frage welche Rolle die Künstliche Intelligenz (KI) bei der Lösung der Mitarbeitermangels spielen könnte waren sich die Teilnehmer nicht einig. Viele sehen derzeit vor allem auch die Betrugsgefahren, die von KI-Anwendungen wie ChatGPT ausgehen.
Würth: Bestellsystem direkt in das DMS integrieren
Wie man durch digitale Anbindung den Arbeitsaufwand reduzieren und damit mehr Effizienz in Prozesse bringen kann, zeigte Stefan Estenfeld, der sich bei Würth mit den Themen E-Procurement und Digitale Beschaffung beschäftigt. Schlüssel zu vereinfachten Prozessen und weniger manuellen Aufwand bei der Bestellung von Verbrauchsmaterialien im Autohaus sei die Integration des Bestellsystems direkt in das DMS des Händlers. "Wir arbeiten mit den wichtigen DMS-Anbietern zusammen und schaffen entsprechende digitale Schnittstellen", erklärte Estenfeld. Der Implementationsaufwand für das Autohaus sei daher gering, der Nutzen aber enorm: Gerade bei der Nachbestellung von kleinteiligen Verbrauchsmaterialien und C-Teilen ist der Aufwand durch die manuelle Bestellung unterm Strich teurer als das bestellte Teil. Estenfeld: "Die Bestellung der C-Teile muss im DMS genauso leicht sein wie das Anlegen eines Auftrages." Ein weiterer Vorteil der Integration: Rechnungen könnten gleich auf die richtige Kostenstelle geschrieben, und das Bestandsmanagement könne durch den Lieferanten Würth gleich mitgemacht werden.
Ganz aktuelle Zahlen aus dem Reifenmarkt lieferte Tiemo Emig, Geschäftsführer des Komplettradspezialisten RR Team, in seinem Abriss. Leider waren die Nachrichten wenig erfreulich aus Sicht der Reifenbranche: Die Sell-In-Zahlen für Mai 2023 weisen im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von über 17 Prozent auf. Zudem werden extreme Preissteigerungen beobachtet. "Aktuell gehen wir davon aus, dass die Lagerbestände doppelt so hoch sind wie in einem normalen Jahr. Daher werden derzeit vor allem Restbestände abgebaut", erklärte Emig das Phänomen. Zudem trage die Inflation ihren Teil bei.
Der Blick auf die Zahlenreihe der Jahre 2018 bis 2022 zeigt einen deutlichen Rückgang der verkauften Reifen (Sell-In in der Region DACH, also Verkaufszahlen der Reifenindustrie an Handel und Autohaus direkt) um sechs Prozent. Gewinner ist der Ganzjahresreifen, der in dem Zeitraum um 59 Prozent zulegen konnte – und zwar auf Kosten der Winter- (minus 19 Prozent) und Sommerreifen (minus elf Prozent).
Bridgestone: Auf dem Weg zur grünen Reifenfabrik
Thomas Klotz, Executive Manager Car Dealer Europe bei Bridgestone Deutschland, zeigte, welchen Stellenwert mittlerweile das Thema Nachhaltigkeit in der Reifenindustrie einnimmt. Bridgestone habe sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 die Reifenproduktion komplett auf erneuerbare bzw. recycelte Rohstoffe umzustellen. Außerdem wolle man bis 2050 komplett CO2-neutral produzieren.
Auf dem Weg zur grünen Reifenfabrik ist das Unternehmen in acht Handlungsfeldern aktiv. Besonders der Einsatz von nachhaltigen und erneuerbaren Rohstoffen sowie von recycelten Materialien leiste einen wichtigen Beitrag – deren Anteil liegt heute immerhin schon 35 Prozent. "Wir investieren und forschen stark in der Entwicklung der Naturkautschuk-alternative Guayule, die in trockenen Gebieten angebaut werden kann und mit extrem wenig Wasser auskommt", nannte Klotz ein konkretes Beispiel. Bridgestone nehme aber alle Stufen der Wertschöpfung unter die Lupe von der Entwicklung bis zur Entsorgung des Reifens.
Dass kein Reifenhersteller an dem Thema Umwelt vorbekommt, zeigt nicht zuletzt der neue Kriterienkatalog des ADAC für Reifentests. Hier fließt die Umweltbilanz zu 30 Prozent in die Gesamtbewertung mit ein.