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Vielfältige Ursachen: Warum der Mensch in die automatisierte Fahrzeugsteuerung eingreift

18.12.2023 05:27 Uhr | Lesezeit: 7 min
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Im US-Bundesstaat Kalifornien wird systematisch überwacht und analysiert, wie oft und aus welchen Gründen automatisiert fahrende Fahrzeuge in den manuellen Modus wechseln. Mit dem Thema dieser so genannten "Disengagements" beschäftigt sich auch der aktuelle DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2023.
© Foto: DEKRA, guteksk7 – stock.adobe.com

Hoch automatisierte Fahrfunktionen können ein Fahrzeug selbstständig steuern. Unter eng begrenzten Voraussetzungen darf sich ein Fahrer dabei anderen Tätigkeiten widmen, muss aber "in Bereitschaft" für notfalls manuelle bleiben. Wann und warum ein Fahrer in die automatisierte Fahrzeugsteuerung eingreift, sich also von der Automatisierung abkoppelt, wird zum Beispiel im US-Bundesstaat Kalifornien systematisch überwacht und analysiert.

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Vorab ist bereits festzuhalten, dass es verschiedenste Gründe für das „Abkoppeln“ vom hoch automatisierten Fahren gibt. So fühlen sich in kalifornien beispielsweise viele Autofahrer:innen bei automatisierten Manövern unwohl. Andererseits werden sogenannte "Disengagements" häufiger vom Menschen ausgelöst. Darüberhinaus existieren allerdings auch noch Forschungslücken zu "Übernahmeszenarien ohne vorherige Warnung".

"Die Zahlen geben wichtige Hinweise auf sicherheitsgefährdende Problemfelder rund um das hochautomatisierte Fahren", sagt DEKRA Verkehrspsychologe Dr. Thomas Wagner unter Verweis auf den DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2023 "Technik und Mensch", der sich ausführlich auch dem Thema der "Disengagements" widmet.

Neue Risikopotenziale durch mehr Automatisierung

So schreitet die technologische Evolution vom manuellen hin zum automatisierten Fahren bekanntermaßen beständig voran. Mit steigendem Automatisierungsgrad erhöht sich auch der Anteil der Fahraufgaben, die durch das technische System übernommen werden. Auf den ersten drei Ebenen der SAE-Stufendefinition (Level 0 bis Level 2) unterstützen oder ergänzen die Assistenten und Systeme den Fahrer, in den höheren Ebenen (ab Level 3) wird die Fahrzeugkontrolle teilweise oder vollständig und dauerhaft an das Fahrzeugsystem delegiert. Das schafft dann allerdings neue, bislang unbekannte Risikopotenziale.

Entwicklungsschritte an kritischen Levels

"Einen besonders neuralgischen Punkt bei der Fahrzeugführung auf Level 3 und 4 stellen Verkehrssituationen dar, die das System an seine Grenzen bringen und den Fahrer veranlassen, die manuelle Kontrolle zu übernehmen", sagt DEKRA Experte Wagner. Wie häufig ein solches Disengagement, also das Abkoppeln von der Automation, vorkommt, wird in Kalifornien bereits erfasst. Das dortige Department of Motor Vehicles hat alle Fahrzeughersteller dazu verpflichtet, jährliche Berichte vorzulegen, in denen sie unter anderem Angaben zu aufgetretenen Disengagements in hoch automatisierten (Versuchs-) Fahrzeugen machen müssen.

Die Auswertung dieser Berichte für den Zeitraum 2014 bis 2019 zeige, dass mit zunehmender Zeit beziehungsweise Erfahrung hinsichtlich automatisiert zurückgelegter Kilometer die systeminitiierten Disengagements im kalifornischen Straßennetz abnahmen. Die Forscher führen dies auf eine verbesserte Systemanpassung auch in komplexen Verkehrssituationen zurück.

Gleichzeitig wurde jedoch bei den manuellen Disengagements eine leichte Zunahme beobachtet. "Dies legt eine Stagnation oder einen Rückgang des Vertrauens in die Technologie nahe, könnte aber auch daran liegen, dass die Fahrer mit zunehmender Erfahrung im Umgang mit dem System ein besseres Verständnis für dessen Grenzen entwickelten", erläutert Thomas Wagner.

Unfallgefahr durch Disengagements nicht größer

Blickt man auf Auslöser und Ursachen für das Abkoppeln, so fällt laut DEKRA auf, dass mehr als 80 Prozent von Fahrern initiiert wurden, die sich entweder bei den Manövern der automatisierten Fahrzeuge unwohl fühlten oder aufgrund von unzureichendem Vertrauen vorsorglich manuelle Disengagements durchführten. Die meisten Abkopplungen – ob manuell oder automatisch – konnten systembedingten Ursachen zugeschrieben werden: Etwa 75 Prozent waren auf Fehler in der Wahrnehmung, Lokalisierung und Kontrolle des automatisierten Fahrsystems zurückzuführen. "Grundsätzlich wurden die Disengagements häufiger von den Fahrern als vom Fahrzeugsystem ausgelöst", führt der DEKRA Verkehrspsychologe weiter aus.

Seiner Ansicht nach stecken die Lösungsansätze künstlicher Intelligenz zu typisch menschlichen Eigenarten im Straßenverkehr wie zum Beispiel intuitivem Handeln, partnerschaftlichem Entgegenkommen, Umgang mit Konfliktsituationen oder gestenbasierter Kommunikation zwischen Verkehrsteilnehmern noch in den Kinderschuhen. "Das stört offenbar die Harmonie des Verkehrsflusses und provoziert menschliche Eingriffe in die automatisierte Fahrzeugsteuerung."

In einer separaten Arbeit werteten Wissenschaftler der Universität von Virginia in Charlottesville/USA die Datensätze der kalifornischen Berichte gemeinsam mit den verfügbaren Unfallstatistiken aus und untersuchten die Beziehung zwischen Disengagements und Unfällen. Insgesamt flossen 770 Disengagements und 124 Unfälle in die Analyse ein. Dabei zeigte sich, dass solche Manöver an sich nicht generell zu einem Unfall führen. Der Studie zufolge erhöhen allerdings insbesondere diejenigen Aspekte, die mit der Entscheidungsfindung des Fahrers zusammenhängen, die Wahrscheinlichkeit eines Disengagements mit Unfall.

Unzureichendes Situationsbewusstsein

Das Problem der manuellen Übernahme aus hoch automatisierter Fahrt ohne vorherige Warnung macht offenbar den überwiegenden Teil solcher Situationen im realen Straßenverkehr aus. In der aktuellen Forschung spiegelt sich dies jedoch nicht wider – es dominieren Studien zu Situationen mit vorheriger Übernahmewarnung. Die Bandbreite der benötigten Übernahmezeit variiert dabei zwischen 2,8 und rund 40 Sekunden – je nach Aufgabenstellung für die Probanden, Art der Übernahmewarnung und der Festlegung, was unter einer sicheren Kontrollübernahme verstanden wird. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür sei zum Beispiel, dass der Fahrer die Verkehrssituation richtig "lesen" kann – also erkennt, was passiert, beziehungsweise, ob eine Gefahr droht und was dann zu tun ist.

"Brauchen dringend mehr Studien"

Im Hinblick auf das Situationsbewusstsein zeigen verschiedene Studien insgesamt eine deutliche Verzögerung – insbesondere dann, wenn es darum geht, das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer zu verstehen. "Für eine umfassende Beurteilung aller Übernahmevarianten sind die bisher vorhandenen Erkenntnisse keinesfalls ausreichend", resümiert der DEKRA Experte. Besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Gesetzgebung etwa in Deutschland, die eine Übernahme unter verkehrsgefährdenden Umständen oder bei fehlerhaften Systemzuständen erfordert, seien mehr Studien zu Übernahmen ohne vorherige Warnung dringend erforderlich. Auch müsse die Zahl an Realfahrten unter experimentellen Bedingungen deutlich erhöht werden.

Weitere Hintergründe zum Thema wie auch zu anderen Aspekten des Spannungsfelds von Technik und Mensch finden sich im DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2023. Er steht unter www.dekra-roadsafety.com zur Verfügung.  (fi/wkp)

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