Und nicht viele Normen des Verkehrsstrafrechts polarisieren in einem Ausmaß wie der Paragraf 142 StGB, in dem es um "Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort" geht.
Die bisherige Diskussion
Besteht noch weitgehend Konsens, dass eine Warteverpflichtung am Unfallort in Zeiten moderner Kommunikationstechnik antiquiert zu sein scheint, spaltete die aktuelle Entkriminalisierungsdebatte für die Flucht bei Unfällen ohne Personenschaden zuletzt die Lager: Würde die Androhung eines Bußgelds genügen, um Fluchten nach Unfällen mit Sachschäden zu verhindern? Können Polizei und Justiz durch eine solche Reform entlastet werden?
Der Deutsche Verkehrsgerichtstag hat sich bereits mehrfach – zuletzt im Jahre 2018 – mit der in die Jahre gekommenen Vorschrift befasst. Ist jetzt die Zeit für eine Reform reif? Ist die Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit bei Sachschäden der richtige Weg? Kann die komplexe Vorschrift besser und praktikabler gestaltet werden, ohne dass man das Interesse der Geschädigten aus den Augen verliert? Welche Reformalternative bringt die Interessen der Geschädigten, aber auch die der Unfallverursacher in einen optimalen Ausgleich? Wie handhaben unsere europäischen Nachbarn die Unfallflucht?
"Komplexität aus der Vorschrift nehmen"
Diese Parameter wurden im Arbeitskreis V eingehend beleuchtet und diskutiert. Nach zwei Tagen intensiver Diskussionen war die Experten:innen "einheitlich der Auffassung", dass die Vorschrift des unerlaubten Entfernens vom Unfallort reformiert werden soll. Angesichts der Komplexität der Vorschrift seien Verkehrsteilnehmer und Geschädigte vielfach überfordert. Der Arbeitskreis empfahl deshalb, die Vorschrift im Hinblick auf die Rechte und Pflichten verständlicher und praxistauglicher zu formulieren. Er formulierte dazu folgende Resolution:
Mindestwartezeit und zentrale Unfall-Meldestelle
1. Auch nach Unfällen mit Sachschäden soll das unerlaubte Entfernen vom Unfallort weiterhin strafbar bleiben. Eine Abstufung solcher Fälle zur Ordnungswidrigkeit wird abgelehnt.
2. Der Arbeitskreis empfiehlt mit großer Mehrheit die Festlegung einer Mindestwartezeit am Unfallort.
3. Unfallbeteiligte sollen ihren Verpflichtungen am Unfallort bzw. den nachträglichen Mitwirkungspflichten auch durch Information bei einer noch einzurichtenden, zentralen und neutralen Meldestelle nachkommen können. Bei dieser sind dann die für die Schadensregulierung notwendigen Angaben zu hinterlassen, ohne dass man vor Ort noch längere Zeit auf die Polizei warten müsse.
Reue, Straffreiheit und Führerschein-Entzug
4. Die Voraussetzungen der tätigen Reue in § 142 Abs. 4 StGB sollten wie folgt geändert werden:
• Die Begrenzung auf Unfälle außerhalb des fließenden Verkehrs soll entfallen.
• Tätige Reue soll bei jeder Unfallflucht innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall möglich sein.
• Die Freiwilligkeit der nachträglichen Meldung bei der tätigen Reue sollte beibehalten werden.
• Tätige Reue soll zur Straffreiheit führen.
5. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ist bei Sachschäden nicht als Regelfall für die Entziehung der Fahrerlaubnis geeignet. Der AK V empfiehlt deshalb, die Regelvermutung in § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB auf die Fälle zu beschränken, bei denen ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden ist.