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VGT-AK VI: Präzisierung zu Vorschäden und Schadengutachten

29.01.2024 05:24 Uhr | Lesezeit: 7 min
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BGH-Richterin Vera von Pentz (mi.) leitete den mit über 600 Teilnehmern größten Arbeitskreis des 62. VGT. Zu den Themen Vorschaden und Schadengutachten trugen des Weiteren vor (v.l.): RA Oliver Zur (Freiburg), Prof. Dr. Dirk Looschelders (Uni Düsseldorf), RA Dr. Michael Nugel (Essen) und Dr. rer. nat. Ingo Holtkötter (ö.b.u.v. SV, Münster).
© Foto: Walter K. Pfauntsch

Fast jedes gebrauchte Fahrzeug weist kleinere oder größere Vorschäden auf, die durch normalen Gebrauch oder durch einen Unfall entstanden sein können. Der AK beratschlagte die durch Vorschäden ausgelösten technischen und rechtlichen Fragen bei der Schadensregulierung nach einem Unfall und den weiteren Beschädigungen des Fahrzeugs.

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Bei den Vorüberlegungen, mit denen der Arbeitskreis VI in seine Beratungen einstieg, ging es im Einzelnen um folgende Punkte:

Die Ausgangslage

Erhebt nach einem Verkehrsunfall der Versicherer des Schädigers den Einwand, das Fahrzeug des Geschädigten habe schon einen Vorschaden gehabt, trifft die Darlegungs- und Beweislast für die Entstehung und den Umfang seines Sachschadens den Geschädigten. Die Instanzgerichte stellen teilweise sehr strenge Anforderungen an die Substantiierung des Vorbringens zum Vorschaden und den zur Reparatur getroffenen Maßnahmen.

Rechtlich werden sich also die Fragen stellen, inwieweit diese Anforderungen der Zivilprozessordnung gerecht werden und mit der neueren Rechtsprechung des BGH vereinbar sind, ob das Verschweigen von Vorschäden einen Anspruchsausschluss nach Treu und Glauben rechtfertigen kann und wann bei Vorschäden ein Abzug "neu für alt" in Betracht kommt.

Vorschäden und Erwartungen an das Gutachten

Verschwiegene unreparierte Vorschäden können ganz erhebliche Schäden für die Versichertengemeinschaft bedeuten. Gezielte Täuschung soll deshalb Konsequenzen haben. Für den redlichen Geschädigten stellen sich praktische Probleme und prozessuale Hürden für seinen Vortrag zum Umfang des Vorschadens und dessen sach- und fachgerechter Instandsetzung.

Für den Sachverständigen ergeben sich u.a. Fragen nach der Abgrenzbarkeit von aktuellen zu reparierten und unreparierten Vorschäden. Technische Methoden der Unfallrekonstruktion sollen dargestellt und es soll verdeutlicht werden, welche Erwartungen aus juristischer Sicht an die technischen Gutachten gestellt werden können.

Die jüngere BGH-Rechtsprechung

Der Bundesgerichtshof hat in seiner neueren Rechtsprechung klargestellt, welche Anforderungen an den Vortrag des Geschädigten zu Vorschäden gestellt werden dürfen. Dennoch werden die Anforderungen in der Praxis oftmals weiterhin überspannt; darüber hinaus wird zu selten von der Möglichkeit der Schätzung eines Mindestschadens Gebrauch gemacht. Erhebliche Probleme bestehen auch im vorgerichtlichen Bereich der Schadensregulierung. Vor diesem Hintergrund empfahl der Arbeitskreis am vergangenen Freitag in Goslar:

Die 3-Punkte-Resolution

1. Da das vorgerichtliche Schadensgutachten für die Regulierung von Schäden an Kraftfahrzeugen von zentraler Bedeutung ist, muss das Gutachten den Schaden und den Reparaturweg umfassend und nachvollziehbar dokumentieren. Hierzu gehört auch eine qualifizierte Aussage zum Vorhandensein von Vorschäden und deren etwaiger Reparatur. Diese Aussage muss auf Untersuchungen am Fahrzeug durch persönliche Inaugenscheinnahme des Sachverständigen und soll auf Angaben des Geschädigten beruhen.

2. Reparaturbestätigungen sind in diesem Zusammenhang insbesondere dann hilfreich, wenn sie konkrete Angaben zum vorgefundenen Reparaturergebnis und - soweit möglich - zum Reparaturweg enthalten.

3. Im Interesse einer außergerichtlichen Schadensregulierung wird erwartet, dass der Versicherer seine Einwände zu Vorschäden bereits in diesem Stadium und nicht erst im Prozess konkretisiert. In diesem Zusammenhang kann sich eine gemeinsame Nachbesichtigung mit dem Gutachter des Haftpflichtversicherers des Schädigers als sinnvoll erweisen.

Die Bedeutung des AK VI

Das Interesse für den AK VI zum Thema Vorschaden und Schadensgutachten war in der vergangenen Woche überwältigend, schließlich geht es bei der Vielzahl der regulierungspflichtigen Haftpflicht- und Kaskoschäden um Aufwendungen im Bereich von mehreren Milliarden Euro per anno.

Mehr als 600 Personen – das waren mehr als 35 Prozent aller diesjährigen VGT-Teilnehmer – hatten sich alleine für diesen Arbeitskreis angemeldet, der deswegen auch in den Großen Saal des Tagungshotels "Achtermann" gelegt wurde.

Was bedeutet die Resolution konkret? – Die Sicht des BVSK

Die aktuelle Befassung des VGT mit Vorschäden und den entsprechenden Schadengutachten hat elementare Bedeutung gerade auch für Kfz-Sachverständige. Der Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V., kurz BVSK, hat deshalb für seine Mitglieder eine ergänzende Information herausgegeben, die wir nachfolgend im vollen Wortlaut wiedergeben wollen:

"Der BGH sieht sich von den Instanzgerichten offenbar nicht richtig verstanden. Zu Recht, wenn man sich die unterschiedlichen, oft überspannten Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast der Geschädigten ansieht. Aber auch die Praxis der Versicherungen, mit einem oftmals pauschal erhobenen Einwand eines angeblichen Vorschadens, die Regulierung zu verweigern, ohne dies zu konkretisieren, wird kritisch gesehen. Daher ist die Empfehlung als ein Schritt in die richtige Richtung zu sehen, hebt es doch die enorme Bedeutung eines qualifizierten Schadengutachtens hervor.

Und so ein Gutachten kann nur auf einer persönlichen Inaugenscheinnahme beruhen. Dass dieses Erfordernis in die Empfehlung eingeflossen ist, dürfte so manchen Versicherern oder Anbietern von „Remote“- oder Ferngutachten in Zukunft Kopfzerbrechen bereiten.

Dass im Gutachten auch eine qualifizierte Aussage zu Vorschäden und deren Reparatur enthalten sein muss, ist für BVSK-Sachverständige selbstverständlich. Gerade das unterscheidet sie von nicht qualifizierten Sachverständigen.

Auch die Anforderungen an eine Reparaturbestätigung sind konkretisiert worden. Sie sollten Angaben und eine Beurteilung zum Reparaturerfolg enthalten. Ist die Reparatur sach- und fachgerecht durchgeführt oder nicht. Nur soweit es möglich ist, sollte der eingeschlagene Reparaturweg beschrieben werden.

Und auch den Versicherern hat der Arbeitskreis etwas ins Hausaufgabenheft geschrieben: Von ihnen wird in Zukunft erwartet, dass Einwände zu Vorschäden bereits bei der vorgerichtlichen Regulierung konkretisiert werden und nicht erst im Prozess. Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Von daher wird es als sinnvoll erachtet, bei einer gemeinsame Nachbesichtigung mit einem Gutachter des Haftpflichtversicherers des Schädigers alle offenen Fragen zu etwaigen Vorschäden zu diskutieren.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Ergebnis des Arbeitskreises ein großer Erfolg für die qualifizierten Sachverständigen ist."

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