Nach einem Cyberangriff auf ihren IT-Dienstleister Softproject hat die Service Partner Netzwerk GmbH ihr bisheriges Werkstattportal ersetzt und die digitale Transformation vorangetrieben. Die Schadensteuerung läuft weiterhin stabil und auf hohem Niveau. Und auch einem von der Branche erwarteten Wechsel in der Gesellschafterstruktur sieht die amtierende Geschäftsführerin durchaus gelassen entgegen.
Dimitra Theocharidou-Sohns ist seit mehr als eineinhalb Jahren alleinige Geschäftsführerin der Service Partner Netzwerk GmbH, kurz SPN. In dieser Funktion vertritt sie sowohl die Interessen von rund 1.000 Partnerbetrieben, als auch die "ihrer" Gesellschafter. Namentlich sind dies die ADAC Service GmbH, die Allianz Versicherungs-AG und der Konzern Versicherungskammer Bayern mit je 30 Prozent sowie die Sparkassen-Versicherung Sachsen mit einem 10-Prozent-Anteil.
Das nachfolgende Exklusiv-Interview zeichnet nach, welche Herausforderungen auf das SPN-Netz 2023 zukamen, was verändert wurde und für das kommende Jahr ansteht.
AH: Frau Theochardidou-Sohns, in Ihrer bisherigen Amtszeit haben sich die weltpolitischen Rahmenbedingungen grundlegend verändert. Daraus resultierten neue, teils recht scharfe Herausforderungen an die Unfall-Reparaturbranche. Wie beschreiben Sie vor diesem Hintergrund die aktuelle Stimmung bei Ihren Partnerbetrieben?
D. Theocharidou-Sohns: Veränderung ist zugegebenermaßen der neue Normalzustand geworden – in allen Branchen. Da jeder mit Veränderung anders umgeht und unterschiedliche Rahmenbedingungen hat, ist die Stimmung in unserem Netz auch individuell unterschiedlich. Wir als SPN sehen aber Veränderung immer als Möglichkeit, Dinge neu zu gestalten, neu zu denken und zu verbessern. Daraus wiederum ergeben sich Chancen, die jeder Partner für sich und in der Gemeinschaft nutzen kann.
Ich bin dankbar für die Wahrnehmung unserer Partnerwerkstätten, dass wir Phasen der Veränderung auch wirklich nutzen. Wichtig ist uns dabei ein stets faires Miteinander. Einfache, zwanglose Prozesse und faire Konditionen sind unser Fokus, um unsere Partnerwerkstätten im volatilen Schadenumfeld, wo immer es möglich ist, zu entlasten und dabei die Kundenzufriedenheit im Mittelpunkt zu behalten. Uns begegnet im Netzwerk viel Wertschätzung und ein positives Feedback. Unsere Partnerwerkstätten wissen, dass die SPN sie bei ihrem Erfolg unterstützt.
"Auftragsvolumen nahezu unverändert
AH: Kommen wir jetzt zu einem Thema, das derzeit vielfach in der Branche diskutiert wird: Die Übernahme des Schadensteuerers Innovation Group (IG) im Oktober 2022 durch die Allianz und deren Mitteilung vom 15. Mai 2023 an die IG-Partnerbetriebe, ab diesem Tag „einen kleinen Teil an Neuschäden“ auch in das IG-Netz zu steuern. Wie kann man sich diesen „kleinen Teil“ in echten Stückzahlen vorstellen, den die Allianz als einer der drei großen Gesellschafter des SPN-Netzes quasi von München nach Stuttgart umgelenkt hat?
D. Theocharidou-Sohns: Alle am Schadenprozess Beteiligten sind an einer schnellen und reibungslosen Abwicklung interessiert. Um zeitnahe Reparaturen zu ermöglichen, ist es daher nicht ungewöhnlich, dass einzelne Versicherer im Moment mehrere Netzwerkpartner beauftragen. Mitte Mai haben wir gemeinsam mit der Allianz unser Netzwerk darüber informiert, dass ein Teil der Allianz Neuschäden ergänzend in das Werkstattnetz der Innovation Group gesteuert werden kann. Das Auftragsvolumen, das durch die Allianz über SPN gesteuert wird, ist seither nahezu unverändert.
AH: Im Schadenmarkt wird viel darüber gesprochen, dass die Allianz wohl irgendwann aus dem gemeinsamen SPN Netz, das zu gleichen Teilen von je 30 Prozent auch vom ADAC und dem Konzern Versicherungskammer Bayern sowie einem kleineren 10-Prozent-Anteil von öffentlichen Versicherern getragen wird, ausscheiden und seine Beteiligung abgeben werde. Können oder wollen Sie dazu etwas sagen? Interesse an einem Einstieg soll ja von durchaus namhaften Versicherungsgesellschaften schon seit Längerem bekundet worden sein…
D. Theocharidou-Sohns: Es wird über kurz oder lang Veränderungen in der Gesellschafterstruktur der SPN geben. Welcher Art der Veränderungen und zu welchem Zeitpunkt diese eintreten, da lassen wir uns alle gerne gemeinsam überraschen.
AH: In unseren bisherigen Gesprächen haben alle Gesellschafterstets erklärt, dass es mit dem SPN Netz in jedem Fall weitergeht. Wie unterstützen Sie auf diesem Weg die SPN Gesellschafter?
D. Theocharidou-Sohns: Alle Gesellschafter der SPN haben den Anspruch, effiziente Prozesse für alle im Prozess Beteiligten bereitzustellen und einen exzellenten Kundenservice zu generieren. Das gesamte SPN Team unterstützt ihrerseits tagtäglich die schnelle und effiziente Vernetzung unterschiedlicher Anwender und Systeme und somit eine reibungslose Abwicklung für den Kunden. Das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. An dieser Stelle gilt mein ausdrücklicher Dank nicht nur an all unsere Partnerbetriebe, sondern auch an meine Kolleginnen und Kollegen für deren Einsatz.
AH: Hand aufs Herz, Frau Theocharidou-Sohns: Sie gelten als erfahrene Branchenexpertin mit hoher Markterfahrung aus Ihrer Zeit bei Audatex, DAT und zuletzt als Geschäftsführerin der SV- und Überwachungsorganisation GTÜ. Sie haben doch bestimmt längst einen Zukunftsplan für das SPN Netzwerk im Kopf, gleichwohl welche Entscheidungen bei der Allianz getroffen werden?
D. Theocharidou-Sohns: Die SPN ist und wird zukünftig, mehr denn je, eine wichtige Säule mit starken Partnern in der Schadensteuerung sein. Es liegt mit in unserer Verantwortung, dieses Vorhaben nachhaltig zu erfüllen. Um diese Aufgabe erfolgreich zu meistern und die Akzeptanz der Kunden, der Partner sowie unserer Auftraggeber zu gewinnen, braucht es Verbundenheit und Vertrauen. Beides ist in unserem Netz stark ausgeprägt, weshalb ich für unsere Partnerbetriebe in jedem Fall eine gute und erfolgreiche Zukunft sehe – völlig unbenommen davon, wie sich unsere Gesellschafterstruktur möglicherweise verändert. Wir sind sowohl bei digitalen Geschäftsmodellen, als auch bei Produkten, Prozessen und Services sehr gut – und vor allem zukunftsbezogen – aufgestellt.
Kein reglementiertes Direktkundengeschäft
AH: Mit rund 1.000 Partnerbetrieben gehört das SPN Netz nicht gerade zu den "Underdogs" im Markt, und Ihre Werkstätten gelten zudem als besonders loyal. Was trägt Ihrer Ansicht nach in besonderer Weise dazu bei? Wo liegen – vielleicht auch im Vergleich mit anderen großen Steuerungsnetzen – die Vorteile einer Zugehörigkeit zur SPN-Familie?
D. Theocharidou-Sohns: Uns ist wichtig, die Dinge immer ganzheitlich zu betrachten. Ob das Modell Schadensteuerung für eine Werkstatt interessant ist und Spaß macht, wird nicht nur vom Stundensatz bestimmt. Die Bezeichnung "SPN-Familie" trifft es gut, denn die Qualität der Beziehung ist das, was eine Familie auseinanderbrechen lässt oder zusammenhält. Es gibt Regeln und Anforderungen, damit der gemeinsame Alltag gut funktioniert. Und gleichzeitig muss jeder Betrieb individuelle Freiräume behalten, die ihm Erfolg und Zufriedenheit ermöglichen.
Bei SPN ist beispielweise das Direktkundengeschäft nicht reglementiert. Unsere Partnerwerkstätten dürfen und sollen ihre Direktkunden nach ihren Konditionen und Abläufen bedienen oder – falls gewünscht – in den schlanken SPN-Steuerungsprozess geben. Die Wahl trifft jeder Werkstattpartner individuell. Dasselbe gilt beim Ersatzteilbezug. Wir bieten eine digitale, unterstützende Lösung an, schreiben diese aber niemandem zur Nutzung vor. Uns ist Qualität wichtig und wir wissen, dass wir uns auf unsere Partnerwerkstätten verlassen können. Bei Bedarf suchen wir das persönliche Gespräch. Verbundenheit und Vertrauen stärkt unsere Vision.
"Unsere Partnerbetriebe haben unternehmerische Freiheit"
AH: Damit sind wir jetzt auch bei der unternehmerischen Freiheit, die SPN ihren Werkstattpartnern belässt, was Sie eben an sehr wichtigen Beispielen erläutert haben…
D. Theocharidou-Sohns: Ja, absolut. Für mich ist die größte unternehmerische Freiheit, als Werkstatt frei wählen zu können, wie sie verfügbare Ressourcen einsetzt. Diese Wahl zu haben, ist wertvoll und „matcht“ einen der höchsten SPN-Werte, nämlich die Eigenverantwortung. Wir unterstützen unsere Partnerwerkstätten dabei, ihre Wahlfreiheit zu behalten und sind überzeugt, dass sie sie wertvoll einsetzen. Mit dem klaren gemeinsamen Ziel: Erfolg.
Werkstattportal-Verzicht schafft Benefits
AH: Wie steht es eigentlich um die vorgegeben Schaden-Prozesse, die bei Ihren Wettbewerbern bekanntermaßen zum Teil bis ins kleinste Detail festgelegt sind? Widerspricht sich diese Philosophie nicht mit Ihrem Plädoyer für "höchstmögliche unternehmerische Freiheit"?
D. Theocharidou-Sohns: Wie eingangs erwähnt, nutzen wir Veränderung als Chance. Durch den Cyberangriff auf unseren IT-Dienstleister SoftProject, der nicht nur unser Werkstattportal und das gesamte SPN-IT-System im Juli dieses Jahres komplett lahmlegte, entstand plötzlich die Möglichkeit für Optimierungen, die das SPN-IT-Team schon zu Beginn dieses Jahres ins Auge fasste. Jetzt konnte plötzlich alles sehr schnell gehen, um Aufträge weiterhin vermitteln und durch die Partnerwerkstätten bearbeiten zu können.
Da kein Portalzugriff für die Werkstätten möglich war und ist, haben wir das Werkstattportal einfach überflüssig gemacht. Innerhalb kürzester Zeit führten wir dafür die automatische Datenübergabe zu den Kalkulationssystemen ein, so dass sich alles nun im SPN Vorgang über DAT oder Audatex abspielt und dort von der Werkstatt erledigt werden kann. Alle Dokumente und Infos findet die Partnerwerkstatt an einer Stelle. In Kürze werden wir auch den Rechnungsversand dort ermöglichen. An dieser Stelle herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen der DAT und Audatex, die diese Umstellung schnell und unkompliziert in der Zusammenarbeit ermöglicht haben.
Das Springen von System zu System und manuelle E-Mail-Prozesse fallen nun endgültig weg. Die Partnerwerkstätten spiegeln uns zurück, dass das ein echter Mehrwert für sie ist. Es muss niemand mehr in das Werkstattportal eingearbeitet werden und auch manuelle Eingaben im SPN Portal fallen weg. Der SPN Prozess war schon immer einfach und schnell. Jetzt ist er noch schlanker und schneller geworden. Zufriedenheit entsteht und wächst immer dann, wenn etwas richtig gut funktioniert. Beim SPN Prozess ist das der Fall. Und das macht sowohl unsere Partnerwerkstätten, als auch uns richtig glücklich.
Betrieb legt Prozess selbst fest
AH: Welches Team steht Ihnen eigentlich für den gesamten Schadenabwicklungsprozess zur Verfügung? Und wer legt bei Unfallschäden den jeweils richtigen Reparaturweg fest? Gibt es auch in diesem Prozess der Beauftragung/Auftragsfreigabe/RKÜ, Instandsetzung und Rechnungsausgleich Vorteile für die SPN-Partner?
D. Theocharidou-Sohns: Auch hier ist die SPN sehr schlank aufgestellt. Das Team der SPN wird unterstützt vom ADAC Schadenservice. Unsere Partnerwerkstätten haben kurze Wege zum persönlichen Ansprechpartner, egal für welches Anliegen. Der SPN Prozess sieht vor, dass Derjenige Reparaturkosten und -weg definiert, der es am besten kann – die Werkstatt selbst. Daher erstellt die Werkstatt den Kostenvoranschlag und erhält hierfür meist innerhalb von Minuten eine Freigabe. Ist die technische Reparaturfreigabe erteilt, erfolgt die RKÜ ebenfalls unmittelbar. Das ist der Ablauf in den allermeisten SPN Aufträgen. Ein Gutachten vor Auftragsvermittlung oder für die Feststellung des Reparaturwegs und der Reparaturkosten findet nur dann statt, wenn dies nach Vorgaben der Versicherung in einzelnen Fällen notwendig wird.
Beim Rechnungsausgleich profitieren unsere Partnerwerkstätten ebenfalls von schnellen Prozessen. Da nur vorgeprüfte Rechnungen beim Versicherer ankommen, erfolgt die Auszahlung über eine Dunkelverarbeitung meist innerhalb weniger Werktage.
AH: Vielen Dank, Frau Theocharidou-Sohns, für dieses aufschlussreiche Gespräch und weiterhin viel Erfolg! Walter K. Pfauntsch