Offiziell gestartet wurde die Gebrauchtteil-Reparatur in Deutschland am 13. Mai 2024 von der Allianz Versicherung: In den Werkstätten des von ihr gekauften Schadensteuerers Innovation Group sollten ab diesem Tag erstmals Unfallinstandsetzungen mit GT von ClaimParts durchgeführt werden.
Hoher Kostendruck
Der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik e. V. (ZKF) und die auf Initiative des Verbands vor über 25 Jahren gegründete Einkaufsgemeinschaft EUROGARANT AutoService AG äußern sich erstmals gemeinsam im Rahmen einer Pressemitteilung zur aktuellen Entwicklung des Einsatzes von Gebrauchtteilen durch die Versicherer. "Hierbei wollen einige der stark unter Kostendruck leidenden Versicherungen dieses Thema mit großem Engagement verfolgen. Dabei werden aber die Einschränkungen, Entwicklungen und Problemfelder dieses Einsatzes für Betriebe nicht aufgezeigt und Vertreter der Werkstätten zur Lösungsfindung nicht mit einbezogen", lautet die grundsätzlich bereits zu Eingang des Statements erhobene Kritik.
Befürchtungen des ZKF
Kosteneinsparungen bei dieser neuen Vorgehensweise könnten sich für Versicherer nur ergeben, "wenn Ersatzteile dabei in großer Zahl zum Einsatz kommen", wird weiter prognostiziert. "Einige Einkaufsplattformen versuchen aus diesem Grund derzeit, im Auftrag der Versicherung oder des Schadenlenkers die Auswahl des Lieferanten, der Ersatzteilquelle oder der Qualität der Werkstatt abzunehmen und die jeweilige Bestellung automatisch durch die Versicherung oder den Schadenlenker auszulösen. Ziel dabei ist unter anderem, die Marge des Reparaturbetriebs am Ersatzteil zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis zu erhalten, um eigene Kostenvorteile zu generieren." Der ZKF sieht darin negative wirtschaftliche Folgen für seine Betriebe in Form von sinkenden Umsatzanteilen und negativer Auswirkungen auf Renditen, Finanzierungen oder Investitionen, wenn ein "Dritter" Ersatzteile anderer Herkunft bestelle.
"Ohnehin zu niedriger SVS nicht mehr subventionierbar"
Eine bisher "beim gesteuerten Schaden stattfindende Subvention eines zu niedrigen Stundenverrechnungssatzes mit der Ersatzteilmarge" könne somit nicht mehr stattfinden. Aus diesem Grund müssten laut ZKF und EUROGARANT die "Stundensätze drastisch angehoben werden, damit die Betriebe nicht in Existenzschwierigkeiten geraten". Diese "die Teilemarge kompensierende Erhöhung des Stundensatzes" beim gesteuerten Schaden könne jedoch wegen der aktuellen Situation bei den Versicherern mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Ebenfalls bestünden mögliche Nachteile für den Verbraucher und den Reparaturbetrieb durch eine "bisher ungeregelte Umgangsweise mit gebrauchten oder alternativen Ersatzteilen". (Den 8-Punkte-Anhang dieser Pressemitteilung: "Mindestanforderungen für einen Dialog mit der Versicherungswirtschaft im Hinblick auf den Einsatz alternativer Ersatzteile" finden Sie in der nachfolgenden Meldung.)
Hürter: I vor E bestes Mittel gegen ET-Verteuerung der Hersteller
ZKF-Präsident Arndt Hürter betont: "Hohe Ersatzteilkosten haben u. a. in den letzten Jahren Reparaturkosten in die Höhe schnellen lassen, wie der ZKF bereits ausführlich in Pressemeldungen berichtete. Laut einer aktuellen Studie des Gesamtverbands der Versicherer (GDV) sind einige Original-Ersatzteile der Hersteller heute doppelt so teuer wie vor zehn Jahren. Andererseits verlangt der ZKF als Vertreter unseres Handwerks seit Jahren, dass, wenn möglich, das Reparieren vor Ersetzen Vorrang haben muss, was als die nachhaltigste Vorgehensweise überhaupt zu bewerten ist."
EUROGARANT-Umfrage kontra Versicherer-Erfolgsmeldungen
Der Vorstand der EUROGARANT AutoService AG und ZKF-Ehrenpräsident Peter Börner kritisieren, dass seitens einiger Versicherer "bereits Erfolgsmeldungen zum Einsatz von Gebrauchtteilen in der Presse veröffentlicht" würden. Ein Versicherer spreche darin, dass "das Angebot vollständig", "die Testphase überstanden" oder "die Reifeprüfung abgeschlossen" sei. Sogar würde angeblich jeder zweite angesprochene Versicherungskunde "gerne in der Unfallreparatur gebrauchte Ersatzteile verwenden". Auch böte der besagte Versicherer aktuell angeblich über 1.400 Partnerwerkstätten in der Reparatur gebrauchte Ersatzteile an.
Dagegen spricht laut Börner eine aktuelle Umfrage der EUROGARANT AutoService AG im November 2024 bei ca. 450 der etwa 600 Eurogarant-Fachbetrieben: Weder sei ein Betrieb in eine Testphase mit Gebrauchtteilen eingebunden gewesen, noch sei einer der anwesenden Unternehmer bereit, sich mit dieser Thematik in der Unfallreparatur zukünftig unter den bisher gegebenen Bedingungen zu beschäftigen. "Offen bleibt auch, wie und mit welchen Werkstätten ein erfolgreicher Test oder gar eine echte Reparatur überhaupt durchgeführt wurde“, konstatiert Peter Börner.
Welcher Fußabdruck zählt (wirklich)?
"Mit dem Nachhaltigkeitsgedanken zu argumentieren, um CO2 einzusparen und die Umwelt zu schonen, ist grundsätzlich ein positiver Gedanke der Versicherungswirtschaft. Hier wollen sowohl ZKF als auch EUROGARANT AutoService AG maßgeblich unterstützen. Trotzdem kommt die Frage auf, ob ein Blech-Ersatzteil aus der Produktion z. B. aus Japan oder Korea einen anderen CO2-Fußabdruck hat, als ein Ersatzteil aus Rüsselsheim, das unweit von dort in Wiesbaden in einer Unfallreparatur eingesetzt wird“, so Börner weiter. Ob es der Versicherer wirklich mit der Nachhaltigkeit ernst meine, werde sich dann herausstellen, "wenn die Entscheidung bei der Reparatur zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit steht und dann doch die Wirtschaftlichkeit gewinnt".
Börner: "Reparatur erhält und ist nachhaltig"
Weitere Fragen, wie zusätzliche Transportwege der Gebrauchtteile oder höhere Energieverbräuche für notwendige Zusatzarbeiten, seien von den Versicherern "bisher ebenso unbeantwortet" geblieben. "Fakt ist, dass keine andere Branche im Vergleich so nachhaltig ist wie die Kfz-Reparaturbranche, denn ,Reparatur' erhält das Wirtschaftsgut und wirft es nicht weg", so Börner. Aber Lösungen für eine nachhaltigere Zukunft in der Reparaturbranche seien nur im Verbund mit einheitlichen Werten und Wegen möglich, "um Vorteile für alle Beteiligten entstehen zu lassen".
Fazit des ZKF-Präsidenten Arndt Hürter: "Gemeinsam mit der EUROGARANT AutoService AG stellt der ZKF eine Mindestanforderung mit acht offenen Punkten für gebrauchte Ersatzteile." Diese acht Fragestellungen definieren "im Sinne einer sach- und fachgerechten Reparatur Aufgaben des Versicherers oder des Schadenlenkers, um wirtschaftlichen Schaden für die Betriebe des Karosserie- und Fahrzeugbauerhandwerks und den Verbraucher zu begrenzen" und würden dazu auffordern, in den Dialog mit den Branchenverbänden einzutreten.
Marge weiter elementar
"Diese Punkte müssten zunächst realisiert werden, um den Einsatz von Gebrauchtteilen in den Werkstätten befürworten zu können", stellt Hürter fest. "Ansonsten werden entgangene Margen der Werkstätten zu massiven Kündigungen der Partnerverträge oder aber auch zu Betriebsschließungen führen und lassen zudem die Versicherer unter dem Licht des Greenwashings erscheinen. Dies kann nicht im Interesse der Versicherungsunternehmen bei einer angestrebten Nachhaltigkeit sein", so der ZKF-Präsident abschließend.