Am 20. Januar veröffentlichten wir in unserem Online-Brancheninfodienst AUTOHAUS-Schadenmanager die Vorbedingungen an die Verwendung gebrauchter Teile bei Unfallinstandsetzungen, welche der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik sowie seine 100%-Tochter EUROGARANT AutoService AG in Form einer Pressemitteilung zum Ausdruck gebracht hatten. In Anlage zu der gegenständlichen Januar-Pressemitteilung ging es federführend um das Thema "Ersatzteilmarge mit acht Mindestanforderungen für einen Dialog mit der Versicherungswirtschaft".
Alle Beteiligten im intensiven Dialog miteinander
In diversen Gesprächen mit allen Beteiligten zum Thema Gebrauchtteil-Reparatur in Deutschland während des Deutschen Verkehrsgerichtstages in Goslar am 29. und 30. Januar kam wiederholt zum Ausdruck, dass "die Hälfte der von ZKF und EUROGARANT aufgelisteten Punkte bereits abgearbeitet" sei. Ohne dies von Redaktionsseite neutral überprüfen zu können, war allerdings auffällig, dass bei der Januar-Pressemeldung der Anhang mit den 8 Kritikpunkten vom 18.12.2024 datierte, damit also vier Wochen später nicht unbedingt mehr den letztgültigen Verhandlungsstand besessen haben musste.
Als gesichert gilt indes, dass es seit geraumer Zeit bilaterale Gespräche zwischen den Repräsentanten der Werkstätten sowie der Allianz gibt und sich offensichtlich auch beide Seiten bemühen, im Sinne einer für alle Parteien akzeptablen Lösung aufeinander zuzugehen.
Dr. Christian Sahr, Geschäftsführer des Allianz Zentrum für Technik und Dominik Hertel, Schadenexperte der Allianz Versicherungs-AG, haben heute Vormittag aktuell in schriftlicher Form ein Statement gegenüber AUTOHAUS abgegeben und dabei zu allen 8 Punkten geantwortet, die im Januar ZKF und EUROGARANT angemahnt hatten.
Die Allianz-Antworten
Im Sinne eines journalistischen Fairplay werden wir nachfolgend auch die Stellungnahme von Christian Sahr und Dominik Hertel 1:1 für unsere Leser wiedergeben:
1. Grund für den Einsatz
Die Herausforderungen bei der Leasingrückgabe betreffen alle reparierten Fahrzeuge, unabhängig vom Reparaturweg, und jede zuvor vorgenommene Schadeninstandsetzung wird immer zu Diskussionen führen. Bekanntermaßen ist dies Teil des Konzepts „Attraktive Leasingrate für den Kunden“. Dabei ist es egal, ob instandgesetzt, unter Verwendung von Gebrauchtteilen oder nur mit Neuteilen gearbeitet wurde.
Hier besteht zwischen den Verbänden und der Versicherungsbranche auch absolute Einigkeit, dass es technisch und fachlich keine fundierte Kritik gibt, wenn die Werkstatt unter Berücksichtigung der Fahrzeughersteller-Reparaturinformationen und gemäß dem allgemein anerkannten Stand der Technik arbeitet.
Um hier den Werkstätten Argumentationshilfen an die Hand zu geben, arbeiten wir seitens AZT derzeit intensiv – u. a. zusammen mit den Verbänden ZKF & BFL – an zwei Merkblättern, die im Rahmen der Deutschen Kommission für Lack und Karosserieinstandsetzung im März verabschiedet und veröffentlicht werden sollen.
2. Alter und Garantieversprechen
Ziel bei der Wiederverwendung von Gebrauchtteilen ist, dass Teile verwendet werden, die jünger als das Fahrzeug sind, in das diese eingebaut werden. Letztlich sollen die Werkstätten aber nicht durch feste Vorgaben eingeschränkt werden, sondern selbst entscheiden, welches gebrauchte Ersatzteil im jeweiligen Fall das passendste ist. Die Garantieregelungen für diese Gebrauchtteile sind bereits festgelegt und entsprechen denen für ein Neuteil.
Garantie auf die gebrauchten Ersatzteile wird bei Verwendung der IG-Parts-Plattform (und damit ClaimParts) im Rahmen der gesetzlichen Regelung gegeben. Zudem übernimmt die IG auf die Reparatur wie bei der Verwendung von Neuteilen eine Gewährleistung von sechs Jahren.
Erfahrungen der Allianz aus anderen europäischen Märkten mit jahrelanger Praxis im Bereich Gebrauchtteile (u. a. Frankreich & UK) zeigen im Übrigen, dass es bisher nicht zu nennenswerten Garantiefällen kam und es auch keine Unterschiede gibt zu Schadenfällen, die mit Neuteilen behoben wurden.
3. Herkunft, Zustand, Schadenersatzansprüche
Im Markt werden unterschiedlichste gebrauchte Ersatzteile angeboten. Bei den Bestandsteilen der Recycler und Fahrzeugverwerter gibt es teilweise keine Daten. Bei den neu im sogenannten „grünen Kreislauf“ gewonnenen Teilen sind die Daten zum Spenderfahrzeug vorhanden; insoweit sind auch Herkunft und Alter des Ersatzteils bekannt. Zudem gibt es Qualitätsstufen, welche dokumentiert werden.
Für die Schadenregulierung durch die Allianz ist nur ein Bruchteil davon interessant. In unserem Fokus stehen nur Originalteile (keine IAM-Teile), die nicht sicherheitsrelevant sind. Im Wesentlichen sind das geschraubte Karosserieaußenteile sowie Spiegel, Scheinwerfer, Rückleuchten und die Kunststoff-Stoßfängerverkleidungen. Querträger, Felgen, Achsteile und andere sicherheitsrelevante Bauteile gehören nicht dazu; ebenso keine Kühler, Wasserpumpen, Abgasanlagen und elektronische Komponenten wie Kameras, Radarsensorik oder Steuergeräte. Die von ZKF und EUROGARANT aufgeführten Befürchtungen treffen auf die für die Allianz im Fokus befindlichen Bauteile nicht zu.
4. Ursprungszustand von Ersatzteilen
Im Fokus liegen für die Allianz Fahrzeuge im Altersbereich von drei bis acht Jahren. Bei diesen Fahrzeugen ist der Anteil an Bauteilen, die berücksichtigt, aber aufgrund einer FIN-Codierung nicht ohne Weiteres weiterverwendet werden können, äußerst gering.
Es ist für die Werkstätten eine normale Anforderung, neue Scheinwerfer einzubauen, anzulernen und auf die Fahrzeug-FIN zu codieren. Gebrauchte Scheinwerfer werden seit Jahren von Fahrzeugherstellern (z. B. Mercedes-Benz, Stellantis) verkauft. Auch diese werden nicht im Vorfeld auf die Werkseinstellung zurückgesetzt. Bei der Umcodierung gebrauchter Scheinwerfer sind uns keine Probleme, Reklamationen oder Retouren von den Werkstätten bekannt. Nichtsdestotrotz sehen wir diesen Aspekt künftig sehr wohl als relevant an, da für alle Nutzer von Gebrauchtteilen eine saubere und rechtssichere Lösung benötigt wird. Daher setzen wir uns seitens des AZT weiterhin für den konstruktiven Austausch zwischen den Verbänden, unseren Partnern und den Verwerterinnen und Verwertern ein, um frühzeitig zu klären, welche Herausforderungen künftig die Verwendung von Gebrauchtteilen mit sich bringt.
5. Ausschluss sicherheitsrelevanter Bauteile
Wir haben von Beginn an offen kommuniziert, welche Fahrzeugteile für die von uns angedachten Reparaturen Verwendung finden. Sicherheitsrelevante Teile haben wir von Beginn an ausgeschlossen.
6. Definition der Verantwortung bei der Verwendung
Ob die Wiederverwendung von geprüften Gebrauchtteilen zur Reparatur eines Fahrzeugschadens eine technisch und wirtschaftlich sinnvolle Option ist, muss vor der Reparaturausführung durch die jeweiligen Beteiligten (SV, Werkstatt, Versicherung) festgestellt, bzw. abgesprochen werden.
Mit der sofortigen Bestellung des verfügbaren Fahrzeugteils ist dieses direkt für die Reparatur einsetzbar. Verzögert sich der Reparaturzeitpunkt, ist die Verfügbarkeit des passenden Gebrauchtteils neu zu prüfen.
7. Kalkulation von zusätzlichen Kosten
Aktuell stecken wir in Deutschland bei der Wiederverwendung gebrauchter Ersatzteile noch in den Kinderschuhen, aber der Markt entwickelt sich dynamisch. Insofern ist ein regelmäßiger und offener Austausch aller Beteiligten hilfreich und zielführend, um die Bedürfnisse bestmöglich abzustimmen.
Schon seit Beginn der Diskussion um gebrauchte Ersatzteile war klar, dass die Kosten einer Reparatur mit einem gebrauchten Ersatzteil eine eigene Kalkulation erfordert und nicht 1:1 vergleichbar einer Reparatur mit einem Neuteil ist. Ziel sollte es aus unserer Sicht sein, dass marktweit eine möglichst breit abgestimmte Lösung für die Kalkulation des Mehraufwandes erreicht wird, um den Verwaltungsaufwand bei Gutachten-, Kostenvoranschlags- und Rechnungsstellung sowie der ggf. erforderlichen Prüfung zu minimieren. Hier sollte ein marktweiter Standard geschaffen werden, der zwischen allen Beteiligten abgestimmt ist und bei der Kalkulation und Abrechnung genutzt wird.
Das AZT ist aktuell dabei, auf Grundlage einer Vielzahl von konkreten Reparaturabläufen eine objektive Kalkulation zu erstellen, die die Besonderheiten einer Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen von A bis Z erfasst.
8. Erhalt der Marge bei Ersatzteilen
Den Werkstätten steht auch bei der Verwendung von gebrauchten Ersatzteilen eine angemessene Marge zu. Das war von Beginn an klar und wurde so auch von uns kommuniziert. Der Einsatz von gebrauchten Ersatzteilen soll einen hohen ökologischen Nutzen bringen.
Gleichzeitig ist es das Ziel, bei keinem der Beteiligten finanzielle Nachteile zu verursachen. Im Gegenteil. Alle Beteiligten müssen hier zusammen eine Lösung finden, welche dann bestmöglicher Marktstandard wird. Blickt man auf die erfolgreichen Modelle im Ausland, so gibt es hierzu zahlreiche Ansatzpunkte.