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Fairer Wettbewerb beim Kfz-Service: Carglass und ATU obsiegen am EuGH

06.11.2023 05:10 Uhr | Lesezeit: 5 min
Carglass Kalibrierung
Für den Rekalibrierungsprozess nach dem Ersatz einer Windschutzscheibe ist es immer häufiger erforderlich, über den OBD-Port direkt auf die Fahrzeugdaten zugreifen zu können.
© Foto: Carglass

Immer mehr technische Hürden und verlangte Lizenzgebühren, die Automobilhersteller dem freien Kfz-Servicemarkt auferlegten, wenn diese bei Reparaturarbeiten fahrzeugspezifische Daten benötigten, waren Carglass und ATU lange ein Dorn im Auge. Den zuletzt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) geführten Rechtsstreit konnten sie jetzt für sich entscheiden.

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Bestimmte Service-Dienstleistungen wie zum Beispiel die Rekalibrierung von Fahrerassistenzsystemen nach dem Austausch einer Windschutzscheibe oder das Beheben von im Fahrzeugdisplay angezeigten Fehlern, erfordern den Zugang zu den Fahrzeugdaten. Diesen haben nach Ansicht von Carglass und der ATU einige Fahrzeughersteller immer mehr erschwert. Entweder wurden technische Hürden gesetzt oder Lizenzgebühren verlangt. "Das verursacht unnötige Kosten in den Betrieben und beeinträchtigt freien Wettbewerb auf dem Kfz-Servicemarkt. Außerdem schränkt es die Wahlfreiheit der Verbraucher – bei potenziell steigenden Kosten – ein", so die Sichtweise der beiden Klagepartner.

Alles begann mit einem Musterverfahren gegen Fiat Chrysler

ATU und Carglass haben ihre Klage ursprünglich beim Landgericht Köln in einem Musterverfahren gegen Fiat Chrysler (FCA Italy SpA) eingebracht. Da es in diesem Fall um die Auslegung einer EU-Verordnung ging, legte das Landgericht Köln den Fall dem EuGH vor. Die Auslegung des EU-Rechts durch den EuGH schafft nun EU-weit Rechtssicherheit und wird sowohl für die Fahrzeughersteller als auch für alle unabhängigen Marktteilnehmer – über ATU und Carglass hinaus – verbindlich sein. Es wird erwartet, dass das Urteil auch in Großbritannien gültig sein wird.

EuGH-Entscheid mit weltweiter Bedeutung

Carlos Brito, CEO der Belron Group, Muttergesellschaft von Carglass Deutschland, kommentiert: "Wir freuen uns sehr über das Urteil des EuGH. Die Entscheidung des Gerichts stärkt faire und ausgeglichene Wettbewerbsbedingungen auf dem Kfz-Servicemarkt und den Mehrwert, den sie für Verbraucher bedeuten. Wir sind überzeugt, dass das Urteil weltweit dort Berücksichtigung finden wird, wo sich nationale Gesetzgeber mit den Herausforderungen beschäftigen, die sich aus den immer häufiger eingesetzten Connected-Car-Lösungen für unabhängige Kfz-Serviceanbieter und ihr Recht auf Zugang zum Reparaturmarkt ergeben. Wir sind entschlossen, konstruktiv mit allen Fahrzeugherstellern zusammenzuarbeiten, dieses Urteil wirksam umzusetzen, damit Verbraucher weiter von den Vorteilen eines fairen Wettbewerbs profitieren, die der unabhängige Kfz-Servicemarkt bietet."

"Erwarten Beseitigung der Zugriffs-Beschränkungen"

Jean-Pierre Filippini, Geschäftsführer von Carglass Deutschland, ergänzt: "Wir erwarten, dass die Fahrzeughersteller jetzt die Auslegung der Vorschriften durch den EuGH respektieren und alle Beschränkungen des Zugriffs auf den OBD-Port sofort beseitigen, damit auch die Verbraucher die Vorteile eines fairen Wettbewerbs so schnell wie möglich wahrnehmen können.“

Der Austausch einer Windschutzscheibe wird in modernen Fahrzeugen technisch immer komplexer. Bereits heute sind rund 30 Prozent aller Fahrzeuge mit Fahrerassistenzsystemen ausgestattet und müssen nach dem Austausch der Frontscheibe rekalibriert werden. Diese Zahl werde weiter steigen, je mehr Neufahrzeuge mit Fahrerassistenzsystemen ausgestattet werden.

Viele Tätigkeiten einer Kfz-Werkstatt (ob Reparatur oder Wartung) erfordern, dass der Mechaniker über den On-Board-Diagnose-Anschluss (den sog. OBD-Port) Zugriff auf den Datenstrom des Fahrzeugs erhält. Service-Center von Carglass, ATU-Filialen und jede andere unabhängige Werkstatt erhalten diesen Zugang über gängige Mehrmarken-Diagnosegeräte, die an den OBD-Anschluss des Fahrzeugs angeschlossen werden.

Richter sehen Cybersicherheit nicht gefährdet

In seinem Urteil hat der EuGH auch die Bedeutung des Themas Cybersicherheit berücksichtigt. Mit seiner Entscheidung bestätigt das Gericht, dass Fragen der Cybersicherheit von den Fahrzeugherstellern angemessen gehandhabt werden können, ohne dem Kfz-Servicemarkt Einschränkungen aufzuerlegen.

"Bei allen Belron-Unternehmen hat Cybersicherheit höchste Wichtigkeit. Wir arbeiten kontinuierlich daran, dass unsere Systeme aufkommenden Bedrohungen immer einen Schritt voraus sind, um die personenbezogenen Daten unserer Kunden zu beschützen sowie die Sicherheit unserer Kunden und ihrer Fahrzeuge zu gewährleisten. Sie übergeben uns ihr Auto in dem Vertrauen, dass wir unsere Arbeit – auch unter Nutzung des OBD-Ports – effizient und in gewohnt hoher Qualität machen werden, ohne ihre Unversehrtheit oder ihre Cybersicherheit zu gefährden. Wir sind zuversichtlich, dass Fahrzeughersteller wie Fiat Chrysler in der Lage sein werden, Risiken der Cybersicherheit angemessen zu handhaben, ohne den Zugang zu Fahrzeugsystemen und -daten durch unabhängige Kfz-Serviceanbieter übermäßig einzuschränken“, erklärt Carlos Brito.

Freier Wettbewerb auch für den freien Markt

Auf Basis der Entscheidung des EuGH können sowohl Carglass, als auch ATU und andere unabhängige Kfz-Serviceanbieter mit den Servicebetrieben der Automobilhersteller gemäß EU-Recht ohne Einschränkungen konkurrieren. Beide Unternehmen wurden von der internationalen Anwaltskanzlei Osborne Clarke vertreten.

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