Um der Idee der Reparatur mit Gebrauchtteilen zum Durchbruch zu verhelfen, braucht es vor allem eines: ständigen Nachschub an Qualitätsteilen. Neben Top-Fahrzeugverwertern nehmen innovationsbereite Kfz-Versicherungen die Schlüsselrolle bei der Versorgung ein.
Mehrere Jahre Vorbereitungszeit, umfangreiche Testfelder und unzählige Gespräche liefen Ende März auf einen Höhepunkt zu: die Vorstellung des "grünen Kreislaufes" im Rahmen der Leipziger Versicherungforen. In einem vielbeachteten Vortrag demonstrierten net.casion/green.casion-Geschäftsführer Michael Kauß und ClaimParts-Chef Oliver Hallstein live ein funktionierendes System zur Versorgung des deutschen Reparaturmarktes mit qualitativ hochwertigen, gebrauchten Fahrzeugteilen. Wie aus dem Zusammenspiel der beiden Plattformen ein tragfähiges System entstehen soll und warum das Interesse bei Versicherungswirtschaft und Fahrzeugverwertern so groß ist, erläutert Michael Kauß im AUTOHAUS-Exklusivinterview.
CO2-, Kosten- und Zeiteinsparung
AH: Herr Kauß, ein hoher Prozentsatz der in die bekannten Börsen eingestellten Fahrzeuge landet aktuell im Ausland. In Leipzig haben Sie ein Modell vorgestellt, das diese Autos – inklusive der noch verwertbaren Gebrauchtteile – in Deutschland halten soll. Ehrlich gesagt, wird das nicht sinkende Restwerte zur Folge haben?
M. Kauß: Ganz offen: diese Möglichkeit besteht. Bis das System richtig an Schwung gewonnen hat, sind leicht sinkende Restwerte, die auch in anderen Märkten wie Frankreich zu beobachten waren, sogar relativ wahrscheinlich. Aber bereits in dieser Phase wirkt sich die spätere Verwendung der gewonnenen Ersatzteile wirtschaftlicher aus als der Restwert aus bekannten Prozessen. Es geht also um ein komplettes Umdenken im Reparaturmarkt, eine nachhaltige – im besten Wortsinne also dauerhafte, tragfähige – Lösung. Wer kurzfristig gewinnorientiert denkt, verpasst vielleicht eine riesige Chance in Sachen Umwelt und Wirtschaftlichkeit.
Restwertoptimierung ist nicht alles
AH: Worin besteht diese?
M. Kauß: Eine funktionierende Verbindung von Ökonomie und Ökologie zu schaffen, die nicht bei Absichtserklärungen oder einem "grünen Anstrich" aufhört, sondern tatsächlich messbar ist – und das sowohl in Sachen CO2-Einsparung, als auch in finanzieller Hinsicht. Mit jedem Fahrzeug, das in den grünen Kreislauf eingebracht und professionell in Deutschland zerlegt wird und dessen Ersatzteile einen anderen Schaden wirtschaftlicher reparierbar machen, profitiert die Versicherungswirtschaft. Und das mehrfach, vor allem in Zeiten steigender Ersatzteilpreise, Lieferengpässen und knapper Reparaturkapazitäten. Mit "das haben wir schon immer so oder – noch schlimmer – noch nie so gemacht" erreicht man keine Ziele. Unsere Idee ist ja nicht neu: Schon vor 25 Jahren wurde von weitsichtigen Visionären der Grundstein für eine Reparatur mit Gebrauchtteilen gelegt – die damaligen Marktgegebenheiten haben den Durchbruch allerdings unmöglich gemacht. Doch die damals gültigen Ausschlusskriterien haben sich geändert, die Zeit ist reif, das wird uns in Gesprächen von allen Seiten immer wieder bestätigt.
Drei Schritte schließen den Kreis
AH: Wie wird der grüne Kreislauf in seiner neuen, funktionierenden Form in der Praxis aussehen?
M. Kauß: Er besteht aus drei Teilen: Kfz- Versicherungen, die das Thema Nachhaltigkeit aktiv vorantreiben wollen, unserer neuen Restwertbörse green.casion, die ausschließlich zertifizierten Verwertern offen steht, und ClaimParts als Plattform für gebrauchte Kfz-Teile. Geeignete Fahrzeuge werden über Regelwerke, KI oder intelligente Schnittstellen selektiert und über green.casion in Live-Auktionen an deutsche Fahrzeugverwerter verkauft. Diese zerlegen und dokumentieren die Gebrauchtteile in der notwendigen Qualität und stellen diese wiederum in ClaimParts ein – als konstante Quelle für nachhaltige und kostensparende Ersatzteile in der Unfallschadeninstandsetzung. Somit schließt sich der Kreis, eine Winwin-Situation für alle.