Die BaFin bewertet mit Hilfe eines internen Klassifizierungsverfahrens die Risiken, denen die Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds und Versicherungsgruppen aktuell ausgesetzt sind oder zukünftig sein könnten. Sie steuert mit Hilfe dieser Einstufung ihre Aufsicht. Zum Beispiel, um festzulegen, wie häufig, umfangreich und intensiv sie vor Ort prüft oder die Unternehmen analysiert.
Wie die bisherige Praxis aussah und was sich künftig verändern wird, hat der für Kommunikation, Wissensmanagement und Informationsfreiheitsgesetz bei der Aufsicht verantwortliche Jan Groot im hauseigenen BaFinJournal übersichtlich und verständlich wie folgt zusammengefasst:
Schwächen und Stärken werden sichtbar(er)
Bisher hat die BaFin in ihren Jahresberichten lediglich aggregierte Ergebnisse der Risikoeinstufung veröffentlicht. Künftig wird sie den beaufsichtigten Unternehmen und Gruppen ihre individuellen Risikonoten in bilateralen Gesprächen mitteilen und erläutern. So wird für die Beaufsichtigten noch klarer, wo die BaFin die wesentlichen Schwächen und Stärken sieht.
Die zusätzlichen Informationen machen das Handeln der Aufsicht für die Unternehmen und Gruppen transparenter und nachvollziehbarer. Sie geben auch Impulse für den Dialog zwischen Aufsicht und Unternehmen. Die Unternehmen bekommen die Chance, schneller auf die Einschätzungen der Aufsicht zu unternehmensspezifischen Entwicklungen zu reagieren. Wichtig ist jedoch: Die Beaufsichtigten dürfen die Risikoklassifizierungsergebnisse nicht veröffentlichen oder gar zu Werbezwecken nutzen.
So funktioniert die Risikoklassifizierung
Das Risikoklassifizierungsverfahren orientiert sich an den Leitlinien der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA zum aufsichtlichen Überprüfungsverfahren. Es berücksichtigt die Art, den Umfang und die Komplexität der Geschäftstätigkeit der Unternehmen und Gruppen sowie die damit verbundenen Risiken. Die BaFin benotet zwei Kategorien: Marktauswirkung und Qualität.
Bei der Marktauswirkung bewertet die BaFin auf einer vierstufigen Skala, welche Effekte die Probleme eines Unternehmens bzw. einer Gruppe auf die Stabilität des Finanzsystems haben könnten. Dabei sind die Auswirkungen bei Stufe 1 niedrig, Stufe 2 mittel, Stufe 3 hoch und Stufe 4 sehr hoch. Hierfür nutzt die BaFin grundsätzlich Schwellenwerte. Je nach Sparte sind das etwa die Summe der Kapitalanlagen oder der gebuchten Bruttobeitragseinnahmen.
Die Qualität der Unternehmen und Gruppen bildet die BaFin mit einer Skala von ein A bis D ab, wobei A hohe Qualität bedeutet und D niedrige Qualität. Die Gesamtnote leitet sie aus den Bewertungen der folgenden Teilbereiche ab: Vermögens- und Finanzlage, Ertragslage, Geschäftsorganisation, Zukunftsfähigkeit und Inhaber bedeutender Beteiligungen. Für die Versicherungsgruppen verwendet die Aufsicht anstelle der Kategorie Inhaber bedeutender Beteiligungen jene der Gruppenspezifika.
Die ersten beiden Teilbereiche stuft die BaFin mit Hilfe versicherungsspezifischer Kennzahlen ein. Die beiden Kategorien Geschäftsorganisation und Inhaber bedeutender Beteiligungen bewertet sie anhand qualitativer Kriterien, wie zum Beispiel Mängel im Risikomanagementsystem. Der Teilbereich Zukunftsfähigkeit beinhaltet spartenspezifische quantitative oder qualitative Kriterien, die sich für eine Beurteilung der perspektivischen Entwicklung des Unternehmens bzw. der Gruppe eignen. Darüber hinaus bewertet die Aufsicht für die Gruppenspezifika die gesamten gruppenspezifischen Aspekte, die über die ersten vier Teilbereiche hinausgehen.
IT-gestütztes Bewertungssystem
Für einen gleichgerichteten Ansatz verwendet die BaFin ein IT-gestütztes Bewertungssystem. Dieses System wird mit langjährigen Branchenwerten kalibriert und schlägt auf Grundlage der wesentlichen Kennzahlen Noten vor. Neben diesen Kennzahlen berücksichtigen die Aufseherinnen und Aufseher diverse weitere Hilfskennzahlen und Informationen für die Gesamtnote. Falls einzelne Aspekte für die Aufseherin und den Aufseher von besonderer Bedeutung sind, kann sie oder er diese höher gewichten.
Bei der Einordnung der Risikoklassifizierung ist zu beachten, dass die Noten grundsätzlich nur den Stand bei der jüngsten turnusmäßigen Bewertung wiedergeben. Meist ist dies der 30. September. Wenn die BaFin danach neue Informationen über ein beaufsichtigtes Unternehmen oder eine Gruppe erhält, die ihre Einschätzung signifikant ändern, kann sie eine Ad-hoc-Risikoklassifizierung vornehmen. Auf diese Weise kann sich eine Risikoklassifizierungsnote auch zwischen zwei Stichtagen ändern.
Wesentliche Informationen können die Zulassung oder die Aufgabe eines Geschäftszweiges, Änderungen in der Eigentümerstruktur, Bestandsübertragungen sowie wesentliche neue Erkenntnisse zur finanziellen Situation oder zur Geschäftsorganisation eines Unternehmens oder einer Gruppe sein.
Wann teilt die BaFin den Unternehmen ihre Noten mit?
Die BaFin entscheidet, wann sie den Unternehmen und Gruppen ihre Risikoklassifizierungsergebnisse mitteilt. Sie legt aber darauf Wert, dass die Noten möglichst aktuell sind. Bei Versicherungsgruppen sollen die Ergebnisse der Gruppe und den einzelnen Unternehmen der Gruppe zeitgleich mitgeteilt werden.
Wie umfangreich die Erläuterungen der BaFin ausfallen, hängt von der Risikolage des Unternehmens oder der Gruppe ab. Die BaFin wird zumindest die Gesamtnote und ihre wesentlichen Treiber für das Ergebnis erläutern. Wie ausführlich die BaFin Teilbereichsnoten erläutert, entscheidet die zuständige Aufseherin oder der zuständige Aufseher. Der Schwerpunkt wird auf den Schwächen liegen, also den Teilbereichen mit der Note C oder D, sowie ausschlaggebenden und/oder besonders schlechten Kennzahlen C oder D.
Bei guten Noten (A oder B) wird die Aufseherin oder der Aufseher die wichtigen Kennzahlen voraussichtlich nur kurz erwähnen. Details der Berechnung und Gewichtung der Kennzahlen sowie die Gewichtungen der Teilbereiche wird die BaFin nicht offenlegen. (fi/wkp)