Mit der Jahreskonferenz Versicherungsaufsicht möchte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin, am kommenden Mittwoch ihren Austausch mit der Branche fortführen und weiter vertiefen.
Regulierung von Nachhaltigkeitsrisiken im Fokus
Ein inhaltlicher Schwerpunkt der Veranstaltung wird dabei die Regulierung von Nachhaltigkeitsrisiken sein. Die Vorsitzende der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, Petra Hielkema, wird das Thema aus europäischer Perspektive erörtern. Anschließend ist hierzu ein Panel mit hochrangiger Besetzung geplant.
Darüber hinaus werden Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen, Verbänden und der Aufsicht in mehreren Gesprächsrunden über aktuelle Themen aus der Aufsichtspraxis diskutieren. Gegen Ende der Veranstaltung ist mit "Aufsicht im Dialog" ein Format vorgesehen, in dem die Leitung der Versicherungsaufsicht den Teilnehmenden zu allen Aufsichtsthemen Rede und Antwort steht.
Veranstaltung für die Entscheiderebene
Die Jahreskonferenz richtet sich primär an beaufsichtigte Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds, Versicherungsverbände, Wissenschaft, Aufsicht aus dem In- und Ausland sowie Wirtschaftsprüfung.
Das Interesse an den Veranstaltungen der BaFin übersteigt regelmäßig die Anzahl der zur Verfügung stehenden Teilnahmeplätze. Um möglichst vielen verschiedenen Institutionen und Unternehmen den Zugang zur Veranstaltung zu ermöglichen, berücksichtigt die BaFin grundsätzlich nur eine limitierte Personenanzahl pro Institution.
Insider-Kommentar
Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der BaFin, veröffentlichte im Vorfeld der Konferenz im "hauseigenen" Journal der Aufsicht einen Kurzkommentar mit unterschiedlichen Aspekten, die zunächst die "geopolitische" Situation ausleuchten, aber auch sehr speziell auf die Auswirkungen eingehen, welche beispielsweise die Assekuranzwirtschaft zu erwarten hat. Wie geben deshalb nachfolgend den Kommentar von Dr. Grund im O-Ton ungekürzt wieder:
"Inflation treibt Schadenaufwendungen in der Reparatur"
Die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und die pandemiebedingt immer noch gestörten Lieferketten haben entscheidend dazu beigetragen, dass die Inflation in den vergangenen Monaten lange ungekannte Höhen erreicht hat. Versicherer spüren den Kostendruck, das zeigt der Blick auf unterschiedliche Versicherungszweige sehr deutlich. Aus Aufsichtsperspektive kommt es jetzt darauf an, dass sie daraus die richtigen Schlüsse ziehen.
In der Schaden- und Unfallversicherung werden wir bereits in den Jahresabschlüssen der Versicherer für 2022 deutliche Auswirkungen der gestiegenen Teuerungsrate sehen. Durch die höhere Inflation steigen die Schadenaufwendungen signifikant, insbesondere dort, wo Reparaturleistungen anfallen oder Neuwertersatz vereinbart ist. Das führt zu höheren versicherungstechnischen Rückstellungen in den betroffenen Zweigen.
"Schadenrückstellungen unbedingt anpassen!"
Bei der Reservierung der Schäden nach den Vorgaben des Handelsgesetzbuchs gilt ein klarer Grundsatz: Die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen ist sicherzustellen. Wegen der hohen Teuerung müssen Unternehmen gegebenenfalls bestehende Rückstellungen bereits in diesem Jahr erhöhen. Aus Sicht der Aufsicht wäre es nicht akzeptabel, darauf zu wetten, dass sich die hohen Inflationsraten normalisieren, um in der Zwischenzeit bestehende Puffer in den Reserven restlos aufzubrauchen. Auch die Schadenrückstellungen nach Solvency II müssen Versicherer anpassen, wenn sie die Inflationserwartungen zu niedrig geschätzt haben. In der Regel wird das der Fall sein.
Prämiensteigerung unvermeidlich
Natürlich müssen die Versicherer die Schadenentwicklung auch im Hinblick auf künftige Schadenerwartungen bei ihrer Tarifierung berücksichtigen. Es ist daher im Grunde unvermeidlich, dass die gestiegene Inflation im Jahr 2023 höhere Beiträge in der Schaden- und Unfallversicherung nach sich zieht. Und zwar sowohl im Neugeschäft als auch im Bestand. Aus Aufsichtsperspektive ist klar: Angesichts der hohen Inflation sollten Versicherer bei der Prämienqualität keine Abstriche machen.
Bei den Krankenversicherern sieht die Lage etwas anders aus. Hier sehen wir zurzeit noch keine besondere medizinische Inflation. Das kann sich aber schnell ändern, nämlich dann, wenn die steigenden Kosten der Leistungserbringer und die höheren Produktionskosten für Sachmittel, Medikamente etc. zu höheren Aufwendungen führen. Die Branche wird dies sicherlich durch Beitragsanpassungen an ihre Kunden weitergeben können beziehungsweise müssen, aber erst mit der üblichen Zeitverzögerung.
Inflation nicht nur kurfristige Erscheinung
Wie geht es mit der Inflation weiter? Kurz bis mittelfristig dürfte sich wenig ändern. Die Bundesbank erwartet auch im kommenden Jahr eher eine Sieben vorm Komma als eine Sechs. Und das heißt ganz klar: Versicherer müssen sich auf längerfristig höhere Inflationsraten einstellen. Daran führt kein Weg vorbei.