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VGT-AK 4: Die "sieben Todsünden" des § 315c StGB auf dem Prüfstand

03.02.2025 14:29 Uhr | Lesezeit: 4 min
Die Referenten des AK 4 (v.l.): Dr. Philipp Schulz-Merkel, Fachanwalt für Verkehrs-, Straf- und Versicherungsrecht (Nürnberg), Ewald Ternig, Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz (Büchenbeuren), Oliver Borsellino, Referent Verkehrsinfrastruktur, Unfal
Die Referenten des AK 4 (v.l.): Dr. Philipp Schulz-Merkel, Fachanwalt für Verkehrs-, Straf- und Versicherungsrecht (Nürnberg), Ewald Ternig, Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz (Büchenbeuren), Oliver Borsellino, Referent Verkehrsinfrastruktur, Unfallforschung der Versicherer/Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (Berlin) und Prof. Dr. Jan Zopfs, Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht (Mainz).
© Foto: Walter K. Pfauntsch

Das Strafgesetzbuch kennt "besonders unfallträchtige Fehlverhaltensweisen, die von Fahrzeugführern grob verkehrswidrig und rücksichtslos" begangen werden. Der Anschein, dass 60 Jahre nach Erlass der entsprechenden Vorschriften manches nicht mehr zeitgemäß ist, hat sich im AK 4 bestätigt. Was im heutigen, modernen Straßenverkehr unfallträchtig und strafwürdig ist, soll künftig ebenfalls geahndet werden.

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Die Strafvorschrift der Gefährdung des Straßenverkehrs nennt in § 315c Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB) sieben als besonders gefahrenträchtig bewertete verkehrswidrige Verhaltensweisen, die bei grob verkehrswidriger und rücksichtloser Begehung dann strafbar sind, wenn durch das verkehrswidrige Verhalten Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden.

Die "klassischen" Todsünden im Straßenverkehr

Die dort abschließend aufgezählten "Todsünden" umfassen z.B. den "Vorfahrtsverletzer", den "Rechtsüberholer" oder den "Geisterfahrer". Aber auch derjenige, der grob verkehrswidrig und rücksichtslos liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist, kann sich strafbar machen. Dieser Tatbestand führt aber in der Praxis eher ein Schattendasein.

Nennt der seit Jahrzehnten unverändert gebliebene Katalog der "Todsünden" wirklich noch die heute in der Praxis zu beobachtenden unfallträchtigen Fehlverhaltensweisen? Bedarf es einer Neubewertung, etwa weil die Vorschrift nur das falsche Fahren am "Fußgängerüberweg" (das ist allein der Zebrastreifen!) nennt, nicht aber das gleiche Fehlverhalten erfasst, das beim Einbiegen oder an einer mittels Lichtzeichenanlage gesicherten Fußgängerfurt auftritt? Was ist mit dem nah auffahrenden Drängler oder dem Temposünder in Schulstraßen?

Diese und andere Gesichtspunkte sollten in diesem Jahr in Goslar ausgiebig beleuchtet und Lösungsansätze gefunden werden.

Es gibt Handlungsbedarf

Am Freitag kam der AK 4 zur Überzeugung, dass "die in § 315c Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB) genannten Verkehrsverstöße ("7 Todsünden") aktuell nicht mehr in Gänze die typischen Fehlverhaltensweisen von Fahrzeugführenden mit hohem Unfallrisiko abbilden". Von daher wurde schließlich folgende Resolution beschlossen:

Um einem verkehrsgefährdenden Verhalten bereits auf präventiver Ebene effektiv zu begegnen, bedarf es neben einer Förderung von Präventionsarbeit einer verstärkten Kontrolldichte und moderner Kontrollmöglichkeiten. Der Arbeitskreis empfiehlt, die Vorschrift (§ 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB) zu modifizieren. Folgende, grob verkehrswidrig und rücksichtslos begangene Verhaltensweisen mit konkreter Gefährdung von Leib oder Leben einer anderen Person oder fremden Sachen von bedeutendem Wert sollten dabei einbezogen werden:

  1. neben dem falschen Fahren an Fußgängerüberwegen ("Zebrastreifen") das falsche Fahren an durch Lichtzeichenanlagen gesteuerten Fußgängerfurten, da dort ein zumindest gleichwertiges Gefährdungspotenzial besteht;

  2. aus demselben Grund die Missachtung des Vorrangs der zu Fuß Gehenden beim Abbiegen;

  3. das falsche Fahren im Bereich von Baustellen, Arbeitsstellen, Unfallstellen oder liegengebliebenen Fahrzeugen, um den besonderen Gefahrensituationen an diesen Stellen Rechnung zu tragen;

  4. die Benutzung eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist.

Die Norm erfasst derzeit auch denjenigen, der haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist. Mit Blick auf die aktuelle Unfallstatistik stellt dies kein besonders unfallträchtiges Verhalten dar, welches eine Strafwürdigkeit noch trägt. Der Arbeitskreis empfiehlt die Streichung dieser Alternative (§ 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. g StGB).

Nach dem Willen des VGT sollen gefährliche Verhaltensweisen des modernen Straßenverkehrs, welche man bei den ursprünglichen Gesetz-Erlasszeiten vor rund 60 Jahren noch nicht kannte, in das Strafgesetzbuch mit aufgenommen. werden.
Nach dem Willen des VGT sollen gefährliche Verhaltensweisen des modernen Straßenverkehrs, welche man bei den ursprünglichen Gesetz-Erlasszeiten vor rund 60 Jahren noch nicht kannte, in das Strafgesetzbuch mit aufgenommen. werden.
© Foto: HDI/istock
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