Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat die geplante Einführung einer blauen Plakette für Autos mit geringem Schadstoff-Ausstoß gegen Kritik verteidigt. Es werde nicht so sein, "dass 2017 plötzlich 13 Millionen alte Diesel aus den Innenstädten ausgesperrt werden", sagte Hendricks der "NRZ" (Montag) zu entsprechenden Medienberichten. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hatte die Pläne zuvor als vollkommen unausgegoren und mobilitätsfeindlich bezeichnet. "Das Ergebnis wäre ein faktisches Einfahrtverbot für Dieselfahrzeuge", sagte der CSU-Politiker der "Bild am Sonntag". Das werde er nicht akzeptieren.
Hintergrund des Streits ist ein Beschluss der Umweltminister von Bund und Ländern. Danach sollen Städte für Areale mit besonders schlechter Luft anordnen können, dass nur noch Autos mit blauer Plakette einfahren dürfen - also solche, die wenig Stickoxide ausstoßen. Die Verordnung dazu soll noch dieses Jahr wirksam werden.
Hendricks betonte, die Entwicklung der Plakette gehe auf eine Forderung aller 16 Bundesländer zurück, inklusive Bayern. Die Länder hätten ihr versichert, "dass auch sie nicht mit dem Holzhammer vorgehen wollen, sondern einen zielgenauen, stufenweisen Ansatz verfolgen". Jede Stadt oder Gemeinde kann nach den Plänen selbst bestimmen, wann und ob sie derartige Gebiete ausweist. Es soll keine Pflicht dazu geben.
Keine Lastwagen und Nutzfahrzeuge?
Die "Bild"-Zeitung und die "BamS" rechneten vor, dass rund 13 Millionen älteren Diesel-Pkw mit höheren Schadstoffwerten ein "Innenstadt-Verbot" drohen könnte. Betroffen wären auch Lastwagen und Nutzfahrzeuge. Eine blaue Plakette, die den Ausstoß von Stickoxiden berücksichtigt, hatten Umweltverbände lange gefordert. Die neuen Umweltzonen würden wohl kleiner ausfallen als die bisherigen Zonen für grüne Plaketten.
Die Grünen im Bundestag warfen Dobrindt vor, keine Konsequenzen aus der zu hohen Stickoxidbelastung in vielen Städten zu ziehen. Fraktionsvizechef Oliver Krischer erklärte: "Der Verkehrsminister hat während des ganzen Abgas-Skandals offensichtlich nichts kapiert. Den Beschluss aller Länder-Umweltminister gegen die Schadstoffbelastungen einfach nur abzutun, ist fahrlässige Ignoranz, denn schließlich geht es um die Gesundheit von uns allen."
Der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ulrich Lange, erklärte, der Vorschlag zur Einführung einer blauen Plakette sei nicht zu Ende gedacht. "Er berücksichtigt insbesondere nicht, dass Dieselfahrzeuge erheblich zur Reduzierung des C02-Ausstoßes im Straßenverkehr beitragen." Die "Diskriminierung" von Dieselfahrzeugen sei fehl am Platz.
Nach Angaben des Umweltministeriums ist Stickstoffdioxid gesundheitsschädlich, weil es die Atemwege reizt und zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann. 2015 waren die Werte an 60 Prozent der Luftmessstellen an belasteten Straßen in Ballungsräumen zu hoch.
Kfz-Gewerbe: Blaue Plakette schränkt Mobilität ein
Kritik kommt auch vom DeutschenKfz-Gewerbe (ZDK). Wer etwa als Berufspendler auf die Sparsamkeit und Langlebigkeit des Dieselantriebs setze und die höheren Kosten durch eine entsprechend lange Nutzung amortisieren wolle, werde durch den Vorstoß der Umweltminister an der Nase herumgeführt, so ein ZDK-Sprecher. Zum einen drohe das Einfahrtverbot in die blauen Zonen, zum anderen müsse mit Wertverlust beim Verkauf gerechnet werden. Diese Entwicklung träfe auch das Kfz-Gewerbe.
Es sei noch nicht lange her, dass die Politik die Verbraucher zum Kauf von sparsamen Dieselfahrzeugen aufgerufen habe, um den CO2-Ausstoß insbesondere in den Städten wirksam zu bekämpfen. Das Kfz-Gewerbe fordere daher mehr Verlässlichkeit bei politischen Entscheidungen, so der ZDK-Sprecher. Gefordert sei eine Politik mit Augenmaß, die neben berechtigten Umweltanliegen auch die Mobilitätsbedürfnisse sowie auf Treu und Glauben getroffene Investitionsentscheidungen der Steuerzahler berücksichtige. Wie bereits zahlreiche Politiker bewerte auch der ZDK den Plaketten-Vorschlag als realitätsfern, der zurück in die Schublade gehöre. (dpa)
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