Das Bundesverkehrsministerium nimmt als Konsequenz aus dem Abgas-Skandal bei Volkswagen gleich mehrere Neuregelungen in den Blick. Technische Prüfdienste, die für einen Autohersteller tätig sind, sollten sich künftig in einer Rotation abwechseln, teilte ein Sprecher am Montag in Berlin mit. Die VW-Untersuchungskommission des Ministeriums habe zudem vorgeschlagen, staatliche Prüfstände für Emissions-Nachmessungen aufzubauen. Damit könnten nach Ansicht von Experten wirtschaftliche Abhängigkeiten zwischen Prüfinstituten und Herstellern vermieden werden.
Außerdem sollen Hersteller dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) künftig ihre Motorsoftware offenlegen. Dadurch wäre es leichter, etwaige Abschaltvorrichtungen, mit denen ein Fahrzeug "merkt", ob gerade ein Abgastest läuft, zu erkennen. Nicht geplant sei dagegen, bei der Zulassung neuer Fahrzeugtypen, die beim KBA liegt, Kompetenzen an das Umweltbundesamt abzugeben, betonte der Sprecher.
Bundesverbraucherminister Heiko Maas hatte in einem Bericht an den Bundestags-Ausschuss für Recht und Verbraucherfragen vorgeschlagen, die künftige Rolle des Kraftfahrt-Bundesamtes zu überdenken. Mit diesem Vorstoß berührt der SPD-Politiker die Zuständigkeiten von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Der Bericht sei mit dem Bundesverkehrsministerium abgestimmt worden, sagte ein Sprecher des Verbraucherministeriums am Montag. Der Parlamentarische Staatssekretär im Justiz- und Verbraucherministerium, Ulrich Kelber (SPD), sagte dem "Handelsblatt": "Der Verbraucherschutz sollte auch beim Kraftfahrtbundesamt Ziel werden."
Das "Handelsblatt" berichtet unter Berufung auf Informationen aus Kreisen des Verbraucherministeriums, dass die Überlegungen zur künftigen Rolle des KBA sogar noch weiter gingen, als in dem Bericht beschrieben. Demnach könnte demnächst auch das Umweltbundesamt Kfz-Tests vornehmen.
Neue Schlichtungsstelle?
Die Bundesregierung wirft in dem Bericht auch die Frage auf, wie nach der VW-Affäre die Rechte der Verbraucher gestärkt werden können. Wie das «Handelsblatt» zuerst berichtete, soll eine Schlichtungsstelle eingerichtet werden, um Beschwerden von Kunden bei Neuwagenkäufen außergerichtlich beizulegen. Bisher existiere eine solche Schlichtungsstelle im Automobilbereich nur für Gebrauchtwagenkäufe.
Der nordrhein-westfälische Verbraucherschutzminister, Johannes Remmel (Grüne), bezeichnete die Vorschläge von Maas als "Augenwischerei". Anstatt Verbraucherschutzklagen auszubauen und die Frage der Gewährleistungsrechte zu prüfen gehe Maas dem Konflikt mit der Automobilbranche aus dem Weg und lasse die Verbraucher "im Regen stehen".
Volkswagen hatte mit einer Software Abgas-Tests bei Dieselfahrzeugen manipuliert. In Deutschland sind etwa 2,4 Millionen Fahrzeuge betroffen. Volkswagen will Ende nächster Woche damit beginnen, betroffene Autos in Deutschland zurückzurufen. Eine Entschädigung für VW-Kunden in Europa soll es aber anders als in den USA nicht geben.
DUH verklagt KBA
Der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geht die Aufarbeitung des Abgasskandals unterdessen nicht schnell genug. Der Verein habe mit Datum 22. Januar 2016 auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes gegen das KBA eine Untätigkeitsklage wegen Anspruchs auf Informationserteilung gestellt, hieß es am Montag in einer Mitteilung. Die DUH will damit Einsicht in die Rückrufanordnung sowie den gesamten dazu vorliegenden Schriftverkehr erzwingen.
"Während uns die USA oder aktuell Frankreich zeigen, dass die Bevölkerung und die betroffenen Autohalter einen umfänglichen Anspruch auf lückenlose Aufklärung haben, schweigt Verkehrsminister Dobrindt auch vier Monate nach Bekanntwerden des Skandals", sagte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Obwohl sein Ministerium seit Ende November Messdaten von über 50 Fahrzeugen sowie im Rahmen der Rückrufverfügung detaillierte Angaben über das Fehlverhalten der VW-Betrugsdiesel vorliegen hat, werden diese bis heute rechtswidrig geheim gehalten." (dpa/se)
hwb