Dass Mini längst nicht mehr mini ist, ist allen bekannt. Startete der Zwerg damals, 1959, mit 3,05 Meter und bot für die Kurzstrecken tatsächlich Platz für vier Personen, änderte sich das Konzept, seit BMW die Marke übernahm und im Juni 2001 die neue Version auf den Markt brachte. Das Original wurde übrigens bis ins Jahr 2000 in einer der Urform sehr nahen Version produziert. Der erste Neuzeit-Mini kam im Sommer 2001 auf den Markt und hatte noch ein bisschen Geist vom damaligen Ideengeber Alec Issigonis in den Genen. Mit seiner Kürze von knapp 3,65 war er zumindest noch mini. Auch das ist mittlerweile schon wieder 23 Jahre her und nach wie vor ist die Marke im Wandel, und im Wachstum – den Absatzzahlen nach aber eben in Anbetracht der Fahrzeuggröße.
Mini Countryman SE All4 (2024)
BildergalerieMini, jetzt auch made in Leipzig
Neuestes Mitglied der Familie, die auch 2024 mit dem Mini Aceman noch weiteren Nachwuchs bekommen soll, ist der Mini Countryman, den es als einzigen Mini noch mit Dieselmotor (163 PS) geben wird. Benziner (170/218/300 PS) sind eh gesetzt und um Elektro-Versionen kommt man nicht mehr drum herum. Mini bietet den Countryman Electric in zwei Varianten an: Der kleine mit Frontantrieb und 204 PS sowie den Mini Countryman SE All4 mit Allradantrieb und 313 PS, der stärkste Mini bislang. Letztgenannten konnten wir intensiv bewegen und uns ein erstes Bild vom erstmals in Leipzig gefertigten Mini Countryman SE All4 machen.
Optisch orientiert er sich deutlich am Vorgänger, auch wenn die Elektrovariante um 15 Zentimeter zulegte. Laut Pressesprecher war das ganz klar ein Wunsch der Kunden: mehr Platz. Ob sich das auf die Kunden in Europa bezieht oder die „interkontinentalen“, sei mal dahingestellt. Für einen Mini bot auch der alte Countryman viel Platz, für ein 4,30-Meter-Kompakten im Speziellen. Nun ist er nicht nur 4,45 lang, sondern auch 1,84 Meter breit (+ 2 Zentimeter) breit und 1,64 Meter hoch (+ 9 Zentimeter) und schwimmt fast schon auf die Mittelklasse zu – preislich in jedem Fall. Der Mini Countryman teilt sich die Technik mit dem BMW iX2 und dem etwas kürzeren BMW iX1 teil er sich auch die Technik. Nicht komplett, aber in sehr vielen Details. Auch der Radstand ist mit ist 2,69 Metern identisch mit seinen BMW-Brüdern und bringt Platz im Fond.
Das bedeutet also auch, dass es innen in alle Richtungen luftig ist. Zudem ist die Übersichtlichkeit ob der steil stehenden Seitenscheiben und der vergleichsweise großen Fensterflächen gut – nach vorn behindern aber – wie sooft – die dicken A-Säulen den Blick beim Abbiegen und Kurvenfahren. Lediglich die an der C-Säule angebrachten Design-Elemente, um den Mini nicht ganz so „sargig“ wirken zu lassen, stören beim Blick über die rechte Schulter. Das in verschiedenen Lackierungen farblich abgesetzte Dach (Option) wirkt nicht mit jeder Farbe stimmig, daher sind die Optionen im Vergleich zu einem Opel Adam https://www.autoflotte.de/mediathek/article-2525049 gering. Mittlerweile fast überstrapaziertes Gimmick: Der Union Jack kann nach wie vor in den Rückleuchten modelliert werden. Wer das nicht möchte, wählt am Infodisplay einfach eine andere LED-Grafik aus – schön, dass man die Wahl hat.
Variabler Fond im Mini Countryman
Zwischen den leuchten öffnet die etwas klobig wirkende Heckklappe und gibt im Normalfall angeblich 460 Liter Kofferraum frei, zehn Liter mehr als Beim Verbrenner, was bei Blick in den Kofferraum mit kleinem Ladekabelfach im Unterboden als wohlwollend gemessen wirkt. Beim Verbrenner sind es zwei Ebenen, die beladen werden können. Die Rücklehne lässt sich im Verhältnis 40:20:40 umklappen, in Stufen arretieren und die Rückbank 40 zu 60 verschieben.
Weiter vorn bietet der Mini passgenaue Fahrer- und Beifahrersitze an, die sich gut verstellen lassen. Eine ausziehbare Schenkelauflage für Langbeiner bietet Mini indes nicht an und fällt zu kurz aus. Eine hervorragende Sitzposition dürfte sich aber auch so für viele Fahrer ergeben. Als echter Nachteil sind auch hier die wenig verstellfreudigen Kopfstützen anzumerken und die nicht vorhanden Gurthöhenverstellung – beides kann passen, tut es aber nicht bei jedem.
Mini Countryman mit rundem OLED
Als Besonderheit gibt es das angeblich erste Rund-OLE-Display (organic light emitting diode) in einem Pkw. Und in der Tat wirkt die runde Informationsfläche modern und hebt sich vom Einerlei der immer größer werdenden Anzeigen in allen anderen Automobilen positiv ab. Mehr Nutzen bringt es indes nicht, wenngleich sich die Menüführung mit den auch im Oval angelegten Buttons als oft einleuchtend erweist.
Komplett im Kontrast dazu steht jedoch das rustikale Head-up-Display, das wie ein Untoter aus dem Armaturenbrett aufersteht. Da es zudem zu tief angebracht ist, bringt es im Alltag keinerlei Verbesserung zu einem herkömmlichen Digitaltacho. Das Tempo wird übrigens, wie beim Volvo EX30 oder bei Tesla sonst nur noch im Infotainment-Display angezeigt. Keine gute Lösung, aber offensichtlich legal und man spart den Tacho ein.
Unter dem Display befinden sich ein paar Schalter: Der in der Mitte imitiert einen Zündschlüssel und wir exakt so bedient – also drehen. Der Vorteil? Den suchen wir noch. Hier wäre es schön gewesen, wie bei anderen E-Autos einfach den Motorstart über die Automatik-Schaltung zu regulieren. D=Motor an und los geht’s, P=Motor aus, sobald man aussteigt. Ein Drehregler für die Lautstärke ist rechts, in Richtung Beifahrer montiert – guter Platz –, und unten gibt es vier weitere Knöpfe: Heckscheibenheizung, Defrost, Warnblinklicht, Einparkassistent und einer zum Öffnen des dezent individualisierbaren Schnellzugriffs für diverse Funktionen. Apropos schnell: Die Latenz des Infoscreens ist hoch und lässt das eigentlich schön arrangierte Infotainmentsystem behäbiger erscheinen als es ist. Hinzu kommt eine zähe Sprachbedienung, die viele Ansagen nicht versteht und daher auch nicht umsetzen kann. Dafür hopst jetzt aber immer mal wieder der albern wirkende Mini-Assistent „Spike“ ins Display. Ein Ausblenden der Animation haben wir nicht geschafft.
Dass Mini nicht zur Creme de la Creme in Sachen Material- und Verarbeitungsqualität gehört, hat sich wohl rumgesprochen. Beim neuen Mini Countryman haben die Innenraumarchitekten aber immerhin eine Schippe nachgelegt. Die nun vielgenutzten Stoffbahnen fassen sich hochwertig an und die viel befingerten Stellen wie die Ablagebox oder die Fläche vor der Handyablage (Induktivladen kostet extra) können einfach ausgetauscht werden, sollten sie nach einiger Zeit doch mal speckig sein.
Mini Countryman: 313 PS vs. 2,1 Tonnen
Etwas speckig ist der Countryman selbst, wie jedes Elektrofahrzeug. 2,1 Tonnen bringt der Leipziger auf die Waage – mindestens. Wie im E-Auto ebenfalls üblich, besitzt auch der Mini Countryman SE All4 mehr als ausreichend Leistung. 313 PS sind es in der Spitze, kein Mini hat(te) mehr zu bieten. In flinken 5,6 Sekunden geht es daher mit automatischer Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse aus dem Stand auf Tempo 100. Bei 180 ist der Begrenzer erreicht. Jeder Tritt aufs Gaspedal wird unmittelbar in Vortrieb umgesetzt – lautlos. Für den Innenraum wurden zwar vier künstliche Fahrzeug-Sounds komponiert, ganz ohne passt aber dennoch am besten zum E-Auto. Außen gibt es immer nur einen, der ist auch nicht deaktivierbar. Vom Antrieb ist kein Summen und kein Brummen zu hören – ein angenehmes Reisen.
Bewegung im Wortsinn kommt eher durch das Fahrwerk des Mini Countryman SE All4 an die Insassen. So richtig ruhig wird es nämlich nie. Ständig ist man in Bewegung, um die Längs-, Quer-, und Hochachse. Ob die montierten 20-Zoll-Räder (17-Zöller sind Serie und damit 11,5 Meter Wendekreis) hilfreich sind, konnten wir im Vergleich zu kleineren nicht erfahren. Optisch sind sie aber in jedem Fall ein Highlight. Adaptiv regeln lassen sich die Dämpfer nicht, was im Grunde kein Nachteil ist. Wie es besser klappt, zeigte übrigens unsere Fahrt im Mini JCW Countryman All4, dem Sport-Benziner mit 300-PS-Vierzylinder, der den Kompromiss aus Sportlichkeit und Fahrkomfort exzellent hinbekommt.
Mini Countryman SE All4: 70.000 Euro sind machbar
Beim Preis kommt man eh schnell in die Regionen des JCW (John Cooper Works). Der beginnt beim Frontantriebs-Elektro-Countryman (204 PS) bei noch moderaten 43.500 Euro (brutto). Für den von uns gefahrenen Allradler startet er im selben Trimlevel, Essential, bei 49.500 Euro. Da wir Verfechter der 22-kW-Ladeoption sind, empfehlen wir, das Paket „M“ für 5.730 Euro (brutto) hinzuzuwählen. Mit dabei sind dann noch Induktivlademöglichkeit des Handys, Gepäcknetz, automatisch abblendbarere Innenspiegel, bessere LED-Scheinwerfer (Matrix-LED gibt es aber dennoch nicht), Head-up-Display, Panorama-Schiebedach, Sitzheizung und ein paar weitere sinnvolle und überflüssige Extras. Auch beim Mini geht es eben nicht mehr individuell, sondern nur noch in Paketen und der Preis schnellt in Bereiche, in denen man darauf achten muss, noch in den Genuss der 0,25-Prozent-Versteuerung zu kommen (derzeitige Grenze bei 60.000 Euro brutto). Immerhin: In der Versicherung ist der Mini Countryman SE All4 günstiger als die technischen Zwillingen BMW iX1 und BMW iX2. Und im Business-Alltag macht der Mini einen sehr sympathischen Eindruck, ohne den teils hohen Kaufpreis protzig zur Schau zu stellen.