Es gehört zu London wie die Tower Bridge, der Buckingham Palace und der Doppeldecker-Bus: das London-Taxi, aka Black Cab. 1897 fuhr das erste Taxi in London - rein elektrisch. Das änderte sich bekanntermaßen schnell und der Verbrenner setzte sich durch und war mehr als 100 Jahre angeblich das Nonplusultra. Das stank dem Londoner Bürgermeister Sadiq Khan, allerdings erst 2018. Seitdem müssen neu zugelassene Taxis in London emissionsfrei fahren. Wobei emissionsfrei bedeutet, dass sie mindestens 48 Kilometer elektrisch schaffen müssen.
Derzeit fahren in London rund 15.000 Taxis. In der Vor-Corona-Ära waren es noch annähernd 20.000. Den elektrischen Neuanfang im Taxigewerbe machten umgebaute Nissan e-NV200 Evalia (den wir im Dauertest hatten, Autoflotte 10/2020). Kurz darauf folgte die neue Generation des Black Cab. LEVC, also London Electric Vehicle Company, lautet die Firma hinter den schwarzen Taxis, die das Stadtbild geprägt haben. Den Anfang der speziellen Formgebung machten die Hersteller Morris (ab 1947) und Austin (ab 1948). In den 1960ern übernahm Manganese Bronze, ein britisches Konglomerat, die Produktion des London-Taxis und brachte in den 70ern die Firma Carbodies mit ins Spiel. Alles ziemlich verworren, wie so oft im Vereinigten Königreich.
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Seit 2006 steckt der chinesische Autoriese Geely, der insgesamt rund 120.000 Menschen beschäftigt, beim London-Taxi mit drin und ab 2013 wurde der dieselangetriebene LEVC TX4 produziert, den es in China bereits seit 2007 gab. Seit 2018 rollt das neue Modell, der LEVC TX, als Plug-in-Hybrid vom Band im englischen Coventry - einer Stadt mit immenser Automotive- und Motorrad-Historie. 1.000 Mitarbeiter produzieren dort den TX. Richtig rund läuft es derzeit nicht. LEVC hat sich gerade von 140 Mitarbeitern trennen müssen. Die Corona-Zeit ist nicht spurlos an der Branche vorbeigegangen, wie eingangs geschildert. Derzeit sind etwa 4.500 LEVC TX auf Londons Straßen unterwegs - und ein paar auch in Deutschland.
In München und Köln beispielsweise fahren die explizit fürs Taxigewerbe entworfenen Fahrzeuge und befördern Menschen. Die Insassen merken selten, wer "hinter" dem Fahrzeug steckt, in dem sie sitzen. Freuen werden sich aber die meisten der Insassen ob des besonderen Transportmittels. Der Chauffeur merkt indes schnell, sofern er sich in der automobilen Welt bewegt, dass Geely auch Polestar und Volvo bedeutet. Und so ist es kaum verwunderlich, dass sich Bauteile am und im TX wiederfinden, die Volvo-Fahrer tagtäglich erblicken und ertasten: Innenspiegel, Infotainment-System, Bedienelemente und Fahrersitz sind nur einige Beispiele.
TESTBERICHTE AUTOFLOTTE
Auch unter der traditionell gestalteten Hülle, die seit 2018 dennoch die nötige Modernität mitbringt, steckt Volvo-Technik. So kennt man den Plug-in-Hybriden ebenfalls von den Schweden (1,5-Liter-Dreizylinder plus E-Motor), wenngleich im LEVC TX die Batterie mit gut 22 kWh deutlich größer ausfällt als in Volvo-Modellen. Der Grund: Der LEVC soll nicht nur 50 Kilometer weit elektrisch fahren können, wie die Vorgabe in London lautet, sondern deutlich mehr. In unserem Test-Alltag haben wir ihn innerstädtisch auf 108 Kilometer gebracht. Das ist gerade für einen Plug-in-Hybriden ein herausragender Wert.
Ist der Akku erschöpft, lädt der TX serienmäßig mit elf und sogar mit bis zu 50 kW am DC-Schnelllader. Das bedeutet, dass der Akku innerhalb von gut 40 Minuten komplett gefüllt ist. In Köln gibt es gerade ein Pilotprojekt, bei dem die Firma Intis sechs LEVC direkt am Taxistand am Kölner Dom induktiv Strom zuführt - 22 kW beträgt die Ausgangsleistung der Induktivplatten, über denen der TX-Fahrer einfach nur stehen und im Auto das Laden aktivieren muss - kabellos und bei jedem kurzen Stopp. Für alle LEVC gibt es gegen Aufpreis die Option, mit 22 kW (am Kabel) laden zu können, was sich an innerstädtischen Ladesäulen und der Firmenwallbox lohnen kann.
Nun ist es so, dass sich der LEVC TX nicht nur als Taxi anbietet, sondern auch als Shuttle für Hotels oder Event-Locations. Autoflotte hat die Tour von München nach Hannover gewagt. Tempo 128 ist das Maximum, das der TX schafft, da regelt er gnadenlos ab. Doch wie sinnvoll die Richtgeschwindigkeit ist, zeigt sich beim Laden und Tanken: Vollgeladen in München gestartet, stoppten wir zum Mittagessen an der Autobahn und schlossen den TX an einen "alten" 50-kW-Lader an. Nach 42 Minuten war der Akku komplett mit Energie gefüllt und damit schneller als unsere Bäuche mit Nahrung. Benzin gab es an dieser Stelle ebenfalls, denn der Tankinhalt beträgt nur noch magere 36 Liter. In Hannover angekommen haben wir wieder vollgetankt und kamen auf einen Durchschnittsverbrauch von 8,4 Liter Benzin plus 42 kWh inklusive Ladeverlusten. Für einen 2,3 Tonnen-Koloss, der die Abmessungen eines VW-Busses besitzt, ein fairer Wert.
Weniger fair ist der Sitzkomfort im Fahrgastraum. Dort sind theoretisch sechs Plätze vorhanden. Eine Dreierbank in und drei Klappsitze gegen die Fahrtrichtung. Der Klappsitz an der rechten Tür, die extrem weit gegen die Fahrrichtung aufschwingt, kann nach außen gedreht werden. Das vereinfacht den Einstieg. Noch cleverer ist die Lösung mit der integrierten Rollstuhl-Rampe auf derselben Seite. Diese lässt sich aus dem Unterboden ausziehen. Rolli angurten, Kopfstütze drauf und los geht es.
Die sechs Sitzgelegenheiten sind für die Kurzstrecke gemacht. Der Winkel der Sitze erinnert eher an einen Küchenstuhl und der pflegeleichte Kunststoffbezug fördert den Schweißtrieb am Rücken. Immerhin kann hinten mittels Display in der Tür die Temperatur selbst geregelt werden. Allerdings blasen die Luftausströmer direkt ins Gesicht oder den Nacken. Eine Gegensprechanlage hilft, Kontakt zum Fahrer aufzunehmen, denn das TX-Taxi ist natürlich Coronakonform mit einer Trennscheibe versehen, die aber eher für die (Überfall-) Sicherheit des Taxifahrers denn als "Spuckschutz" angedacht war.
Kofferraum am Beifahrersitz
An die Trennscheibe haben die Entwickler bei LEVC gedacht, an einen Kofferraum nicht. An der Stelle steckt ein Ersatzrad und das Ladekabel liegt in der Felge. Wer in London mit Koffer in einem Black Cab unterwegs war, weiß, das Gepäck kommt in der Regel mit in den Fahrgastraum. Sicher ist das freilich nicht. Eine Art Kofferraum hat der TX daher an der Stelle, an der sich üblicherweise der Beifahrersitz befindet. Rechts vorn ist Platz für hochkant abgestellte Koffer und anderes Gepäck. Zu klein sollte das jedoch nicht sein, denn es gibt weder Netz noch Antirutschmatte und alles fliegt dort etwas wirr rum und beim Öffnen der Beifahrertür schon mal raus. Generell wird das Thema Ablagen eher stiefmütterlich behandelt. Vorne gibt es für den Fahrer nicht wirklich sinnvoll dimensionierte Fächer und Flächen, wenn man bedenkt, dass der Fahrer den ganzen Tag im Shuttle verbringen muss. Der Getränkehalter reicht bestenfalls für kleine Kaffee-Pappbecher. Hinten sieht es richtig mies aus. Dafür gibt es ausreichend USB-Anschlüsse, um zwischendurch mal das Handy zu laden.
Bei einem Preis von fast 70.000 Euro netto ist das aber eigentlich auch das Mindeste. Weniger schön: Die Verarbeitung entspricht nicht dem Preis. Zugutehalten kann man, dass ein rollstuhlgerechter Umbau, beispielsweise bei einem VW-Bus - schnell 3.500 Euro kostet. Und ein T7 Plugin-Hybrid - sofern überhaupt zu bekommen - schlägt selten mit weniger als 60.000 Euro zu Buche. Außerdem ist er nicht fürs Taxi- und Shuttledasein konzipiert. Der TX fährt sich trotz seiner Breite von 195 Zentimetern (ohne Außenspiegel) ziemlich behände durchs Stadtgewusel.
Das liegt zum einen daran, dass die Außenspiegel im Hochformat angebracht sind, was ihn in der Gesamtbreite auf schmale 208 Zentimeter wachsen lässt und damit 14 Zentimeter schmaler ist als ein grundsätzlich gleich breiter VW-Bus, zwei schmaler als ein GLC und ebenso breit wie ein Audi A6. Zum anderen begeistert sein Wendekreis. Mit 8,50 Metern ist er König der Kopfwende und erledigt diese auf den üblichen Straßen, ohne zu rangieren. Möglich macht das unter anderem sein Hinterradantrieb, womit die Vorderachse keinerlei Kraftübertragung mehr leisten muss und sich aufs Federn und Lenken konzentrieren kann. Positiv zu erwähnen ist das Inspektionsintervall von 40.000 Kilometer, negativ der hohe Wertverlust laut DAT.
Alles in allem ist der LEVC TX gerade für den Personentransport wirklich optimiert und kann gleichzeitig als Werbeträger und Sympathiefaktor gelten. Vor allem dann, wenn man lautlos stromert oder sich selbst freut, weil das Laden so schnell gelingt - irgendwann vielleicht auch nicht nur in Köln auf induktive Art und Weise. Somit könnte das Trauern ein Ende haben.