Die Region Torres del Paine im Süden Chiles bietet anspruchsvolles Offroad-Revier. Wer die Gletscher, Schluchten und die Wüste dort durchqueren will, sollte mindestens ein Allradantrieb, am besten mit Sperren und Untersetzung haben. Der nach dem Nationalpark benannte Torres EVX würde dort nicht allzu weit kommen. Der Elektro-SUV der koreanischen Marke KGM hat keinen 4x4-Antrieb, geschweige denn andere Geländehilfen, sondern fährt trotz Geländewagenlook nur mit Frontantrieb vor.
Wer aber steckt hinter KGM? Ende 2022 übernahm der koreanische Stahl- und Chemiekonzern KG die insolvente Marke SsangYong. Es floss viel Geld und nun wird dort wieder entwickelt und produziert. Der Markenname fiel der Umstrukturierung zwar zum Opfer, doch das bekannte Logo darf weiterleben.
KGM: Torres auch mit Turbobenziner und Allradantrieb
Als erstes neues Modell präsentierte KGM, das M steht für Mobility, vor kurzem den Torres mit Turbobenziner und Allradantrieb für 39.490 Euro. Mitte Mai folgt dessen E-Version, von der KGM aber noch keinen Preis verraten will. In Großbritannien ist der Importeur weiter und will umgerechnet rund 41.000 Euro verlangen.
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Obwohl der Allradantrieb fehlt, weckt der Torres EVX optisch die Abenteuerlust. Er sieht tough aus, fast wie mit der Axt geschnitzt. Taucht seine massige Front mit ihrer flachen LED-Leiste im Rückspiegel, macht man dem Torres respektvoll Platz. Am Heck deutet eine Pseudo-Ersatzradmulde und ein robuster Griff an der rechten Seite den Offroader an, der er nicht ist. Die Tür klappt nach oben, und bei einem platten Reifen muss das Pannenset aus dem Kofferraum ran.
KGM Torres EVX
BildergalerieNach den Designeskapaden vergangener Jahre bei SsangYong scheint die Marke nun eine neue Linie gefunden zu haben. Und wenn sich selbst Jeep mit dem Avenger ein E-Auto im Offroadlook, aber ohne 4x4-Technik leisten kann, sollte das für den Torres erst recht kein Verkaufshindernis darstellen.
Jedenfalls haben die Koreaner große Pläne. Bis 2026 wollen sie drei neue E-Modelle auf den Markt bringen. Darunter einen auf der Torres-Plattform aufbauenden Pick-up. Auch ein neuer Hybridantrieb ist angekündigt. Wenn’s läuft, will KGM in Saudi-Arabien und Vietnam neue Werke bauen und die Produktion von derzeit 120.000 auf 320.000 Stück im Jahr 2026 hochfahren.
Doch als kleiner Hersteller ohne Partner in die E-Mobilität einzusteigen, wäre finanzieller Selbstmord. Da klopfen die Koreaner lieber bei BYD in China an. Keine schlechte Wahl: Der weltweit größte E-Auto-Hersteller hat die Batterie-Expertise und mischt momentan mit seiner Blade-Technik den Markt auf. Für den Torres EVX liefert BYD den gesamten elektrischen Antriebsstrang, samt E-Motor und Akku. Die hat’s in sich. Schon gewichtsmäßig. Zwar begnügt sich KGM mit 73 kWh Akkukapazität. Die Zielvorgabe von mehr als 450 Kilometer Reichweite schafft der Wagen trotzdem. Außerdem wiegt er nur etwas über 1,9 Tonnen. Für ein 4,71 Meter langes und so wuchtiges E-Auto kann der Torres also fast als Leichtgewicht durchgehen. Entsprechend leichtfüßig fährt er sich, trotz der ebenfalls nicht überbordenden Motorleistung von 152 kW / 207 PS.
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Dass der Torres kein Dynamiker ist, spürt man allerdings auf kurvigen Straßen, wo er gerne über die Vorderräder schiebt. Außerdem sollten die Koreaner dringend ihre Reifenwahl überdenken. Die für die erste Testfahrt aufgezogenen Nexus-Pneus bieten bei Feuchtigkeit so wenig Grip, dass die Technik die Räder ständig einbremsen muss.
Innen überzeugt der Koreaner dafür mit einem super Platzangebot. Vorne passt alles, ebenso auf Rückbank, wo die Beinfreiheit auch in Ordnung geht. Den über den langen Radstand gewonnen Platz spendieren die Entwickler dem Kofferraum. 703 Liter sind eine Ansage, und wer seine Koffer und Taschen clever in den hohen Laderaum stapelt, sollte auch auf langen Urlaubsfahrten mit Kind und Kegel keine Platzprobleme bekommen.
KGM Torres EVX: Hochwertige Materialien und Verarbeitung
Materialien und Verarbeitung wirken hochwertig und fühlen sich gut an. Vor dem Fahrer und in der Mitte sitzen zwei je 12,5 Zoll große Bildschirme, die optisch unter einer mittig geknickten Scheibe zu einem Instrument verschmelzen. Doch während der Verbrenner ein weiteres Display für die Klimafunktionen besitzt, müssen im E-Modell alle Funktionen auf dem rechten Touchscreen eingestellt werden. Sogar auf den Lautstärkeregler muss man im EVX verzichten. Praktisch ist anders.
Wer sich aber erstmal in die Tiefen des Bordmenüs in die E-Einstellungen klickt, findet dort diverse praktische Einstellmöglichkeiten. So lassen sich Ladezeitpunkt oder Ladestärke – maximal 145 kW sind möglich - einstellen oder der Zielwert (SoC), auf den die Batterie geladen wird. Man könnte auch unterwegs sein Elektrofahrrad über die Autobatterie laden und vorgeben, wie weit das E-Bike den Akku leersaugen darf.
Nur in Sachen Konnektivität ist der Koreaner nicht auf neuestem Stand: Smartphones laden zwar induktiv, aber Apple Carplay oder Android Auto funktionieren nur per Kabel. Das lässt sich verschmerzen, zumal andere Tugenden wichtiger sind. Die zehn Jahre beziehungsweise ein Million Kilometer Garantie für die Batterie beispielsweise. Oder die sieben Jahre aufs restliche Auto. Man müsste doch glatt mal anfragen, ob die ebenso lange Mobilitätsgarantie einen Abschlepper in die Torres del Paine schickt, wenn sich der Wagen in einer Sandkuhle festgefahren hat.