Dem gebeutelten Autobauer Volkswagen steht neuer Ärger ins Haus. Der mächtige Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh griff die VW-Großeignerfamilie Porsche/Piëch scharf an. "Von den Familien haben wir als Beschäftigte jedenfalls bis zum heutigen Tag keine Unterstützung dabei bekommen, die Missstände abzustellen", sagte Osterloh am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Er forderte Wolfgang Porsche als Sprecher der Familie zu mehr Reformwillen auf.
Volkswagen hatte am Freitag einen "Zukunftspakt" zwischen Vorstand und Betriebsrat bekanntgegeben, der auch den sozialverträglichen Abbau von 23.000 Stellen in Deutschland in den nächsten Jahren vorsieht. Wolfgang Porsche verteidigte die massiven Stellenstreichungen. Osterloh zeigte sich verwundert. "Da kann Herr Dr. Porsche gerne konkret mithelfen, die richtigen Strategien durchzusetzen. Das hilft dem Unternehmen mehr als der Besuch eines Autorennens in Bahrain", sagte er.
Die Familien Porsche/Piëch halten mehr als die Hälfte der stimmberechtigten VW-Stammaktien und haben damit die Macht bei Europas größtem Autobauer. Wolfgang Porsche war bisher ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zum Betriebsrat nachgesagt worden.
Manager-Boni und Kunden-Entschädigungen
Eine neue Debatte entbrannte auch wieder um die Bonuszahlungen an das Management. In Zeiten, in denen die Beschäftigten auch die Folgen des Abgas-Skandals mittragen müssen, solle auch das Management kürzer treten, forderte der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann, in der "Bild"-Zeitung: "Ein deutlicheres Signal wäre es, auch die Boni der letzten Jahre an den Konzern zurückzugeben." Das Top-Management bei Volkswagen solle so für das jüngste "Versagen" geradestehen.
Aktionärsvertreter sehen das ähnlich. "Die Vorstände können nicht für Erfolge bezahlt werden, die auf Software-Manipulationen und Betrug beruhen", meinte Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz im "Tagesspiegel". Das VW-Management hatte sich im Frühjahr bereiterklärt, Teile der variablen Vergütung zurückzustellen und von der weiteren Aktienkurs-Entwicklung abhängig zu machen. Der Umbau des Unternehmens, bei dem Milliarden durch Jobkürzungen eingespart werden sollen, ist auch Thema einer Regierungserklärung von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Dienstag.
Müller: Deutsche bei E-Mobilität inkonsequent
Im "Zukunftspakt" spielt auch der Ausbau der E-Mobilität eine zentrale Rolle. Der vom Dieselskandal schwer gebeutelte Autobauer solle "auch im Bereich Elektromobilität zum weltweit führenden Volumenhersteller" werden, hieß es in einem internen Informationsschreiben an die Mitarbeiter. VW-Chef Matthias Müller wies Vorwürfe gegen die Branche zurück: "Die Autoindustrie hat da nichts verschlafen. Am Angebot mangelt es nicht, sondern an der Nachfrage", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Müller zeigte sich aber verwundert über die Autofahrer in Deutschland. "Auf der einen Seite denken und handeln viele Deutsche im Alltag grün, wenn es aber um E-Mobilität geht, haben wir als Verbraucher spitze Finger. So ganz habe ich dieses paradoxe Phänomen noch nicht verstanden", sagte der VW-Chef.
Im Dieselskandal wehrte sich Müller erneut gegen Kritik, dass der Konzern Autobesitzer in Europa nicht entschädige - anders als in den USA. "Emotional" könne er den Ärger von Kunden und Verbraucherschützern aber nachvollziehen. Aber: "Man kann das nicht über einen Kamm scheren, denn die Ausgangssituation ist völlig unterschiedlich", sagte Müller. "Den Kunden in Europa entsteht ja kein Nachteil, weder beim Verbrauch noch bei den Fahreigenschaften. Und wenn ich das anfügen darf: Auf der einen Seite kritisieren viele die amerikanische Gesetzgebung in anderen Zusammenhängen, siehe TTIP. Wenn es aber darum geht, selbst Vorteile daraus zu ziehen, scheint das amerikanische Recht auf einmal der richtige Weg zu sein."
Kritik an Müllers Äußerungen
Nicht nur Verbraucherschützer kritisierten die Aussagen. "Ich halte die Äußerung für mehr als ungeschickt", sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister und VW-Aufseher Olaf Lies (SPD) und betonte: "Das ist der völlig falsche Weg." VW habe das aber nun verstanden. Auch der CDU-Vizefraktionsvorsitzende Dirk Toepffer meinte: "Die Kommunikation des Konzerns ist unterirdisch." VW müsse nun endlich wieder in ein ruhigeres Fahrwasser kommen.
Anfang Dezember soll ein Zulieferer-Treffen mehr Klarheit für wichtige Lieferanten von Europas größtem Autobauer geben. "Der Ort steht noch nicht fest", sagte Lies nach einer Unterrichtung des zuständigen Landtagsausschusses in Hannover. Nach einem Auftakt in kleinerem Kreise werde eine Woche später in großer Runde getagt. Dafür werde der 6. Dezember als Datum angepeilt. Bei dem Treffen der niedersächsischen Zulieferindustrie soll es um Auswirkungen des Zukunftspakts gehen. Dieser sieht neben Reformen und Stellenabbau auch eine Neuausrichtung bei den Zukunftsthemen Elektromobilität und Digitalisierung vor. In Niedersachsen beschäftigt Volkswagen rund 110.000 Menschen, noch einmal so viele sind es in den Zulieferunternehmen.
Angesichts des Wandels der Mobilität gelte es auszuloten, wie die Zulieferer etwa über neue Komponenten daran teilhaben könnten, erklärte Lies. Er betonte, dass der Gipfel durchaus den Anstoß geben könnte für ein bundesweites Treffen dieser Art. (dpa)
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Sonja S.
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