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Zukunftspakt: Neuer Streit bei VW

21.11.2016 11:37 Uhr
Matthias Müller: "Wenn es um E-Mobilität geht, haben wir als Verbraucher spitze Finger."
© Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Wochenlang hatten Vorstand und Aufsichtsrat bei VW um einen "Zukunftspakt" gerungen. Mit dem Ergebnis zeigten sich beide Seiten demonstrativ zufrieden. Der Haussegen hängt dennoch schief.

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Dem gebeutelten Autobauer Volkswagen steht neuer Ärger ins Haus. Der mächtige Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh griff die VW-Großeignerfamilie Porsche/Piëch scharf an. "Von den Familien haben wir als Beschäftigte jedenfalls bis zum heutigen Tag keine Unterstützung dabei bekommen, die Missstände abzustellen", sagte Osterloh am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Er forderte Wolfgang Porsche als Sprecher der Familie zu mehr Reformwillen auf.

Volkswagen hatte am Freitag einen "Zukunftspakt" zwischen Vorstand und Betriebsrat bekanntgegeben, der auch den sozialverträglichen Abbau von 23.000 Stellen in Deutschland in den nächsten Jahren vorsieht. Wolfgang Porsche verteidigte die massiven Stellenstreichungen. Osterloh zeigte sich verwundert. "Da kann Herr Dr. Porsche gerne konkret mithelfen, die richtigen Strategien durchzusetzen. Das hilft dem Unternehmen mehr als der Besuch eines Autorennens in Bahrain", sagte er.

Die Familien Porsche/Piëch halten mehr als die Hälfte der stimmberechtigten VW-Stammaktien und haben damit die Macht bei Europas größtem Autobauer. Wolfgang Porsche war bisher ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zum Betriebsrat nachgesagt worden.

Manager-Boni und Kunden-Entschädigungen

Eine neue Debatte entbrannte auch wieder um die Bonuszahlungen an das Management. In Zeiten, in denen die Beschäftigten auch die Folgen des Abgas-Skandals mittragen müssen, solle auch das Management kürzer treten, forderte der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann, in der "Bild"-Zeitung: "Ein deutlicheres Signal wäre es, auch die Boni der letzten Jahre an den Konzern zurückzugeben." Das Top-Management bei Volkswagen solle so für das jüngste "Versagen" geradestehen.

Aktionärsvertreter sehen das ähnlich. "Die Vorstände können nicht für Erfolge bezahlt werden, die auf Software-Manipulationen und Betrug beruhen", meinte Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz im "Tagesspiegel". Das VW-Management hatte sich im Frühjahr bereiterklärt, Teile der variablen Vergütung zurückzustellen und von der weiteren Aktienkurs-Entwicklung abhängig zu machen. Der Umbau des Unternehmens, bei dem Milliarden durch Jobkürzungen eingespart werden sollen, ist auch Thema einer Regierungserklärung von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Dienstag.

Müller: Deutsche bei E-Mobilität inkonsequent

Im "Zukunftspakt" spielt auch der Ausbau der E-Mobilität eine zentrale Rolle. Der vom Dieselskandal schwer gebeutelte Autobauer solle "auch im Bereich Elektromobilität zum weltweit führenden Volumenhersteller" werden, hieß es in einem internen Informationsschreiben an die Mitarbeiter. VW-Chef Matthias Müller wies Vorwürfe gegen die Branche zurück: "Die Autoindustrie hat da nichts verschlafen. Am Angebot mangelt es nicht, sondern an der Nachfrage", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

Müller zeigte sich aber verwundert über die Autofahrer in Deutschland. "Auf der einen Seite denken und handeln viele Deutsche im Alltag grün, wenn es aber um E-Mobilität geht, haben wir als Verbraucher spitze Finger. So ganz habe ich dieses paradoxe Phänomen noch nicht verstanden", sagte der VW-Chef.

Im Dieselskandal wehrte sich Müller erneut gegen Kritik, dass der Konzern Autobesitzer in Europa nicht entschädige - anders als in den USA. "Emotional" könne er den Ärger von Kunden und Verbraucherschützern aber nachvollziehen. Aber: "Man kann das nicht über einen Kamm scheren, denn die Ausgangssituation ist völlig unterschiedlich", sagte Müller. "Den Kunden in Europa entsteht ja kein Nachteil, weder beim Verbrauch noch bei den Fahreigenschaften. Und wenn ich das anfügen darf: Auf der einen Seite kritisieren viele die amerikanische Gesetzgebung in anderen Zusammenhängen, siehe TTIP. Wenn es aber darum geht, selbst Vorteile daraus zu ziehen, scheint das amerikanische Recht auf einmal der richtige Weg zu sein."

Kritik an Müllers Äußerungen

Nicht nur Verbraucherschützer kritisierten die Aussagen. "Ich halte die Äußerung für mehr als ungeschickt", sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister und VW-Aufseher Olaf Lies (SPD) und betonte: "Das ist der völlig falsche Weg." VW habe das aber nun verstanden. Auch der CDU-Vizefraktionsvorsitzende Dirk Toepffer meinte: "Die Kommunikation des Konzerns ist unterirdisch." VW müsse nun endlich wieder in ein ruhigeres Fahrwasser kommen.

Anfang Dezember soll ein Zulieferer-Treffen mehr Klarheit für wichtige Lieferanten von Europas größtem Autobauer geben. "Der Ort steht noch nicht fest", sagte Lies nach einer Unterrichtung des zuständigen Landtagsausschusses in Hannover. Nach einem Auftakt in kleinerem Kreise werde eine Woche später in großer Runde getagt. Dafür werde der 6. Dezember als Datum angepeilt. Bei dem Treffen der niedersächsischen Zulieferindustrie soll es um Auswirkungen des Zukunftspakts gehen. Dieser sieht neben Reformen und Stellenabbau auch eine Neuausrichtung bei den Zukunftsthemen Elektromobilität und Digitalisierung vor. In Niedersachsen beschäftigt Volkswagen rund 110.000 Menschen, noch einmal so viele sind es in den Zulieferunternehmen.

Angesichts des Wandels der Mobilität gelte es auszuloten, wie die Zulieferer etwa über neue Komponenten daran teilhaben könnten, erklärte Lies. Er betonte, dass der Gipfel durchaus den Anstoß geben könnte für ein bundesweites Treffen dieser Art. (dpa)

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KOMMENTARE


HGS

21.11.2016 - 17:59 Uhr

Was verstanden?Herr Müller hat eigentlich rein gar nichts verstanden, somit kann ein Neuanfang auch nicht gelingen, vor allem wenn die Verbraucher in D und der EU vom Topmanager nicht ernst genommen werden.


MT

21.11.2016 - 18:23 Uhr

Nix dazu gelernt, während alle Hersteller seit Jahren e-Mobiliät anbieten, hat VW nur ein oder zwei Feigenblätter gehabt. Durch den Dieselgateskandal sind sie nun von Amerika und der aktuellen Diskussion ( zu gutter Letzt auch China ) dazu gezwungen zu handeln. Während Renault, Nissan, Toyota, Tesla und GM schon seit Jahren Modelle anbieten die eine ordentliche Reichweite haben, hat VW nur auf Diesel gesetzt, und dann ist der Verbraucher schuld. Wer kauft den die Toyotas und die anderen Modelle dieser Welt, nicht die Flotten- und Großkunden sondern die Verbraucher, aber anscheinend war man zu sehr auf diese Klientel fokussiert und VW hat den normalen Kunden nicht im Fokus gehabt. Stattdessen wurde mit immer stärkeren Motoren die Vertreterklientel gelockt und das mit dem größten Betrug in der deutschen Wirtschaft. Man vermisst die Demut bei diesen Managern, ob es um Bonis, Schuldeingeständnis oder einfach darum geht mal zu den Fehlern zu stehen. Leider ist dies kein Phänomen von VW sondern bei den anderen Herstellern und Managern genauso verbreitet. Nur der Druck des Konsumenten kann einen Paradigmenwechsel bewirken.


Sonja S.

22.11.2016 - 09:44 Uhr

Müllers Kommentar war wirklich unterirdisch formuliert. Auch wenn er im Kern natürlich recht hat. Viele Menschen haben die Voraussetzungen Elektroautos (VW unabhängig) zu nutzen wie Wohnumgebung (Einfamilienhaus/Reihenhaus mit Carport etc.) und Reichweite (Pendler, Zweitwagennutzer) und fahren trotzdem einen Benziner oder Diesel. Ebenso bei der Schadenersatzdebatte in Europa (kein Schadenersatz ohne Schaden heist es da im Recht). Aber, meine Güte Müller, muss man das so formulieren oder besser: Überhaupt in der aktuellen Zeit ansprechen? Hat man nicht genug Vorzeigeprojekte über die man reden könnte? Z.B. der Netzausbau mit BMW und Daimler gemeinsam? Oder die neue e-Auto Strategie? Nach dem Müller würde ich seinen Texteschreiber entlassen.


IB

29.11.2016 - 10:42 Uhr

Es mangelt sehr wohl am Angebot und nicht an der mangelnden Nachfrage!Wenn VW einen elektrischen \"Volkswagen\" anbieten würde, gute Reichweite, Schnellladenetz, preislich vergleichbar zum Diesel, werden sich die Kunden drum reißen!Also; die Herausforderung annehmen und nicht jammern! Ansonsten machen es die anderen vor wie es geht...


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