Opel muss Teile seiner Firmengeschichte neu schreiben: Bei einer Auktion sind Fotos eines bislang unbekannten Transporter-Prototypen aus den 1930er-Jahren aufgetaucht. Das Besondere: Der Lieferwagen verzichtete auf die damals übliche lange Motorhaube und setzte bereits auf die heute übliche Frontlenker-Bauweise. In Serie ging das Projekt 1.5-23 COE angesichts des heraufziehenden Weltkriegs jedoch nie.
Opel selbst bezeichnet die Bilder als "automobilhistorischen Paukenschlag". Sie seien im firmeneigenen Archiv nirgendwo vorhanden gewesen, keine einzige Publikation habe nach heutigem Kenntnisstand das Fahrzeug je erwähnt, heißt es in einer Mitteilung. Das Wissen um den einzigartigen Prototyp sei seit Jahrzehnten verschollen gewesen.
Opel Projekt 1.5-23 COE
BildergalerieInsgesamt acht Aufnahmen zeigen einen kompakten, fahrbereiten Opel Blitz-Transporter in Frontlenker-Bauweise. Der Motor liegt dabei nicht unter einer mehr oder weniger langen Haube, sondern unter beziehungsweise kurz vor der Sitzbank. Zu dieser Zeit eine ungewöhnliche Konstruktion, die aber eine kompaktere Bauweise bei großem Laderaum ermöglicht. Seinerzeit gab es nur wenige derartige Modelle, etwa von Goliath und Magirus, und die auch nur in kleiner Stückzahl. Heute hat sich diese Bauweise im Transporter-Segment genauso wie bei europäischen Lkw und Bussen durchgesetzt.
Das Projekt 1.5-23 COE kam aber zu früh, oder zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Leichte Nutzfahrzeuge waren als nicht kriegswichtig eingestuft, Opel musste mit einer erzwungenen Einstellung des Fahrzeugs rechnen und fing wohl daher erst gar nicht mit dem Bau an. Nach dem Krieg nahm Opel die Nutzfahrzeugproduktion wieder auf, baute aber zunächst leicht modifizierte Vorkriegsmodelle. Ab den 1950er Jahren konzentriert sich die Marke dann zunächst auf die Entwicklung von Personenwagen. Das Wissen über den Frontlenker-Prototypen ging somit verloren. Bis heute.
Ludger Wiedemeier