Gleich vorweg: Ja, im ersten Moment kommt man sich im Opel Rocks-e komisch vor. Vor allem dann, wenn die Menschen außerhalb der 3,5 Quadratmeter einen immerwährend anstarren und irgendwann zu grinsen anfangen. Das Schöne: Merkwürdig kommt man sich im Opel Rocks-e deswegen nicht vor. Um nur kurz den Unterschied zwischen komisch und merkwürdig anzudeuten. Warum machen wir das? Also das Fahren im Opel Rocks-e, einem Elektrofahrzeug, das bei 45 km/h hart eingebremst wird?
Weil wir viele Dinge ausprobieren und uns nur dann eine Meinung bilden können. Manchmal auch lange vor anderen, die uns eventuell noch belächeln. Und, um zu berichten und zu zeigen, was alles möglich ist – in der Welt der Mobilität und im Speziellen der Welt der Elektromobilität.
Und ganz ehrlich: Der Rocks-e hat – vor allem in Städten mit Parkplatzproblemen, also fast allen – seine Berechtigung. Nein, nicht als Dienstwagen, wohl aber im Fuhrpark des Unternehmens als Ergänzung oder Ersatz für die kurzen Strecken. Ganz nebenbei ist der Werbeeffekt höher als der eines jeden Lamborghini oder Mercedes G63.
Der Sympathiefaktor ebenfalls. Und da verzeiht einem die gehetzte Porschefahrerin, die man in den mickrigen Innen- und Außenspiegeln des Rocks-e meint erkennen zu können, dass man auf der Leopoldstraße in München ein Verkehrshindernis sei. Ein Lächeln kommt ihr beim Überholen dennoch über die Lippen. Ob aus Freundlichkeit oder Mitleid? Dank Botox schwierig zu erkennen.
Opel Rocks-e (Fahrbericht)
BildergalerieWir sind deutlich mehr als 200 Kilometer mit dem Rocks-e durch die Münchener City gestromert. Der Cityring ist dabei größtenteils tabu, denn da muss der fahrbare Untersatz 60 km/h schaffen. Macht aber nichts. Denn oftmals wuselt das 2,41 Meter kurze und nur 1,39 Meter breite Opelchen durch den zähfließenden Verkehr und wendet fast auf der Stelle, wenn Richtungswechsel angesagt sind. Mit 7,20 Metern Wendekreis rangiert er in der Smartklasse und rund drei Meter unter einem quirligen VW ID.3.
Parken ist eines der größten Trümpfe, die der Opel Rocks-e ausspielen kann. Notfalls quer. Allerdings ist Querparken wie Querdenken nicht erwünscht. Das eine wird aber meist toleriert. Eine Parkknolle haben wir uns dennoch eingefangen. Nicht beim Querparken, sondern im zeitlich befristeten Parkverbot. Mal sehen, ob der Strafzettel ankommt. Denn der Rocks-e hat ein Versicherungskennzeichen – wie ein Moped. Das bedeutet, dass keine Abfrage beim Kraftfahrtbundesamt zum Ziel (dem Halter) führt – Mikromobilität heißt für Ämter wohl Mikromanagement. Radarfallen in 30-er-Zonen verlieren ebenfalls ihren Schrecken. Rocks lautet das Kennzeichen des Opel Rocks-e vorne.
Wichtiger ist aber, dass der Rocks-e auch mit der Fahrerlaubnis der Klasse AM gefahren werden darf. Diese wird gemeinhin auch als Mopedführerschein bezeichnet und ist EU-weit ab 16 Jahren zulässig, in Deutschland kann er bereits mit 15 gemacht werden, dann aber bis zum 16. Lebensjahr nur inländisch genutzt werden. Somit ergeben sich – beispielsweise für Pflegedienste – neue Mitarbeitergruppen. Denn so können 16-Jährige in der Ausbildung schon mobilisiert werden – und incentiviert. Denn der Fachkräftemangel fängt bereits früh an.
Aber nicht nur diese autounerfahrene Zielgruppe wird überrascht sein, wie flink der Rocks-e von der Ampel weg loslegt. Bis 30 km/h ist man oft vorne, zwischen 30 und 45 km/h vergeht dann doch ein Augenblick mehr, aber meist schwimmt man homogen mit der Masse mit, denn die nächste Ampel ist nicht weit. 8 PS Dauerleistung gibt Opel an, in der Spitze sind es angeblich kurzzeitig 12 PS, die den (leer) 471 Kilogramm schweren Rocks-e ausreichend mobilisieren. Wer nun Ahnung hat, fragt sich, wie dieses 471-Kilgramm-Fahrzeug mit dem AM-Führerschein gefahren werden darf, dem eine Gewichtsobergrenze von 425 Kilogramm auferlegt ist. Antwort: Der 60 Kilogramm-Akku wird nicht mitgezählt.
Die großen Glasflächen lassen viel Licht hinein. Das Glasdach ist eher parataktischer Natur als cool. Denn wer an die Ampel heranfährt, sieht aufgrund der weit hinten positionierten Sitze und der fast senkrechten Scheibe, keine Ampel mehr, wenn kein Glasdach vorhanden wäre. Im Sommer heizt sich der kleine Marokkaner – er wird in Kenitra produziert, wo unter anderem der Peugeot 208 für Afrika vom Band rollt – daher auch ordentlich auf.
Die Klappscheiben à la Citroën 2CV (aka Ente) helfen, Luft ins Innere zu bringen, stören dann aber etwas beim Seitenblick. Eine Klimaanlage gibt es selbstverständlich nicht. Eine Lüftung und Heizung sehr wohl. Beides funktioniert leidlich gut. Wenn es kälter wird, empfiehlt sich nicht nur ein Jäckchen, sondern auch ein Wischtuch, um die beschlagenen Scheiben frei zu bekommen. Denn Feuchtigkeit gelangt immer wieder ins Innere und trocknet aufgrund der schwachen Heizung nur unzureichend.
Zu erkennen ist das auch an den rostigen Bodenschrauben, die bereits im sechs Monate alten Test-Rocks-e zu sehen waren. Da sollte der Stellantis-Konzern nachbessern – der Kleine wird in Frankreich beispielsweise als Citroën Ami verkauft und vermietet. Dort gibt es bereits eine praktische Cargo-Version mit cleverem Packsystem und den wirklich coolen Ami Buggy.
Das Platzangebot des Rocks-e reicht aus, um die üblichen Kurzstrecken zu absolvieren, der "Kofferraum" auch, solange man alleine unterwegs ist. Denn das Gepäckabteil befindet sich im Beifahrerfußraum, nicht wirklich gut abgetrennt. Ein Haken am Armaturenbrett hilft, Taschen zu fixieren. Eine Akkuladung hält man auf den harten Sitzen locker durch, eine Netzkonstruktion der Sitze, wie beim ersten Smart, wäre deutlich weniger schweißtreibend – das Loch in der Lehne ist sicherlich in guter Absicht reingeschnitzt worden, aber wenig hilfreich.
Ist der Akku leer, sind deutlich weniger als vier Stunden Ladezeit nötig, um die nutzbaren 4,7 kWh an der 230-Volt-Steckdose zu befüllen. Das gelingt über ein fest installiertes Drei-Meter-Kabel. Mittels Adapterstück auf Typ 2 können sogar öffentliche Ladesäulen und die Wallbox im Büro genutzt werden – freilich ohne Expresstempo. Schneller lädt er auch dort nicht. Dass der billig wirkende Adapter 230 Euro kostet ist weniger nervig als die Fummelei, um die drei Meter Ladekabel ohne Aufrollautomatik sowie den dicken Stecker bei geöffneter Beifahrertür in den hinteren Kotflügel zu zwängen – und dann nach spätestens 75 Kilometer wieder rauszuwurschteln. Immerhin, die Reichweite von 75 Kilometern haben wir stets erreicht, selbst bei hohem "Vollgasanteil".
Wer nun meint: Das ist doch was für uns, fragt sicherlich nach dem Preis. Knapp 7.400 Euro (netto) kostet der Rocks-e in der „Tekno“-version mit den gelben Applikationen und Ablagim Innenraum und damit in etwa so viel, wie ein S-Pedelec-Lastenrad – ups. Hinzu kommt die Lieferung zum Händler für saftige 350 Euro (brutto) oder in die Firma für nochmals 240 Euro mehr. Doch mit der Lieferung hapert es gerade. Ausverkauft heißt es von Opel.
Wie viele produziert oder verkauft wurden, will man indes nicht mitteilen. Und beim KBA werden die Zahlen aufgrund der Klassifizierung (L6e) nicht erfasst. Wie dem auch sei. Wer jetzt Lust bekommen hat, muss sich bis mindestens März 2023 gedulden. So leidet auch ein Lowtech-Produkt wie der Rocks-e – was nicht abwertend gemeint ist – am Mangel von Teilen und Elektronikbauteilen. Wäre die Lage für die Industrie und alle die da dranhängen nicht so ernst, könnte man jetzt wieder drüber lachen.