Die mögliche Übernahme von Opel durch den französischen Autokonzern PSA Peugeot Citroën hat die Bundesregierung auf den Plan gerufen. Das Bundeskanzleramt und verschiedene Minister wollen Gespräche mit Paris führen, wie Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin sagte. Ziel ist der Erhalt von Standorten und Jobs bei Opel. Aus dem französischen Wirtschafts- und Finanzministerium kamen ähnliche Signale.
Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig (SPD) soll die Verhandlungen von Bund und Ländern koordinieren. Darauf verständigten sich das Kanzleramt, die beteiligten Ministerien und die Bundesländer mit Opel-Standorten (Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen). Der SPD-Politiker soll Ansprechpartner für den Opel-Mutterkonzern General Motors, für PSA sowie Gewerkschaften und Betriebsräte sein. Machnig kennt Opel, er war früher Wirtschaftsminister in Thüringen. Dort produziert Opel in Eisenach Autos. Erste Kontakte zu GM und PSA gab es bereits. So berieten Unternehmensvertreter auch mit dem Wirtschaftsberater von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Lars-Hendrik Röller, über die Opel-Zukunft.
Berlin war von den Übernahmeplänen überrascht worden. Es herrscht Ärger, weil man von den Unternehmen und offensichtlich auch von der französischen Regierung vorab nicht informiert worden war. Die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen, wo Opel in Rüsselsheim seine Zentrale hat, warnte vor einer Hängepartie. Die Arbeitnehmer bräuchten rasch Klarheit, forderten Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) in Wiesbaden.
Verhandlungen sehr weit fortgeschritten
GM erwägt, das Unternehmen nach fast 90 Jahren an den französischen PSA-Konzern zu verkaufen, an dem der französische Staat 14 Prozent der Anteile hält. Nach Informationen des "Handelsblatt" sind die Verhandlungen schon sehr weit fortgeschritten und könnten innerhalb eines halben Jahres abgeschlossen sein. Im Fall einer Übernahme erwarten Experten eine schnelle Integration in den Entwicklungs- und Produktionsverbund von PSA, was zu massiven Arbeitsplatzverlusten führe könnte. Große Einschnitte sind etwa im Entwicklungszentrum am Stammsitz Rüsselsheim möglich, in dem rund 8.000 Leute arbeiten.
Schlimmer könnte es die GM-Werke in Großbritannien treffen, meint der britische Fusionsexperte John Colley von der Warwick Business School. PSA-Chef Carlos Tavares habe kaum eine andere Wahl, als die beiden Opel/Vauxhall-Produktionsstätten Ellesmere Port und Luton dicht zu machen, weil das den Konzern viel billiger kommen werde als Werkschließungen in Deutschland. Die GM-Fabriken in Osteuropa profitierten von den niedrigeren Lohnkosten und seien näher am Markt als die Werke auf der Insel. Das sei möglicherweise der erste Preis, den man für den Brexit zahlen müsse.
Die IG Metall hat sich bislang nur sporadisch geäußert und beim "Feuerwehr"-Besuch der GM-Chefin Mary Barra in Rüsselsheim intern die Lage sondiert. Der Opel-Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug will die Belegschaft gemeinsam mit dem IG-Metall- Bezirkssekretär Jörg Köhlinger am Freitag über die Lage ins Bild setzen.
Als Faustpfand verweist die Gewerkschaft auf einen Tarifvertrag zur Standortsicherung, der aktuell bis Ende 2018 für alle Werke betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Als Gegenleistung muss Opel die Tariferhöhungen aus dem Flächentarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie immer erst verzögert auszahlen. Die erstmals 2013 abgeschlossene Vereinbarung sollte den damaligen Sanierungskurs stützen und war zwischenzeitlich verlängert worden, weil Opel immer noch nicht aus der Verlustzone gefahren war. Sollte das Unternehmen die Konstruktion nach Ablauf verlassen wollen, würden sofort die aktuellen Tarifgehälter fällig, erläuterte ein Sprecher.
Frankreich will auf die Arbeitsplätze bei Opel achten
Aus Paris hieß es am Mittwochabend, Frankreich werde in diesem Szenario auf die Arbeitsplätze bei Opel achten. "Der Staat wird den Auswirkungen auf die Beschäftigung in allen betroffenen Ländern eine besondere Aufmerksamkeit schenken", sagte eine Mitarbeiterin des Wirtschafts- und Finanzministeriums der Deutschen Presse-Agentur.
Der Staat hielt zuletzt rund 14 Prozent an PSA Peugeot Citroën. Am Mittwoch habe es einen "sehr herzlichen Austausch" zwischen Wirtschafts- und Finanzminister Michel Sapin und der deutschen Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) gegeben, hieß es.
Zypries hatte auch telefonisch mit den Ministerpräsidenten der drei deutschen Opel-Länder die Lage erörtert. Die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) sagte, dabei seien auch mögliche Vorteile einer engeren Verbindung von Opel und PSA in den Blick genommen worden. Das Opel-Management in Rüsselsheim, Betriebsräte und die IG Metall seien an den Beratungen beteiligt gewesen.
"Man muss das nicht so negativ sehen"
"Generell kann man sagen, dass man das nicht so negativ sehen muss, sondern dass sich aus dieser Konstellation auch positive Effekte ergeben können", meinte Dreyer. So sei PSA in Frankreich und Südeuropa stark vertreten, während Opel in Deutschland, England und Osteuropa seine wichtigsten Absatzmärkte habe. Sie kritisierte die "Kommunikationspolitik" der Unternehmen - "ohne die erforderliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer".
Auch der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bemühte sich, nicht nur die Gefahren zu sehen. Man müsse Vertrauen und Transparenz sicherstellen. "Wenn dies gelingt, sehe ich für ein Zusammengehen von PSA und Opel mehr Chancen als Risiken", sagte er der "Thüringer Allgemeinen" (Donnerstag). "Dies gilt umso mehr, wenn GM als strategischer Kooperationspartner erhalten bliebe." (dpa)