Es gibt leichtere Berufe als Designer bei Audi. Die Kollegen aus der Technik bauen in den neuen Audi A4 alles ein, was gut, modern und teuer ist. Nur die Hülle, in die zum Schluss alles verpackt wird, darf sich nicht wirklich ändern. Um die doch recht konservative Kundschaft nicht zu verschrecken, muss so ein A4 immer aussehen wie ein A4. Zudem geht es ums Geld: Nicht auszudenken, wenn der meistverkaufte Audi ein Fehlschlag werden sollte.
Frank Lamberti, für das Exterieur-Design verantwortlich, sieht den Konflikt gelassen und sogar als Herausforderung. "Das ist ja das Spannende. Ein erfolgreiches Design weiterzuentwickeln, die wesentlichen typischen Merkmale beizubehalten und trotzdem ein völlig neues Modell zu schaffen". Da geht es zum Beispiel um den Kühlergrill, bei Audi "Singleframe" genannt. Das Erkennungsmerkmal aller Autos mit den vier Ringen wurde deutlich breiter und ein Stück niedriger. "Das verleiht dem A4 einen gewollt angriffslustigen Gesichtsausdruck", erklärt Lamberti. Dazu die neuen Scheinwerfer, deren unterer Rand gewagt gezackt ist und dessen LED-Lichtleiter zwei scharfe Winkel bilden. Zusammen mit anderen Maßnahmen ist die Frontpartie für die "klassenbeste Aerodynamik" zuständig. Der cW-Wert beträgt 0,23.
Dynamische Elemente
Ein weiterer Schritt zur Perfektion fällt erst beim zweiten Blick auf. Die Motorhaube wurde so präzise an die Kotflügel angepasst, dass der übliche Spalt optisch zu verschwinden scheint. Die übrig gebliebene schmale Linie setzt sich dann mit einem leichten Bogen durch die Türgriffe bis hin zum Heck fort. Der Designer, der sich mit dem Sportwagen R8 seine Meriten verdiente, erläutert: "Zusammen mit einer weiteren, ansteigenden Karosserielinie über den Schwellerleisten betonen wir damit die sportliche Streckung des A4". Die angestrebte Dynamik wird auch die integrierte Abrisskante auf dem Kofferraumdeckel belegt, eine elegante Art von Heckspoiler. Das Ergebnis der Feinarbeit kann überzeugen. Es gibt also durchaus Elemente, die den A4 nicht nur für Audi-Fans als Neuling erkennbar machen.
Verzichtet haben die Ingolstädter auf das sonst übliche heftige Größenwachstum eines neuen Modells. Mit seiner Länge von 4,73 Zentimetern ist der A4 bescheidene 2,5 Zentimeter länger als bisher, davon entfallen gut die Hälfte auf den um 1,2 Zentimeter gestreckten Radstand (jetzt 2,82 Meter). Die Breite wuchs um eine Fingerbreite auf 1,84 Meter. Unverändert blieb die Höhe: Mit 1,43 Metern ist er der Flachmann seiner Klasse, auch wenn der Abstand zum Beispiel zum BMW 3er gerademal zwei Millimeter beträgt. Die C-Klasse von Mercedes ist dagegen um gut 1,5 Zentimeter höher.
Gefahr ungewollten Kuschelns verringert
Am wichtigsten scheint der verlängerte Raum zwischen den Achsen. Vor allem die Fondpassiere profitieren von der Umgestaltung des Innenraums: Die um fast 2,5 Zentimeter gewachsene Beinfreiheit zur Rückseite der Vordersitze macht den Unterschied zwischen abgescheuerten Hosenbeinen in Kniehöhe und entspanntem Reisen. Trotz der sanft abfallenden Dachlinie bleibt Luft über dem Haupthaar und der ebenfalls großzügigere Abstand zum Nebenmann verringert die Gefahr ungewollten Kuschelns. Audi nimmt für sich jetzt in Anspruch, den geräumigsten Innenraum in der gehobenen Mittelklasse bieten zu können.
Natürlich hat auch das Audi-eigene "virtuelle Cockpit" Einzug gehalten, wenn man es denn gegen Aufpreis bestellen will. Es ersetzt die traditionellen Instrumente, hinter dem Lenkrad erscheint alles auf einem farbigen TFT-Bildschirm, dessen Gestaltung frei gewählt werden kann. Wird zum Beispiel die Karte des Navigationssystems aufgerufen, schrumpfen die Anzeigen von Tacho und Drehzahlmesser. Alles direkt im Sichtfeld des Fahrers, der Seitenblick zum zentralen Monitor in der Mitte entfällt. Bedient werden kann alles durch das bekannte Drehrad zwischen den Vordersitzen, dessen Oberfläche auch mit Fingern gemalte Buchstaben oder Zahlen erkennt. Zudem führen Tasten am Lenkrad oder Sprachbefehle durch die Menüs von Navigation, Telefon, Infotainment oder Internet-Zugang.
Reichlich Assistenzsysteme im Angebot
Wer genügend Geld in seinen neuen A4 investieren will, kann sich aus der Aufpreisliste nahezu alle bekannten Assistenzsysteme einbauen lassen. So wurden zum Beispiel die Funktionen des Abstandsradars erweitert: Bei einem Stau wird der Audi bis zum Stand abgebremst, fährt selbstständig wieder an, wenn die Kolonne sich in Bewegung setzt. In Kurven folgt er dann ebenso automatisch dem Vordermann. Der sogenannte Effizienzassistent hilft beim Spritsparen, verarbeitet die Daten von Navi und Frontkameras und verlangsamt vor Kurven, Ortschaften oder Kreuzungen frühzeitig das Tempo. Serienmäßig ist die Notbremsfunktion, deren Kameraaugen 100 Meter weit vorausschauen. Bis 85 km/h werden andere Autos oder auch Fußgänger erkannt, im Falle einer drohenden Kollision leitet der Bordrechner eine Notbremsung ein. Bis Tempo 40, so die Audi-Techniker, können Unfälle meist vermieden werden. Ist man bei Erkennen der Gefahr schneller unterwegs, werden zumindest die Unfallfolgen abgemildert.
Aus dem reichhaltigen Angebot an Motoren hat der künftige A4-Eigner die Qual der Wahl zwischen drei Benzinern und vier Dieseln. Im Schnitt ist der Normverbrauch um bis zu 21 Prozent zurückgegangen und die Leistung um 25 Prozent gestiegen. Verantwortlich dafür auch die Abspeckkur um bis zu 120 Kilogramm je nach Modell. Eine Version mit Gasantrieb folgt kurz nach Markteinführung. Im Gegensatz zur Mercedes C-Klasse und dem BMW 3er ist ein Plug-In-Hybrid derzeit nicht in Sicht. Verschiedene Varianten können mit dem Quattro-Allradantrieb bestellt werden. Die Preise stehen noch nicht fest. (sp-x)
Martin