AH: Mercedes-Benz stellt seine Niederlassungen ins Schaufenster – Ausverkauf oder "smart move"?
Jürgen Stackmann: Die Entscheidung des Mercedes-Vorstands, die deutschen Niederlassungen zu verkaufen, erscheint mir logisch und folgerichtig, birgt aber für den Hersteller sicherlich auch Risiken.
AH: Warum logisch und folgerichtig?
J. Stackmann: Mercedes-Benz hat sich entschlossen, das echte Agentursystem in Europa einzuführen und befindet sich mitten in dessen Umsetzung. Aus dem Pilotmarkt Österreich erreichen mich klare Signale, dass nach rund einem Jahr Einführungs-Schmerzen die Agentur für den OEM und den Handel inzwischen recht rund läuft – ein gutes Zeichen auch für den deutschen Markt. Die echte Agentur ermöglicht eine zentralisierte nationale Vertriebssteuerung inklusive Preis, Kundengruppe und Vertriebskanal. Zudem hat sich Mercedes wohl ca. 25 Prozent Direktverkauf vertraglich zusichern lassen.
AH: Wozu braucht der Konzern dann eigentlich noch eigene Handelsbetriebe?
J. Stackmann: Da wäre natürlich die gelebte Darstellung und Vermittlung der Markenwerte über die Mitarbeiter …
AH: … Aber tun das die besten freien Mercedes-Partner nicht auch in hervorragender Manier?
J. Stackmann: Da wäre die Fähigkeit zum Vertriebs-"Push" – und der bleibt auch in einem Agentursystem bestehen. Das können freie Partner für den Hersteller sicherlich auch lösen, zumal das Wettbewerbsrecht ehedem "Waffengleichheit" zwischen eigenem und unabhängigem Handel einfordert. Die Entscheidung zum Push und den notwendigen Mitteln dafür verbleibt also, wie bislang auch, weitgehend beim Hersteller.
AH: Wie steht es um die Repräsentanz der Marke in strategischen Flagship-Stores?
J. Stackmann: Die stehen bereits und sind rentabel für niemanden führbar. Hier wird Mercedes auch weiterhin mit Subventionen unter die Arme greifen müssen um die dicken Brocken schmackhafter zu machen – wohl in der Regel in "Paketen" mit wirtschaftlich interessanteren Betrieben. Das lässt sich weitgehend vertraglich regeln. Unterm Strich steht hier für mich zuerst einmal eine Riesenchance für aktive, größere und investmentstarke Handelsgruppen auf dem Papier. Möge das Rennen beginnen! Das Mercedes-Team um Britta Seeger wird sich sicherlich gut überlegt haben, dass dieser Schritt endgültig sein wird – einmal verkauft ist halt "weg".
AH: Und für Mercedes?
J. Stackmann: Mercedes braucht Geld zur Finanzierung der Transformation zum "Zero emission"-Luxushersteller. Dazu leistet der Verkauf der eigenen Organisation sicherlich einen Beitrag. Wichtiger für die Börsennotierung ist wahrscheinlich aber die Senkung der Struktur- und Vertriebskosten durch das Outsourcing von ca. 8.000 Mitarbeitern mit Gehaltsstrukturen deutlich oberhalb des üblichen Handels-Branchenschnitts.
AH: Hierhin liegt wahrscheinlich auch das höchste kurzfristige Risiko für MB. Was denken Sie: Werden der Betriebsrat und die vielen Mitarbeiter diesen Weg mitgehen oder nicht?
J. Stackmann: Das werden die kommenden Wochen und Monate zeigen.
AH: Herzlichen Dank!
Mehr zum Thema lesen Sie hier:
- Mercedes-Niederlassungen: "Die Hersteller waren noch nie die besten Autoverkäufer"
- AUTOHAUS-Kommentar zu Mercedes-Plänen: Bares für Rares
- Verkaufspläne für Niederlassungen: "Mercedes an stabilen unternehmerischen Gebilden interessiert"
- ZDK-Präsident Joswig zu Mercedes-Plänen: "Stationärer Automobilhandel unverzichtbar"
Rudi S.
J.Schwab
FW