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Mercedes-Niederlassungen: "Die Hersteller waren noch nie die besten Autoverkäufer"

24.01.2024 15:48 Uhr | Lesezeit: 4 min
Sascha Röwekamp, Geschäftsführer RWKMP -> Vertrieb der Zukunft
Sascha Röwekamp, Geschäftsführer RWKMP -> Vertrieb der Zukunft
© Foto: RWKMP

Vertriebsexperte Sascha Röwekamp schätzt ein, was Mercedes-Benz zum weiteren Verkauf seiner Own-Retail-Standorte motiviert – und welche Konsequenzen das mit sich bringt.

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Als Mitglied der Beresa-Geschäftsleitung übernahm Sascha Röwekamp 2015 die Niederlassung Ostwestfalen Lippe mit den Standorten Bielefeld, Detmold & Gütersloh von Mercedes-Benz. Seitdem hat er als Berater unter anderem die Mercedes-Benz Leasing Deutschland GmbH unterstützt. Für AUTOHAUS schätzt der Experte ein, was den Stuttgarter Autobauer zum weiteren Verkauf seiner Own-Retail-Betriebe motiviert – und welche Konsequenzen das mit sich bringt.

AH: Herr Röwekamp, Sie haben selbst bei einer Übernahme von Mercedes-Banz-Autohäusern mitgewirkt. Was hat den Hersteller damals motiviert – und ist es heute dieselbe Motivation?

Sascha Röwekamp: Ja, das stimmt, ich war 2015 bei der Übernahme der Niederlassung Ostwestfalen Lippe durch die Beresa Gruppe aus Münster beteiligt. Die damaligen Beweggründe waren identisch mit denen, die heute vorherrschen. Es handelte sich gewissermaßen um die ersten Pilotprojekte, bei denen Niederlassungen an Vertreter übergeben wurden, um zu testen, wie dieses Modell funktioniert. Diese Erfahrungen bilden nun die Grundlage, um den Prozess konsequent fortzusetzen.

AH: Der Betriebsrat spricht schon von einem "Schlag ins Gesicht": Was denken Sie: Wird es für die Mitarbeiter wirklich so schlimm werden?

S. Röwekamp: Man muss hier zwischen dem emotionalen und dem faktisch-sachlichen "Schlag" unterscheiden. Für die Niederlassungen besteht eine vereinbarte Beschäftigungsgarantie, die noch viele Jahre Gültigkeit hat. Aus meiner Erfahrung mit der Übernahme der Niederlassung Ostwestfalen Lippe weiß ich, dass Mercedes enormen Wert darauf legt, einen Käufer zu finden, der verantwortungsvoll mit den Mitarbeitern umgeht, tarifgebunden ist und sozial verträgliche Maßnahmen ergreift. Daher ist es zu früh, von einem "Schlag" zu sprechen.

AH: Können Sie die Reaktion trotzdem verstehen?

S. Röwekamp: Emotionale Betroffenheit ist natürlich verständlich, da für die Mitarbeiter ein Wechsel vom Hersteller zum Verkauf bedeutend ist und sie eine starke Bindung zu Mercedes-Benz haben. Zum Beispiel, dass sie in ihren Werkstätten keine anderen Marken wie BYD reparieren, kann sich ändern, wenn sie zu einem unabhängigen Händler wechseln. Mercedes-Niederlassungen sind auch Teil des Konzerns und profitieren von Erfolgsbeteiligungen, was bei einem neuen Eigentümer anders sein könnte. Es ist also noch zu früh, um zu sagen, wer sich hier besser oder schlechter stellt. Es gibt viele Aspekte, die sich verbessern könnten, aber die emotionale Reaktion ist nachvollziehbar.

AH: Mercedes hat erstmal nur angekündigt, verkaufen zu wollen. Wie leicht wird ein solcher Verkauf überhaupt? Gibt es Nachfrage?

S. Röwekamp: Es besteht definitiv eine Nachfrage, da viele Mercedes-Benz Vertreter daran interessiert sind, ihre Netze sinnvoll zu erweitern und darauf warten, die Niederlassungen zu übernehmen. Die eigentliche Herausforderung wird sein, wer die Übernahme stemmen kann. Die zum Verkauf stehenden Niederlassungen, wie Hamburg, Düsseldorf und München, befinden sich in Metropolregionen. Bei einem möglichen Verkauf ist daher auch die Neubewertung der Grundstücke relevant. Die Betriebe liegen auf sehr hochwertigen Grundstücken, deren Wert allein schon in die Hunderte Millionen gehen kann. Es wird interessant sein zu sehen, welche Autohausgruppe die Finanzierung sichern kann und ob es sich für sie rechnerisch lohnt. Es könnte auch andere Möglichkeiten geben, wie zum Beispiel Pachtmodelle, bei denen die Grundstücke im Eigentum des Herstellers bleiben. Genau aus diesem Grund sagt Mercedes, dass er verschiedene Verkaufsmöglichkeiten prüft.

AH: Wer könnte als Käufer in Frage kommen? Worauf legt Mercedes-Benz dort Wert?

S. Röwekamp: Mercedes-Benz legt besonders großen Wert darauf, dass es bei den Käufern keine reinen Finanzinvestoren sein werden, da das Autohausgeschäft sehr komplex und kompliziert ist. Ziel ist es, strategische Partnerschaften im Händlernetz zu fördern. Zudem wird Wert darauf gelegt, dass die Käufer verantwortungsvoll mit den Mitarbeitern umgehen, eine gute Reputation im Markt haben und Experten im Mercedes-Geschäft sind. In Frage kommen daher renommierte deutsche Autohandelsgruppen, die bereits Erfahrung mit der Übernahme von Niederlassungen haben.

AH: Und die befürchteten ausländischen Investoren?

S. Röwekamp: Die letzten Firmenverkäufe, wie beispielsweise der Torpedo Garage, haben gezeigt, dass auch chinesische Investoren und solche aus skandinavischen Ländern oder anderen europäischen Staaten, die im Automobilgeschäft erfolgreich sind, eine Chance bekommen werden. Mercedes-Benz positioniert sich zunehmend europäischer, weshalb nicht ausschließlich deutschen Händlern Angebote gemacht werden, sondern auch internationalen Investoren in Deutschland. Dies ist eine neue Entwicklung der letzten Jahre, die zuvor undenkbar war.

AH: Halten Sie die Entscheidung zu verkaufen aus Mercedes-Sicht für langfristig gut?

S. Röwekamp: Definitiv halte ich die Entscheidung für gut. Offen gesagt, ist der Hersteller in erster Linie ein Produzent von Fahrzeugen und betreibt nun auch Direktvertrieb. Auch wenn ich die Menschen bei Mercedes sehr schätze, muss ich sagen, dass der Hersteller nie der beste im Autoverkauf war. Das hat stets der Handel bewiesen, denn Verkaufen und Reparieren sind seine Hauptaufgaben. Ein Händler muss sich nicht mit Produktzyklen oder der Produktion auseinandersetzen und hat nicht die großpolitischen Herausforderungen eines international agierenden Konzerns. Ein Autohändler kann regional denken und ist schneller und agiler als ein großes Unternehmen. Mittelständler sind am Markt sehr beweglich, und gerade im Autoverkauf ist das ein wichtiger Faktor.

AH: Welche Rolle spielt die Verwurzelung vor Ort?

S. Röwekamp: Netzwerke vor Ort und regionale Verbindungen sind entscheidend, denn Autos werden immer noch von Menschen an Menschen verkauft, und Vertrauen spielt dabei eine große Rolle. "Schuster, bleib bei deinen Leisten" – es ist absolut sinnvoll, weil das deutsche Händlernetz bewiesen hat, dass es Mercedes-Benz gut verkaufen kann und einen guten Job beim Kunden macht. Daher ist es nur richtig, den Handel am Point of Sale zu stärken. Der digitale Vertrieb bleibt beim Hersteller, und es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich er damit sein wird. Ob dieser Weg final ist oder ob Teile davon wieder in den Handel zurückfließen, wird sich zeigen. Aber die Entscheidung, den physischen Verkauf zu stärken und auszulagern, ist absolut richtig.

AH: Welche Probleme erwarten den potenziellen Käufer in den Autohäusern? Was muss dort geändert werden?

S. Röwekamp: In meiner Erfahrung trifft der potenzielle Käufer in der Regel auf ausgezeichnetes Personal in den Niederlassungen – gut ausgebildet, hochqualifiziert und engagiert. Die Herausforderung besteht jedoch darin, dass diese Niederlassungen oft unter stark strukturierten und hierarchischen Bedingungen arbeiten mussten, die durch jahrzehntelange Konzernvorgaben geprägt sind. Dies beinhaltet eine hohe Anzahl an Betriebsvereinbarungen und viel Bürokratie, was bei der Zusammenarbeit mit einem Weltkonzern unvermeidlich ist. Wenn ein Mittelständler auf solche Konzernstrukturen trifft, prallen zwei Welten aufeinander. Die größte Herausforderung wird es sein, die Mitarbeiter mitzunehmen und die Umstellung auf eine leistungsorientierte Arbeitsweise zu bewerkstelligen, was Jahre dauern kann.

AH: Also ein langer Weg?

S. Röwekamp: Diese Transformation ist weder in Tagen noch in Monaten zu bewältigen. Neben diesen Herausforderungen darf man nicht vergessen, dass es auch Investitionsstau geben kann. Zwar nicht in den Hauptniederlassungen der Großstädte, aber in kleineren, angeschlossenen Centern, wo der Konzern möglicherweise in der Vergangenheit nicht ausreichend investiert hat, könnte es notwendig sein, in Gebäude und Infrastruktur zu investieren.

AH: Herzlichen Dank

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KOMMENTARE


Ex Insider

27.01.2024 - 11:01 Uhr

Mir begründet Hr. Röwekamp seine Thesen zu wenig. Warum muss sich eine Niederlassung mehr „mit Produktzyklen oder der Produktion auseinandersetzen“ als ein Händler? So lange ich selbst Führungskraft in den Niederlassungen war stand die Leistungsseite nie in der Kritik, es war immer die Kostenseite. Niederlassungen als organisatorisch getrennte Einheiten können durchaus regional orientiert erfolgreich am Markt agieren. Ich denke das haben sie gezeigt. Aber ja: Bürokratie und Hierarchie waren (sind?) ein Problem. Auch die unsägliche regelmäßige Landverschickung der Führungskräfte war das früher. Nur: Ist das innerhalb von großen Handelsgruppen anders, die deutschland- oder gar europaweit agieren? Ich glaube auch da kann die Regionalität besser oder schlechter gelingen und die Atmosphäre eines inhabergeführten Autohauses ist auch dort natürlich nicht gegeben. Machen wir uns nichts vor: Letztendlich sind die großen Handelsgruppen auch nichts anderes als Konzerne - mit allen Vor- und Nachteilen.


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