Von Michael Gebhardt/SP-X
Benzin ist in den USA, verglichen mit unseren Preisen, immer noch spottbillig und abgesehen von den Küstenregionen begegnen Elektroautos den meisten Amerikanern nur in den Abendnachrichten, wenn mal wieder eine Batterie in Flammen aufgeht. Zwischen Kentucky und Nevada sind nach wie vor große Autos mit noch größeren Motoren das Maß der Dinge. Die aber sind nicht gerade geeignet, um die strengen, ab 2025 geltenden Abgas-Grenzwerte einzuhalten. Den voluminösen V-Achts das Spritsparen zu lehren, ist eine Mammutaufgabe, das Volk von kleineren, effizienteren Fahrzeugen – womöglich mit E-Antrieb – zu überzeugen aber auch. Wie praktisch wäre es da für die Autoindustrie, wenn die erlassenen Regelungen noch einmal korrigiert würden – schließlich sind sie eine Errungenschaft der Obama-Regierung, und die ist, wie wir seit kurzem wissen, bald Geschichte.
Nur wenige Tage vergingen nach der Präsidenten-Wahl, bis sich die Alliance of Automobile Manufacturers, ein Verband dem unter anderem GM, Ford und Toyota angehören, beim neuen Mann im weißen Haus zu Wort gemeldet hat. In einem Brief fordern sie Trump auf, "einen Zukunftsweg zu finden", wenn es darum geht, kommende Effizienz-Standards zu definieren und die bestehenden Regeln "zu harmonisieren und anzupassen" – was nichts anders heißt, als die strengen Vorgaben aufzuweichen. Bei einem Präsidenten, der den Klimawandel oft schon in Frage gestellt hat, dürften solche Vorschläge durchaus auf offene Ohren treffen.
Äußern will sich von den Herstellern dieser Tage auf der Los Angeles Auto Show (bis 27. November) dazu freilich noch niemand. Schaut man sich allerdings auf der Messe um, könnte man meinen, Obamas Pläne seien schon abgeschrieben. Elektro-Autos? Hybrid-Modelle? Ja, die gibt's, aber in der ersten Reihe der Messestände stehen (wieder) große Verbrenner-Modelle. Chevrolet beispielsweise stellt den Colorado ZR2 in den Mittelpunkt, einen Pick-up mit Vier- oder Sechszylinder-Benziner; GMC setzt beim artverwandten Sierra 2500 HD sogar auf einen Diesel mit Sage und Schreibe 6,6 Liter Hubraum. Das sind nur zwei von vielen Beispielen, und auch abseits der Trucks scheint das Thema Elektrifizierung keine große Rolle mehr zu spielen: Statt einer E-Version des Sentras legt Nissan lieber eine Nismo-Tuning-Version auf. Kia schiebt beim – bereits mit Stromantrieb erhältlichen – Soul einen neuen, starken Turbo-Motor nach und Ford zeigt sein neues Mini-SUV Ecosport ebenfalls nur konventionell betrieben.
Alternatives kommt von den Europäern
Die Umwelt-Fahne wird, abgesehen von ein paar Öko-Modellen, wie der nicht mehr ganz brandneuen Hyundai-Ioniq-Flotte, vor allem von den Europäern hochgehalten: Smart zeigt, wenn auch ebenfalls etwas versteckt, erstmals seine Strom-Versionen in Amerika, VW stellt den serienfertigen E-Golf aus, Mini zeigt die Hybrid-Variante des Countryman und Jaguar präsentiert sein Elektro-SUV I-Pace, das noch 2018 auf den Markt kommen soll. Damit wollen die Briten Mercedes in die Parade fahren, die in Paris ihr E-SUV EQC als Studie gezeigt und auch gleich eine neue Sub-Marke gegründet haben. Und selbst Sportwagen-Spezialist Porsche hat erkannt, dass es ohne Strom nicht mehr geht: Der Panamera E-Hybrid feiert seine USA Premiere, und zukünftig ist der Doppelherz-Antrieb auch erstmals in der Executive-Langversion erhältlich.
Ob sich Donald Trump im Januar, wenn er im Oval Office eingezogen ist, wirklich zu Korrekturen der geplanten Abgasgrenzwerte für den US-amerikanischen Markt hinreisen lässt, steht noch in den Sternen. Zumindest lässt seine jüngst Forderung nach einem Schutzwall um einen seiner Golfplätze in Irland, der den steigenden Meeresspiegel in Zaum halten soll, Hoffnung aufkommen, dass der zukünftige Präsident die Zeichen des Klimawandels doch erkannt hat. Und natürlich wird auch der Republikaner die Trendwende hin zum Elektroauto nicht mehr aufhalten können. Verzögern allerdings könnte er sie durchaus.