Ausgabe 05/2010: „Keine Denkverbote“

„Keine Denkverbote“Politik E Bundesverkehrsminister Ramsauer über den wachsenden Verkehr, Mobilitätskonzepte und die Förderung alternativer Antriebe.von Ralph M. MeunzelÜber Staus auf Autobahnen, die Finanzierung des Straßenbaus, eine mögliche Pkw-Maut und die Haltung der Politik zu alternativen Antrieben sprach AUTOHAUS mit Dr. Peter Ramsauer, dem Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.AH: Herr Ramsauer, Hauptfeind des Autofahrers ist der Stau. Besonders der Lkw-Verkehr soll bis zum Jahr 2025 um 75 Prozent zunehmen. Wie sieht das Anti-Staukonzept der Bundesregierung aus?P. Ramsauer: Ich setze mich dafür ein, einen möglichst großen Teil des Güterverkehrswachstums auf die Schiene zu bekommen. Das Ziel heißt: Weniger Abgase und weniger Staus auf den Autobahnen. Dafür müssen Straße, Schiene und Wasserwege an den Schnittstellen optimal miteinander verknüpft werden. Wir investieren in den kombinierten Verkehr, damit Container einfacher und schneller vom Lkw auf einen Waggon oder ein Schiff geladen werden können. Für den Güterverkehr auf der Straße ist es notwendig, die Autobahnen und Bundesstraßen bedarfsgerecht um- und auszubauen. Dabei müssen Baustellen aber so rasch wie möglich beendet werden. Wir haben den Ländern, die für die Ausführung der Straßenbauarbeiten zuständig sind, einen ganz konkreten Bauzeitenkatalog vorgegeben. Wenn man das gesamte Tageslicht nutzt, sind Verkürzungen der Bauzeiten bis 30 Prozent möglich. Schließlich werden wir den Verkehr besser lenken, und zwar durch den gezielten Einsatz von Verkehrstelematik. Intelligente Anlagen regeln flexibel und der jeweiligen Verkehrssituation entsprechend die Geschwindigkeit oder geben Seitenstreifen frei.AH: Welche Mobilitätskonzepte, besonders in Städten, werden politisch unterstützt? Wo setzt man hier die Prioritäten?P. Ramsauer: Auch in unseren Städten wird der Verkehr zunehmen. Gleichzeitig haben wir viele Pendler, die in ländlichen Gebieten wohnen. Stadt und Land sind eine Einheit. Wir müssen deshalb die städtische und verstärkt die ländliche Infrastruktur so organisieren, dass alle Mobilitätsbedürfnisse befriedigt und gleichzeitig Umwelt und Klima geschont werden. Jedes Verkehrsmittel –Auto, Bus, Bahn und das Fahrrad – hat seine spezifischen Stärken und Vorteile. Diese müssen wir optimal nutzen und miteinander verzahnen. Die Menschen sollen auch weiterhin mit dem Auto zur Arbeit oder zum Einkaufen fahren können. Innerstädtische Fahrverbote oder eine City-Maut lehnen wir ab. Gleichzeitig brauchen wir einen attraktiven Öffentlichen Personennahverkehr. Bei einem guten Angebot an Bussen und Bahnen steigen mehr Menschen um. Wir wollen möglichst viel Verkehr auf die umweltfreundlichen Verkehrsmittel verlagern. Das schafft auf den Straßen die notwendigen Freiräume für diejenigen, die nicht auf die Nutzung des Autos verzichten können.AH: Warum ist es generell nicht möglich, dass Minicars, wie z. B. der Smart, quer parken können oder man sich einen Parkplatz teilt, um Anreize zu schaffen?P. Ramsauer: Aus Gründen der Verkehrssicherheit ist das Querparken nur an bestimmten Orten erlaubt. Grundsätzlich gilt: Es muss parallel zum Fahrbahnrand gehalten und damit auch geparkt werden. Passen mehrere Fahrzeuge hintereinander auf einen Parkplatz, so ist dagegen nichts einzuwenden. Auch die Länder lehnen eine Änderung der Rechtslage wegen Sicherheitsbedenken einvernehmlich ab.FinanzierungAH: Der Ausbau der A 8 wird von privaten Investoren finanziert. Wird dieses Konzept künftig auf weitere Projekte übertragen?P. Ramsauer: Wir haben mit den bisherigen Projekten gute Erfahrungen gemacht und gehen jetzt die zweite Tranche mit acht Projekten an. Wir wollen noch mehr privates Kapital mobilisieren und weitere Öffentlich-Private Partnerschaften anstoßen. Mithilfe privater Investoren wird schneller gebaut und die Straße wirtschaftlich betrieben bzw. erhalten. Pkw-MautAH: Kommt die Autobahnmaut für Pkw? Damit könnten dann auch ausländische Besucher zur Kasse gebeten werden.P. Ramsauer: Dies würde aber auch eine weitere Belastung für deutsche Autofahrer bedeuten, die ich strikt ablehne. Die Einführung einer Pkw-Maut steht nicht im Koalitionsvertrag und auch nicht auf der Tagesordnung. Mir geht es um die Frage, wie wir die Stabilität und Kontinuität der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung in der Zukunft sichern können. Hierzu werden wir in den nächsten Jahren ein Konzept mit Experten und Wissenschaftlern beraten. Dabei gibt es in meinem Haus keine Denkverbote. AH: Hinsichtlich der alternativen Antriebe sind E-Mobile, Hybrids und Brennstoffzellenautos im Gespräch. Wie sieht Ihre politische Vorgabe aus?P. Ramsauer: Deutschland soll Leitmarkt für Elektromobilität werden. Wir verfolgen daher einen technologieoffenen Ansatz. Unser Ziel steht: Bis zum Jahr 2020 sollen 1 Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen fahren. Es soll und wird mehr Hybrid-Antriebe geben – auch im Nutzfahrzeugbereich. Und wir bauen den Markt für Wasserstoff- und Brennstoffzellenfahrzeuge auf. Die Industrie hat hier ebenfalls signalisiert, ab dem Jahr 2015 mit mehreren Hunderttausend Brennstoffzellenfahrzeugen auf den Markt zu kommen.AH: Wird beispielsweise der Ausbau von Wasserstofftankstellen (Brennstoffzelle) oder Elektro-Stationen gefördert?P. Ramsauer: Wir wollen vor allem wichtige Erkenntnisse zur Standardisierung gewinnen. Wir starten in unseren Modellregionen mit großen Testreihen und den unterschiedlichsten Ladetechnologien. Es sind bereits mehrere hundert Ladepunkte entstanden. Gleiches gilt übrigens für die Infrastruktur zur Wasserstoffversorgung von Bennstoffzellenfahrzeugen. Wir haben im Rahmen des „Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ und des Projektes „Clean Energy Partnership“ bereits eine Reihe Wasserstofftankstellen aufgebaut, die einwandfrei funktionieren und alltagstauglich sind. Förderung von E-MobilenAH: Wird die Bundesregierung den Kauf von E-Mobilen finanziell unterstützen?P. Ramsauer: Wir fördern die Elektromobilität schon jetzt mit hohen Summen. Unser „Nationales Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ ist mit 700 Millionen Euro ausgestattet. Den gleichen Betrag stellt die Industrie bereit. Hinzu kommen 500 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II, davon 115 Millionen für unser Förderprogramm „Modellregionen Elektromobilität“. Auch hier beteiligt sich die Industrie. Das sind insgesamt rund 2 Milliarden Euro, die wir jetzt erst einmal sinnvoll umsetzen. Wir wollen es ermöglichen, dass marktreife und massentaugliche Elektrofahrzeuge entwickelt werden können. Erst wenn diese käuflich sind, macht es Sinn, über Kaufanreize nachzudenken. Sollte sich herausstellen, dass wir diese brauchen, könnte ich schnell reagieren und ein Programm auflegen.AH: AU und HU wurden zum 1. Januar zusammengeführt. In welche Richtung sollte die Abgasuntersuchung beim Dieselmotor weiterentwickelt werden?P. Ramsauer: Die Bundesregierung passt die Vorschriften über die regelmäßige technische Überwachung von Fahrzeugen kontinuierlich an den Stand der modernen Fahrzeugtechnik an. Das fordern wir auch in den dafür zuständigen internationalen Gremien ein. Die Prüfregelung für die Dieselfahrzeuge, die eine Messung der Abgastrübung bei freier Beschleunigung vorsieht, basiert auf einer EU-weit geltenden Richtlinie. Deutschland hat die EU-Kommission mehrfach aufgefordert, die Vorschriften zur Abgasmessung an den technischen Stand anzupassen. Daraufhin hat Brüssel zugesagt, dies in diesem Jahr zu tun. Derzeit gilt: Bei den mit On-Board-Diagnose(OBD)-System ausgerüsteten Diesel-Fahrzeugen kann in Deutschland bereits auf die Messung der Rauchgastrübung verzichtet werden, wenn bei den Prüfungen durch das OBD-System kein Fehler festgestellt worden ist. Die Überwachungsfunktionen der Systeme bei Euro 5 und insbesondere der geplanten Euro 6 sind deutlich erweitert. AH: Herr Dr. Ramsauer, vielen Dank für das Gespräch.

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