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IAA des Umbruchs: Zwischen Dieselangst und "New Mobility"

11.09.2017 15:56 Uhr
Die 67. IAA startet am Dienstag mit dem ersten von zwei Pressetagen.

Noch nie war die Zukunft des Autos so ungewiss wie zu dieser IAA. Die Hersteller ringen um umweltgerechte Alternativen zu Verbrennungsmotoren. Gleichzeitig könnten digitale Technologien das Autofahren grundsätzlich verändern.

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Von Christian Ebner, dpa, und Marco Engemann, dpa-AFX

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich im Bundestagswahlkampf recht deutlich von der Autoindustrie distanziert – zum Messe-Heimspiel der deutschen Schlüsselbranche kommt die Regierungschefin aber dennoch. Zwischen Dieselangst und "New Mobility" sucht die Internationale Automobilausstellung (IAA;14. bis 24. September) in Frankfurt sowohl nach Antworten in der aktuellen Vertrauenskrise als auch nach neuen Mobilitätskonzepten.

Der Präsident des deutschen Auto-Branchenverbands VDA, Matthias Wissmann, würde am liebsten nur über das Morgen reden. "Das Auto der Zukunft fährt vernetzt und automatisiert. Keine andere Automobilmesse setzt den Schwerpunkt Digitalisierung so stark wie die IAA", kündigte der Lobbyist zur inzwischen 67. Ausgabe der IAA an.

Stolz präsentiert der Verband große IT-Firmen wie Google, SAP und Facebook sowie den Chip-Riesen Qualcomm als Messeteilnehmer. Mit den Daten-Giganten wird man zusammenarbeiten müssen, wenn zukünftige Autos mit ihrer Umgebung Informationen austauschen sollen – eine unverzichtbare Bedingung für vernetztes und autonomes Fahren.

Globale Aussichten rosiger als auf dem Heimatmarkt

Die globalen Aussichten sind ohnehin deutlich rosiger als auf dem vom Dieselskandal schwer erschütterten Heimatmarkt, den die Hersteller mit kräftigen Rabatten pushen müssen. 85,3 Millionen Autos werden nach Berechnungen des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen voraussichtlich 2017 weltweit verkauft, 2,6 Prozent mehr als 2016.

Die deutschen Hersteller haben im vergangenen Jahr von ihren oft hochklassigen und teuren Modellen fast 16 Millionen Stück abgesetzt. Ein gutes Drittel (5,7 Millionen) davon wurde im Inland zusammengebaut, mehr als 800.000 Arbeitsplätze hängen direkt an der Kernbranche.

Bis 2020 zeichnet Autoexperte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler aber ein eher düsteres Bild. Ein Mix aus stark steigenden Kosten für Elektrofahrzeuge und die Dieselprobleme dürften die Gewinne unter Druck setzen. "Mit Dieselautos hat man immer schon mehr Geld verdient als mit Benzinern", erklärt der Analyst. Doch der Dieselanteil bei neuen Autos rutscht in Deutschland derzeit immer stärker ab.

Das bei Autobesitzern unliebsame Schlagwort "Diesel-Fahrverbot" nehmen Politiker vor der Bundestagswahl zwar nur ungern in den Mund – aber die Diskussion schwelt weiter. "Das Risiko von Fahrverboten für Diesel wird bestehen bleiben", glaubt Pieper. Auch nach den Umstiegsprämien werde es wohl bei hohen Rabatten bleiben müssen. Ob und wie Dieselmotoren selbst neueren Typs nachgerüstet werden können, um die Stickoxidbelastung in den Städten zu senken, darüber tobt auch nach dem Dieselgipfel weiter ein erbitterter Streit.

Gut für kommende Herausforderungen aufgestellt

Die Auto-Analysten der Commerzbank sehen die deutsche Industrie dank starker Bilanzen in den vergangenen Jahren dennoch gut für die kommenden Herausforderungen aufgestellt. Zwar werde die neue Dieselangst von den Privatkunden wegen stark rückläufiger Restwerte zwangsläufig auch auf das Flottengeschäft übergreifen, aber letztlich nur den anstehenden Transformationsprozess und Strategiewandel beschleunigen, schreibt das Team um Cedric Perlewitz. "Eigentlich hatten sich die deutschen Autohersteller auf einen Massenmarkt mit Elektroautos erst gegen Ende des nächsten Jahrzehnts eingestellt."

Nun muss alles deutlich schneller gehen, mit höheren Kosten für Forschung und Entwicklung sowie mit weiterhin großen Fragezeichen bei der Lade-Infrastruktur. Die Commerzbank-Experten erwarten daher mittelfristig deutlich mehr Hybrid-Motoren als Zwischenschritt.

Die Autoriesen werden sich maßgeblich am Aufbau der Ladeinfrastruktur beteiligen müssen, betont Fachmann Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft. Nur so könne das "Henne-Ei-Problem" für den Hochlauf der E-Mobilität gelöst werden: "Aus Kundensicht sind E-Autos als Erstwagen nicht akzeptabel, solange keine verlässlichen faktischen Lademöglichkeiten entlang der Routen bestehen."

Beim autonomen Fahren halten die deutschen Hersteller und Zulieferer laut Commerzbank 58 Prozent der weltweiten Patente und dürften auf der Messe Einiges zeigen. VW hat etwa das bereits in Genf vorgestellte Robotaxi "Sedric" am Start und könnte mit neuen Details überraschen. Die Wolfsburger greifen den Trend auf, gerade in urbanen Räumen die Fahrzeuge stärker zu teilen und besser auszunutzen.

Doch Experten der Deutschen Bank warnen vor überzogenen Erwartungen. Zwar könne sich der Anteil derartiger Share-Angebote am motorisierten Individualverkehr in den nächsten zehn bis 15 Jahren verhundertfachen, würde dann aber immer noch erst fünf Prozent betragen. Damit nehme der individuelle Motorisierungsgrad in den Städten der Industrieländer ab. In den Mega-Cities der Schwellenländer könne das Digitalauto den Verkehrskollaps ohne Ausbau der Transportsysteme nicht verhindern.

Infrastruktur und regulatorische Leitplanken nötig

Neben aller technologischen Expertise benötigen alternative Antriebe und autonome Konzepte Infrastruktur und regulatorische Leitplanken. Die Berater von Roland Berger sehen da die Niederlande oder auch den Stadtstaat Singapur ganz vorn. Die meisten E-Autos werden in China gebaut und zugelassen, Deutschland rangiert nur im Mittelfeld.

"Während Staaten wie Singapur in der Gesetzgebung richtig Gas geben, sind traditionelle Automärkte wie Deutschland durch den Dieselskandal momentan eher mit Schadensbegrenzung beschäftigt", sagt Studienleiter Marcus Berret. Das könnte sich über kurz oder lang auch als Nachteil im Ausland erweisen. "In China werden westliche Autohersteller in Zukunft stärker unter Druck kommen, vor allem wenn der Elektroschub dort über chinesische Hersteller kommt", sagt Norbert Dressler, leitender Autoexperte für Deutschland bei der Unternehmensberatung.

Neben allen Zukunftsvisionen werden natürlich auch jede Menge Gegenwarts-Autos auf der IAA vorgeführt. Bei den Neuvorstellungen dominieren große Geländewagen (SUV), die meist von durchzugsstarken Verbrennern bewegt werden. "Das wichtigste Auto des Jahres ist auf der IAA nicht zu sehen", kritisiert Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer mit Blick auf das Elektroauto Tesla 3, das dem US-Newcomer dermaßen aus den Händen gerissen wird, dass er einen Auftritt bei der Weltleitmesse IAA schlicht für überflüssig hält. Wie übrigens eine ganze Reihe anderer Hersteller wie Fiat, PeugeotNissan, Mitsubishi oder Volvo auch.

Lesen Sie mehr zu den Hintergründen der zahlreichen Hersteller-Absagen!

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