Von Thomas Strünkelnberg, Jan Petermann und Marco Engemann, dpa/dpa-AFX
Milliardengewinne in der Bilanz, Millionengehälter für das Management: Volkswagen verdient trotz weiter drückender "Dieselgate"-Lasten deutlich mehr und will 2018 noch beschleunigen. 2017 konnte die Stammmarke des größten Autokonzerns der Welt stark zulegen, die gesamte VW-Gruppe ebenso. Das Geld soll vor allem in Zukunftsinvestitionen bei E-Mobilität und neuen Dienstleistungen fließen. Auch die Konten der Vorstände sind prall gefüllt. Beim "Kulturwandel" gibt es Fortschritte, aber auch viele offene Fragen.
Das Unternehmen stellte am Dienstag seine vollständige Bilanz vor: Der Kernbereich VW Pkw warf 2017 einen Betriebsgewinn von rund 3,3 Milliarden Euro ab – bereinigt um Sonderkosten für die Dieselaffäre. Im Vorjahr waren es noch 1,9 Milliarden Euro gewesen. Die finanziellen Lasten bei der Bewältigung des im September 2015 bekanntgewordenen Abgas-Skandals mit Millionen manipulierten Autos schlugen mit 2,8 Milliarden Euro für die Hauptmarke und 3,2 Milliarden Euro im Gesamtkonzern abermals kräftig ins Kontor. Sie nahmen verglichen mit 2016 aber ab (5,2/6,4 Milliarden Euro).
Der Umsatz der Marke VW lag 2017 bei 80 Milliarden Euro, ein Minus von 24,3 Prozent. Jedoch ist dies nicht mit dem Vorjahreswert vergleichbar, weil VW mehrere Importgesellschaften nicht mehr zur Marke zählt. Für 2018 wird ein Erlösplus von fünf Prozent angepeilt.
Dickes Gehaltsplus
"Es war das Jahr, in dem wir wieder in die Offensive gegangen sind", sagte Vorstandschef Matthias Müller. Für die Führung bedeutet der positive Trend ein dickes Gehaltsplus. Die Mitglieder des Konzernvorstands kassieren insgesamt rund 50,3 Millionen Euro. Für 2016 hatte das Top-Management 39,5 Millionen Euro erhalten. Spitzenverdiener ist Müller mit mehr als 10,1 Millionen Euro. Nach dem alten Gehaltsmodell, in dem variable Boni noch ein stärkeres Gewicht hatten, hätte er über 13 Millionen Euro bekommen.
In seiner Berliner Hauptstadt-Repräsentanz gab sich VW betont bescheiden. Statt kompletter Vorstandsriege und Dutzender ausgestellter Modelle wie sonst in Wolfsburg saßen nur Müller, Finanzchef Frank Witter und Kommunikationschef Hans Gerd Bode auf dem Podium. Witter sagte, trotz der "Herausforderung" der weiterhin hohen Abflüsse infolge der Dieselkrise sei die finanzielle Lage solide: "Wir gestalten aktiv den Wandel unseres Unternehmens."
Bei der Oberklasse-Tochter Audi liefen die Geschäfte zuletzt ebenfalls gut. Hier kletterte der operative Gewinn – ohne "Dieselgate"-Sonderkosten für Rückkäufe, Nachrüstungen und juristische Risiken – von 4,8 auf 5,1 Milliarden Euro. Noch besser sah es bei Porsche aus, wo das Betriebsergebnis um 6,9 Prozent auf 4,14 Milliarden Euro stieg.
Porsche profitierte vom weiter steigenden Absatz. Das operative Ergebnis legte im Vergleich zum Vorjahr um 6,9 Prozent auf 4,14 Milliarden Euro zu. Beim Umsatz gab es ein Plus von 5,3 Prozent auf knapp 23,5 Milliarden Euro. Damit stieg auch die Umsatzrendite von 17,4 Prozent in 2016 auf nun gut 17,6 Prozent. Nimmt man allein die Autoproduktion, legten Ergebnis und Rendite noch etwas stärker zu. Porsche hatte im vergangenen Jahr 246.000 Fahrzeuge ausgeliefert, 3,6 Prozent mehr als 2016.
E-Auto-Produktion an 16 Standorten
Ein Schwerpunkt in dem Mehrmarken-Konzern soll der Ausbau der Fertigung von Elektroautos in deutlich mehr Werken als bisher sein. Bis Ende 2022 sollen batterie-elektrisch angetriebene Fahrzeuge an weltweit 16 Standorten gebaut werden. Derzeit sind es drei. Eine eigene Herstellung von Batteriezellen, bei denen deutsche Autobauer abhängig von Zulieferern aus Asien sind, sieht Müller derzeit nicht: "Das ist nicht unsere Kernkompetenz, das können andere besser."
Der VW-Chef bekräftigte, dass es in der Dieselkrise in der gesamten Autoindustrie Defizite gab: "Wir bei Volkswagen wissen, dass wir selbst dafür mitverantwortlich sind, dass sich diese Debatte derart zugespitzt hat. Wir wissen aber auch, dass unser Unternehmen – und unsere Branche insgesamt – Teil der Lösung sein muss und sein kann." Mittlerweile seien mit Hilfe der Umweltprämie über 160.000 Kunden auf moderne Fahrzeuge umgestiegen.
Der ausgerufene "Kulturwandel" für mehr Kritikfähigkeit und ethisches Verhalten lässt den Konzern angesichts bekannt gewordener Abgastests an Affen in den USA indes nicht los. Vor der VW-Vertretung protestierten am Dienstag Tierrechtler. Müller meinte hierzu, die ethisch-moralischen Standards des Konzerns ließen solche Experimente nicht zu. Die Nachricht von den Affentests habe alle bei VW "im ersten Moment aufgeschreckt". Die angestrebte höhere Effizienz und Eigenverantwortung der einzelnen Marken komme derweil voran. "Die Silos brechen auf", sagte Müller mit Blick auf die bisher sehr hierarchischen Strukturen.
US-Steuerreform sorgt für Sonderertrag
In den USA konnten die Wolfsburger wegen der dortigen Steuerreform 2017 einen Sonderertrag verbuchen. Die Neubewertung bestimmter Bilanzposten hätten einen positiven Effekt von rund einer Milliarde Euro auf den Nettogewinn gehabt, sagte Witter. Die anderen großen deutschen Autobauer Daimler und BMW hatten ebenfalls von der Reform von US-Präsident Donald Trump profitiert. Zu drohenden Zöllen auf Autoimporte meinte der VW-Finanzchef: "Natürlich hat man solche Ankündigungen ernst zu nehmen. Wir setzen aber auf Dialog."
In einer Telefonkonferenz mit Analysten äußerte sich Witter auch wegen neuer Prüfzyklen bei der Abgasmessung vorsichtig bei den Finanzzielen für das laufende Jahr. Viele Investoren seien bei der Vorlage des Ausblicks etwas enttäuscht gewesen. Der neue Prüfzyklus WLTP könne zu "einem zeitweilig eingeschränkten Produkt-Angebot" führen, sagte der Manager mit Verweis auf neue Regeln bei der Abgasmessung. Laut Müller gibt es unter anderem einen Engpass bei der Ausstattung mit neuen Prüfständen.
Spekulationen um einen möglichen Börsengang der schweren Nutzfahrzeuge wollte Müller nicht näher kommentieren. Hierzu gebe es noch keine Entscheidungen.
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