Von Ralf Schütze/mid
Es muss schon einiges geschehen, um die Kitzbüheler zu beeindrucken. Entweder, es erdreistet sich ein Nicht-Österreicher, die "Hahnenkamm"-Abfahrt auf der legendären Streif zu gewinnen. Oder aber man fährt in einem Toyota C-HR durch den Tiroler Nobelort, wo sich sonst Bentleys, Lamborghinis, Rolls Royces und Co. gegenseitig die Show stehlen. Da fällt der erschwingliche SUV eines Massenherstellers auf - wenn er so mutig designt ist wie der neue Kompakt-Allrounder von Toyota. Wir haben die Hybrid-Version des japanischen Hinguckers in den Kitzbüheler Alpen getestet. Hält der technisch fortschrittliche Kern, was die aufsehenerregende Hülle verspricht?
"Wir wollen polarisieren," stellt Toyota Deutschland-Chef Tom Fux zum futuristisch anmutenden Design des C-HR fest. Genau das ist absolut gelungen. Manch kritischer Betrachter sieht im 4,35 Meter kurzen SUV einen Pokémon auf Drogen und findet es zumindest faszinierend, manche können mit dem exzentrischen Design überhaupt nichts anfangen. Alles in allem können sich jedoch überraschend viele Menschen gar nicht sattsehen am auffällig gestylten "Coupé High Rider" (daher C-HR), und somit könnte Toyotas Polarisierungs-Plan aufgehen: Besser auffallen, als in der Masse von immer mehr Kompakt-SUV untergehen.
Der wie ein Zweitürer gestaltete Wagen wandelt zwischen den Kategorien: Von seiner Länge her hat er's eher mit Rivalen wie dem Nissan Quashqai zu tun. Der misst 4,38 Meter, ist also drei Zentimeter länger als der C-HR. Aber vom optischen Auftritt und den Innenraummaßen her wirkt der Toyota eher wie ein maßgeschneiderter Konkurrent für den Nissan Juke: Der ist zwar nur 4,16 Meter lang, aber ähnlich extrovertiert wie der Toyota.
Mit seinen praktischen Eigenschaften reicht der C-HR nicht ganz an andere SUV seiner Länge heran, aber das soll er auch gar nicht. Denn wie sagt Tom Fux so treffend: "Toyota baut ja seit jeher qualitativ hochwertige, innovative und zuverlässige Autos. Den C-HR aber werden viele mit dem Herzen kaufen, nicht nur mit dem Verstand." Die Fans des Designs begrüßen, dass man den coupéhaft gezeichneten Fünftürer wegen seiner geschickt getarnten Türgriffe hinten zunächst gar nicht als solchen erkennt. In den meisten Fällen werden die leicht eingeschränkten Platzverhältnisse im Fond ausreichen, denn der typische C-HR-Käufer legt darauf keinen gesteigerten Wert. Und für Kurzstrecken ab und zu reicht es allemal. Da Schönheit ohnehin im Auge des Betrachters liegt, kann man sich irgendwann voll und ganz den technischen Eigenschaften des kleinen Toyota zuwenden - wer ihn nicht schön findet, sucht ohnehin woanders nach dem SUV-Glück.
Hybrid-Stärken im Stadtverkehr
Wer auf den exzentrischen Toyota C-HR abfährt, wird vor allem die Hybrid-Version zu schätzen wissen. Bei 90 kW / 122 PS Systemleistung waren wir im Mix aus Landstraße, Autobahn und Stadtverkehr rund um Kitzbühel spielend leicht mit 5,9 Liter auf 100 Kilometer unterwegs. Das liegt zwar deutlich über dem Normwert von 3,9 Liter, ist aber im Vergleich zu konventionellen Benzin-SUV dieser Größe absolut akzeptabel. So richtig spielt der C-HR seine Hybrid-Stärken beim Zusammenspiel von Benzin- und Elektromotor im Stadtverkehr aus. Praxistests zeigen: 30 bis 40 Prozent kann hierbei der Anteil rein elektrischen Fahrens betragen. Die Übergänge zwischen Stromern und dem einsetzenden Benzinmotor geschehen fließend und beinahe unmerklich, bis auf ein deutlich hörbares Geräusch des manchmal angestrengt klingenden Verbrenners. Jedoch: Die Systemleistung von 122 PS genügt, um flott und spurtfreudig voranzukommen.
Für ein angenehmes Fahrgefühl sorgen die Qualität der Sitze und die nach vorne und zur Seite hervorragende Übersicht. Die Windschutzscheibe ist aus dem Blickwinkel des Fahrers von zwei sehr zierlichen A-Säulen umrahmt. Umso eingeschränkter ist allerdings die Sicht nach hinten und schräg hinten, denn hier sind zwei massive C-Säulen im Weg. Bei der Hybrid-Version des C-HR gleicht das eine serienmäßige Rückfahrkamera aus. Insgesamt glänzt der kompakte Toyota mit jener hochwertigen Qualitätsanmutung, wie man sie von jeher den strebsamen Japanern nachsagt. Überhaupt will die Marke mit dem C-HR zurück zu alten Tugenden und Erfolgen - jene Zeit also, als sprechende Tiere im TV-Spot Toyotas Slogan "Nichts ist unmöglich" zum geflügelten Wort machten.
Wichtiger Baustein bei dieser geplanten Renaissance sind die Hybrid-Fahrzeuge, die 2016 bei Toyota zum siebten Mal in Folge ein Rekordjahr verzeichneten. Dies wird laut Tom Fux vor allem dafür sorgen, dass Toyota die ab 2020 geltenden CO2-Grenzwerte erreiche. Die japanische Marke rechne bis dahin mit 65 Prozent Hybridanteil.
Flexibilität und Abenteuer
Beim Praxistest auf den kurvigen und bergigen Alpenstraßen Tirols beweist der Toyota C-HR allzeit gute Traktion und aufgrund leicht erhöhter Bodenfreiheit jenen Schuss Flexibilität und Abenteuer, den SUV-Fans an dieser Fahrzeuggattung schätzen. Schade nur: Auf den teils unbefestigten und noch verschneiten Wegen rund um Kitzbühel wäre Allradantrieb eine interessante Option, die gibt's aber nur für den 1,2-Liter-Benziner.
Der C-HR Hybrid glänzt mit einem angenehm kleinem Wendekreis von nur 10,4 Meter. Die Lenkung ist nur um die Mittellage etwas gefühlsarm, ansonsten aber präzise. Das Fahrwerk hält den Hochbeiner selbst in schnell gefahrenen Kurven erstaunlich gut auf Kurs und bietet dennoch hohen Komfort. Noch nie war es so schick, einen Toyota mit Hybridantrieb zu fahren. Kein Wunder also, dass Toyota beim SUV mit 70 Prozent Hybridanteil rechnet. Und besonders sicher ist er auch: Der C-HR hat gerade vorbildlich beim Euro-NCAP-Crashtest abgeschnitten und zum Beispiel den Audi Q5 hinter sich gelassen.
Zwar basiert der Toyota C-HR technisch auf dem Markenbruder Prius. Er ist aber höher, breiter und kürzer als die Limousine und vom Flair her eben ganz anders: Durch sein spektakuläres Design und SUV-typische Vorzüge macht der ungewöhnlich gestylte C-HR das umweltfreundliche Fahren mit einem Hybridfahrzeug schmackhaft - vorausgesetzt, man gehört zu den nicht wenigen Fans seines polarisierenden Aussehens.