Von Peter Eck/SP-X
Ein neuer "Elfer", was kann nach einer ersten Testfahrt schon anderes dabei herauskommen als Jubel und Grinsen? Schließlich sollte die neue, in diesem Fall achte Generation einer Ikone (nochmals) alles besser können als der Vorgänger. Könnten wir nach den ersten 140 Kilometern im neuen Porsche 911 überhaupt was zu meckern haben? Wir werden sehen. Den ersten Schluckauf bekommt man immerhin schon vor dem Einstieg, nämlich beim Blick auf den Preis. Der Carrera S steht jetzt mit 120.125 Euro in der Liste, also etwa 8.000 Euro mehr als bislang. Mindestens 20.000 Euro für sinnvolle und/oder Spaß bringende Extras sollte man wie immer bei den gewinnorientierten Schwaben unbedingt mit einkalkulieren.
Fangen wir gleich mit der wichtigsten Frage an: Wie fährt er denn so? Antwort: richtig klasse! Wie Porsche es schafft, den vielleicht ultimativen Sportwagen immer weiter zu verbessern, ist aller Ehren wert. Der überarbeitete Boxer schüttelt jetzt 30 PS und 30 Newtonmeter mehr aus den sechs Zylindern, wir sprechen über 331 kW / 450 PS Leistung und 530 Newtonmeter. Knapp über 2.000 Umdrehungen geht der Biturbo richtig zur Sache und wenn gewollt gerne Richtung Drehzahlbegrenzer, also bis zu 7.500 U/min. Hier noch zwei weitere unverzichtbare Angaben für den sportlichen Fahrer: Der Carrera S erreicht nach 3,7 Sekunden Tempo 100 und schafft 308 km/h Spitze. Der Carrera 4S, also der mit Allradantrieb, ist beim Standardspurt noch eine Zehntelsekunde schneller, bringt es aber aufgrund seines Mehrgewichts "nur" auf 306 km/h.
Direkte Lenkung, höhere Präzision
Soviel zu den Zahlen, die schwer zu widerlegen sind, die war aber gerne glauben. Was man dagegen sofort spürt ist einerseits die deutlich direkte Lenkung und die sich zweitens daraus ergebende nochmals höhere Präzision, selbstredend vor allem auffällig in Kurven. Es fällt ausgesprochen schwer und erfordert einiges an Mut, den neuen 911 überhaupt an seine physikalischen Grenzen zu bringen. Das liegt auch an Fahrwerk und Karosserie, ist der Carrera S nun doch immer in der breiteren Karosserie und Spur des Allradmodells eingekleidet und kommt zudem erstmals in der Geschichte auf unterschiedlich großen Rädern angerollt. Vorne krallen sich serienmäßig 20-Zöller in den Asphalt, hinten beträgt die Dimension 21 Zoll. Mancher wird vielleicht die schlanke Vorder- und Hinteransicht des bisherigen Carrera durchaus vermissen. Davon unberührt bleibt natürlich das Fahrerlebnis, das sich nicht zuletzt aus der extrem direkten Auslegung des Fahrzeugs ohne jedes Untersteuern ergibt.
Die Außenoptik: überzeugt. Der 911 wirkt trotz letztlich identischer Länge, mehr Breite und sogar etwas mehr Höhe kompakter als sein Vorgänger. Zudem zitieren die Designer an der einen oder anderen Stelle geschickt einige Vorgängermodelle. So verleiht wie bei der von 1973 bis 1989 gebauten G-Serie eine mittige Vertiefung der Motorhaube zusätzlichen Schwung. Die bis in die Türen gezogene Charakterlinie auf dem Kotflügel verlängert die Haube zudem optisch. Hinten gibt es erstmals ein durchgehendes, feines Leuchtenband zu sehen, was den neuen Elfer in Verbindung mit den vier leicht in die Mitte gerückten Endrohren eine hohe Erkennbarkeit geben dürfte.
Fahrbericht Porsche 911 Carrera S
BildergalerieNeu entwickelt hat Porsche das im Moment immer an Bord befindliche 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Es arbeitet derart perfekt, dass man die Hände eigentlich immer weg von den Schaltpaddeln halten kann. Gewöhnungsbedürftig ist allerdings der zwar letztlich stabile, aber filigran und so gar nicht nach Sportwagen wirkende Schaltstummel. Ein manuelles Getriebe wird Porsche übrigens nachreichen, erwartet aber nur einen Anteil von etwa zehn Prozent an den Gesamtbestellungen.
Obwohl die Zuffenhausener beim neuen Modell erheblichen Aufwand in Sachen Leichtbau betrieben haben - Stahlblech kommt nur noch bei der Bug- und Heckverkleidung zum Einsatz - ist das Gesamtgewicht um rund 50 auf 1.515 Kilogramm (Allrad: 1.565 kg) gestiegen. Die größeren Räder, das neue Getriebe und der serienmäßige Ottopartikelfilter fordern ihren Tribut. Trotzdem soll der Normverbrauch bei lediglich 8,9 Litern liegen, eine allerdings nur leichte Reduktion von 0,1 Litern zum Vorgängermodell.
Gelungener, neuer Innenraum
Richtig gut gelungen ist Porsche der neue Innenraum seines 911. Der Fahrer schaut durchs Lenkrad auf 5 Rundinstrumente, in der Mitte thront der weiterhin digitale Drehzahlmesser, links und rechts davon sind auf zwei je 7 Zoll großen Displays je zwei weitere, teilweise individuell konfigurierbare digitale Instrumente angebracht. In der Cockpitmitte dann das große Display mit knapp elf Zoll für die üblichen Informationen von Navi bis Radio. Durch die optische Entkoppelung von der Mittelkonsole, dazwischen sind Lüftungsdüsen angebracht, wirkt das Cockpit jetzt horizontaler ausgerichtet, was gut zum stämmigen äußeren Auftritt passt.
Natürlich gibt es viele weitere Neuerungen, die aufzuzählen hier kaum möglich ist. So sei nur erwähnt, dass LED-Licht jetzt stets an Bord ist (als Matrix-Variante gegen Aufpreis) und dass aus der Vielzahl von Assistenzsystemen der neue Wet-Mode herausragt. Hier erkennt ein System aufgrund von akustischen Sensoren in den vorderen Radhäusern stärkere Feuchtigkeit oder Schnee und fordert den Fahrer auf, in den Nässe-Modus zu wechseln. Das muss dieser dann allerdings manuell tun, schließlich befinden wir uns immer noch in einem Fahrer-Auto. Der Wet-Mode passt unter anderem das ESP (PSM bei Porsche), die Traktionskontrolle, die Aerodynamik und das Ansprechverhalten des Motors den erschwerten Bedingungen an.
Von einem ganz neuen 911er erwarten Fans und Freunde der Marke sowieso und zu recht immer sehr viel. Porsche scheint bei der achten Generation erneut diese Erwartungen zu erfüllen, wenn auch Kritik, etwa am Schaltstummel oder an den hinteren, auf die Lamellen wie aufgesetzt wirkenden Drittbremslichter, sicher nicht ausbleiben wird. Insgesamt dürfen wir Porsche zur neuen, achten Generation ihres Markenherzstücks aber rundweg gratulieren: alle 8-ung eben.