Klassische Coupés sind out. Zweitürer sind unpraktisch. Niedriges Einsteigen beschwerlich. BMW war mit dem X6 erster Europäer und setzte vor zwölf Jahren einen Trend. Mittlerweile ist die Vermählung aus praktischem SUV und elegantem Coupé Standardprogramm – mal mehr, mal weniger gelungen. Auch Audi hat das verstanden und Q3 Sportback sowie Q8 im Angebot. Beide haben hinten eins draufbekommen.
Ein anderes Trendthema – gerade im Flottenbereich – ist die E-Mobilität. Dabei zieht neben theoretisch null Emissionen ebenso die günstigere Versteuerung. Audi hatte als vollelektrische Version bislang lediglich den e-tron im Programm. Ein E-SUV, das auf dem (25 Zentimeter kürzeren) Q5 aufbaut und damit vernünftige Platzverhältnisse im Inneren mit – zumindest optisch – noch sozialverträglichen Außenabmessungen kombiniert. Und jetzt, jetzt drücken die Ingolstädter das Heck des 4,90-Meter-Elektro-SUV nach unten, geben dem e-tron den Namenszusatz Sportback. Das klingt nicht nur dynamischer, es sieht auch so aus, fühlt sich zudem so an und fährt sich tatsächlich auch so. Doch der Reihe nach.
Zwei Antriebe erhältlich
Der Audi e-tron S-Line Sportback 55 Quattro, so der sperrige Name des uns für die Testrunde zur Verfügung gestellten Elektro-SUV-Coupé, markiert aktuell die Obergrenze der Elektromobilität bei Audi. Antriebstechnisch bedeutet es, dass je ein Elektromotor für jede Achse zuständig ist und meistens lediglich der hintere Motor verwendet wird. Das bedeutet auch, dass der Allradantrieb Quattro vollelektronisch und damit schneller als je zuvor reagieren kann.
Auch den e-tron Sportback gibt es mit zwei Akkugrößen und einhergehenden Leistungsversprechen. Der "50 Quattro" besitzt eine 71-kWh-Batterie, von der 64 kWh genutzt werden können. Der "55 Quattro" kann aus 95 kWh 86 herausholen. Der "Kleine" stemmt 540 Newtonmeter in den Asphalt, der Starke sogar 664 – jeweils in der Spitze, die nur zeitlich begrenzt abrufbar ist, aber gerade Überholvorgänge auf der Landstraße fast im Wimpernschlagtempo zulässt. 408 PS leistet der Superschwergewichtler beim Niedertreten des Fahrpedals. Nach 5,7 Sekunden fällt der Standardsprint – gut eine Sekunde schneller als beim gut 100 Kilogramm leichteren und knapp 100 PS schwächeren optischen Zwilling. Knapp 2,6 Tonnen – wovon 700 der Batterie zugerechnet werden müssen – wollen beim "55er" in Bewegung gehalten werden.
Um die Bewegung besser und systemideal dosieren zu können, wäre das One-Pedal-Driving eine Möglichkeit gewesen. Wäre gewesen. So sind weiterhin maximal 0,3 g Rekuperationsverzögerung möglich, was laut Audi 90 Prozent aller Bremsvorgänge abdecken soll und lediglich in zehn Prozent der Bremsungen das Stopppedal bedingt. Dafür dieses aber bei jedem Stopp. Das Einpedalfahren ist gerade im Stadtverkehr eine Wohltat und macht einen großen Teil der Elektrofaszination aus.
Mit dem großen Akku kommt der e-tron Sportback je nach Fahrprofil bis zu 450 Kilometer weit – auf der Autobahn sind es rund 150 weniger. Nicht sehr viel für die bereitgestellte Batterieleistung, womit wir abermals beim Gewicht wären und die große Stirnfläche sowie die Fahrzeuggröße hinzukommen. Immerhin ist die Aerodynamik herausragend. Mit den dürren Außenspiegel-Ärmchen, in denen sich die Rückblick-Kameras verstecken, sinkt der cW-Wert auf 0,25. Diese Ärmchen müssten jedoch manuell eingeklappt werden. Elektrisches anlegen gibt es nicht. Und das, obwohl das System aufgrund von Zwangskombinationen immerhin rund 1.700 Euro kostet.
Audi e-tron Sportback
BildergalerieBürozeiten reichen zum Vollladen
Geladen wird e-tron Sportback mit bis zu 150 kW an den Superschnellladern, was unter Umständen mit rund 79 Eurocent/kWh zu Buche schlägt. Dann muss die serienmäßige Ladeklappe links genutzt werden, unter der sich der CCS-Stecker befindet. Einem nahezu leeren Akku wird damit in gut 30 Minuten – also einer ausgedehnten Kaffeepause mit gleichzeitigem E-Mails-Check – wieder volle Kraft beschert. An einer 11-kW-Wallbox ist das Kraftpaket über Nacht (oder an einem normalen Arbeitstag im Büro) komplett gefüllt. Empfehlenswert ist der zweite AC-Ladeanschluss (maximal 11 kW) rechts vorn im Kotflügel. Der kostet allerdings abermals 380 Euro. So summiert sich das Gewicht und ein "verkaufsfertiger" Sportback kommt "leicht" auf 2,7 Tonnen.
Diese Kilogramm haben bekanntermaßen aber nicht nur Nachteile. Gewicht bringt Gelassenheit und oft eine gewisse Sanftheit mit sich. Beim e-tron Sportback äußert sich diese in einem fabelhaften Fahrkomfort. Und dass, obwohl das Testexemplar mit den bei der Ausstattungslinie S-Line (plus 2.500 Euro) serienmäßigen 20-Zoll-Winterreifen ausgestattet war. Jedoch agiert die beim e-tron stets serienmäßig installierte adaptive Luftfederung, die beim S-Line den Zusatz Sport erhalten hat, sehr gekonnt. Sie ist von Haus aus etwas straffer abgestimmt und harmoniert mit der ebenfalls serienmäßigen Progressivlenkung exzellent. Sie erlaubt ein Anheben des Fahrzeugs um fünf Zentimeter oder das Absenken um 2,6 Zentimeter, jeweils aus der Stellung "Normalnull". Wofür diese Spielerei nötig sein soll, erschließt sich einem nicht wirklich. Eher selten wird man einen e-tron Sportback im Offroadeinsatz sehen, wo die erhöhte Bodenfreiheit sinnvoll ist. Nach ganz unten geht es ab Tempo 140 übrigens automatisch.
Das ist tatsächlich auch der beste Einsatzbereich dieses Elektrofahrzeugs. Autobahnfahrten mit rund 140 km/h. Denn der Schwergewichtler will auf mäandernden Landstraßen in die Kurven gezwungen werden. Der Wille, zum Kurvenaußenrand zu schielen, wird geräuschvoll mit wimmernden Reifen untermalt. Gut schallisoliert bekommt man davon innen jedoch nicht so viel mit. Denn ruhig, das ist der e-tron – extrem ruhig sogar. Und das eben auch bei Autobahntempo. Bei Stadtfahrten stört ein Dauerpfeifen bei Last (also auch beim Rekuperieren) die Ruhe. Das Pfeifen hören sogar Hinterbänkler, die trotz des angeschrägten Hecks keine Platznot befürchten müssen. Selbst Großgewachsene passen sehr kommod rein. Ab Ende Mai ausgelieferte Fahrzeuge erhalten serienmäßig den Niedrigtempo-Warnton AVAS. Der übertönt bis 30 km/h eventuell das Pfeifen.
Fein, wie immer
Generell geht das Interieur als Wohlfühloase durch. Feines Leder und hochwertige Materialien spiegeln noch immer den Audi-Perfektionismus wider. Dass die Bayern vollends auf Touch-Elemente bei Infotainment und tief angebrachter Klimaregelung setzen, ist schade. So leidet die Bedienbarkeit. Schön wird es innen vor allem dann, wenn der zukünftige Besitzer beim Konfigurieren nochmals kräftig abhakt. Auch an den Stellen, die bei einem Grundpreis von mehr als 72.000 Euro eigentlich inkludiert sein sollten. Welche? DAB-Radio, Rückfahrkamera oder in dieser Preisklasse – Matrixlicht (wenngleich der e-tron für den Aufpreis noch exaktere Pixel-LED bereithält). Um nur einige zu nennen. Ebenso empfehlen wir das Bestellen der Akustikverglasung oder die clevere Lösung fürs Handyladen namens Audi Phone Box, sowie den bereits erwähnten Ladeanschluss auf der rechten Seite. Die virtuellen Außenspiegel zählen eher zu den Gimmicks. An die Position der Bildschirme oberhalb der Türöffner und an das neue "Rückblicken" muss man sich gewöhnen. Wer oft die Fahrzeuge wechselt, sollte zuvor checken, ob einem das gefällt.
Ein Superschwergewicht ist der Audi e-tron Sportback daher auch aus anderer Sicht. Eher selten wird ein "55er" für unter 100.000 Euro (brutto) weggehen. Wie gut, dass er beim Versteuern einem "netten" A4 nicht unähnlich ist und damit einiges relativiert. (mb)