Von Günter Weigel/sp-x
Immer mehr Nischen, immer mehr SUV, immer weniger Knöpfe: Zu den aktuellen Auto-Moden hat der Kölner Design-Professor Paolo Tumminelli eine klare Meinung.
Ist der "Keine-Knöpfchen-Trend" im Interieur einer der sich hält, oder werden die Hersteller in näherer Zukunft wieder umschwenken?
P. Tumminelli: Der Touchscreen ist vom Automobil nicht mehr wegzudenken. Nur so lassen sich alle Funktionen, Optionen und Firlefanz günstig steuern. Künftig darf man noch mehr Bildschirme – für verschiedene Nutzer und/oder Funktionsgruppen – erwarten. Sprachsteuerung kommt auch noch dazu. Für den guten alten Knopf sehe ich eher schwarz – sein Preis-Leistung-Verhältnis ist zu ungünstig. Daher vielleicht als einzige Ausnahme: teure Supersportwagen, die Formel-1-Gefühl vermitteln wollen.
Beherrschendes Frontdesign 2014: der aufrecht stehende Kühlergrill. Warum nehmen so viele Hersteller dieses Design-Element auf?
Weil das Automobil immer höher baut. Einerseits Fußgängerschutz, andererseits große Räder und dann noch der allgemeine Trend zum SUV. Als Konsequenz zieht sich die Front optisch in die Vertikale, so dass nur ein aufrecht stehender Grill dazu gut passt – und der gerade deswegen auch modisch wird.
Der Trend geht dazu, dass die Hersteller immer mehr (Nischen-)Modelle anbieten. Führt das Ihrer Meinung nach zu einer zu begrüßenden Vielfalt oder gefährlichen Beliebigkeit?
Der Trend führt zu Markenchaos, Flops, Wertverlust – und letztlich vielleicht zur Rückbesinnung. In der Vorstellung der Hersteller soll das Automobil zum Superkonsumgut werden, jedes Jahr ein neuer Typ oder, wie Mobile.de schön sagt: "Welcher ist dein nächster?" Damit wird lediglich die Unfähigkeit kaschiert, richtige Innovation zu betreiben. Mit der umgekehrten Strategie beweist Apple, dass ein einziges, dafür richtiges Produkt, selbst im härtesten und schnellsten Markt, sich hundertmillionenfach verkaufen lässt.
Immer mehr Hersteller verpassen ihren SUV eine künstlich dynamische Optik. Warum?
Weil SUV vor allem Traum – oder besser Illusion – unbegrenzter Potenz sein sollen. Die pseudosportliche Form lockt eine rapide alternde, vor allem westliche Kundschaft, die nicht mehr fit für den 911er ist. Dass die Dynamik nur künstlich ist, stört niemanden: Schließlich sind bei der anvisierten Zielgruppe Haare, Ohren, Hüften, Herz – und Gott weiß was sonst noch – bereits jetzt künstlich. (sp-x)
Zur Person:
Paolo Tumminelli (geb. 1965) studierte Architektur und Design in Mailand. Seine Karriere startete er im "Centro Stile" von Alfa Romeo. Nach Führungsaufgaben bei Momo Design wechselte er 1996 als Leiter des strategischen Marketings bei Rosenthal und zog nach Deutschland um. 2002 gründete er goodbrands, ein Unternehmen für strategische Marken- und Designberatung mit Sitz in Düsseldorf. Nach verschiedenen Lehraufträgen in London und in Arnhem wurde Tumminelli 2003 als Professor für Design Konzepte an der Köln International School of Design berufen.
Jörg Herrmann