Als Standort für Europazentralen wählen chinesische Automobilhersteller gerne Städte in Deutschland. Weshalb Deutschland beziehungsweise weshalb Stuttgart?
Jan Grindemann: Zum einen steckt das Ansinnen dahinter, hier am besten Mitarbeitende mit einem Automotive-Background zu gewinnen. Zum anderen werden wir als Hedin selbst Gebiete im Retail bearbeiten. Wenn der eigene Retail in Stuttgart ist, ist es auch sinnvoll, dort in der Nähe zu sein.
Wie groß ist der Importeur Hedin Electric Mobility GmbH und wie ist die Organisation aufgebaut?
Jan Grindemann: Im Moment sind wir ein noch kleines, aber schnell wachsendes Team und ganz klassisch aufgestellt mit den Bereichen Sales, After Sales, Produktmanagement, Marketing, Finanzen und Händlernetz. Zusätzlich unterstützt uns unsere Muttergesellschaft bei einer Reihe von Funktionen. Zwar wollen wir weiterwachsen, werden aber immer bestrebt sein, eine schmale Gesellschaft zu bleiben.
Auf welche Produkte in welchen Segmenten dürfen sich die deutschen Kunden freuen?
Jan Grindemann: Mit dem Dolphin und dem Seal haben wir bald sechs Produkte im Angebot. Ziel ist es natürlich, die Produktpalette weiter zu ergänzen, für den deutschen Markt ist aber aktuell noch nichts bestätigt. Eine hohe Anzahl an Entwicklern arbeitet an unzähligen Produkten – von daher wird da noch deutlich mehr kommen.
BYD Pioneer Store Stuttgart - Grand Opening
BildergalerieWo würden Sie sagen ist BYD gegenüber den Wettbewerbern einen Schritt voraus?
Jan Grindemann: Auf jeden Fall bei der Batterie. Diese ist nachhaltiger und nimmt weniger Platz in Anspruch als andere Batterien. Zudem unterstützt sie sehr stark die Struktur des Fahrzeugs. Außerdem – und das hat man auch auf der IAA bei den Kundenrückmeldungen gemerkt – ist es die Wertanmutung der Fahrzeuge, was ja auch Anspruch ist: "Accessible Premium", also dem Kunden ein Premiumambiente zu einem erreichbaren Preis zu bieten. Dazu muss man nicht unbedingt der Günstigste sein.
Sie arbeiten in Deutschland auf der ersten Stufe mit sieben namhaften Handelsgruppen zusammen. Diese tragen wiederum Verantwortung für ein Marktgebiet. Weshalb haben Sie sich für dieses Modell und keinen Direktvertriebsansatz wie beispielsweise Tesla oder Nio entschieden?
Jan Grindemann: Es war eine andere Zeit, als Tesla in den Markt trat. Damals gab es kaum Wettbewerb im EV-Bereich und einen Spirit, der sie am Markt mitgetragen hat. Bei BYD haben wir Partner gesucht, die den Automobilvertrieb beherrschen, die den Markt, die Kunden und das Geschäft kennen – inklusive Werkstatt. Zudem sollten diese Partner dazu in der Lage sein, ihre jeweiligen Gebiete selbstständig weiterzuentwickeln. Über große Partner kommt man sehr schnell in einen Markt rein.
Überblickt man die Vertriebsstrategien der Hersteller, so könnte der Eindruck entstehen, dass am Agenturmodell kein Weg vorbeiführt. Weshalb haben Sie sich dagegen entschieden?
Jan Grindemann: Ich persönlich glaube, dass die Agentur ein Weiterentwicklungsschritt in einem professionell funktionierenden Netz sein kann. Ein solches aus dem Stand zu entwickeln, ist sehr schwer, zudem unterschätzen viele Leute die Arbeit eines Händlers. Zum Marktstart halte ich ein solches Modell daher für einen sehr mutigen Schritt und bin froh, dass wir uns für ein Händlermodell entschieden haben, bei dem sichergestellt ist, dass der Händler sein Geschäft versteht und viele Funktionen wahrnehmen kann. Grundsätzlich glaube ich aber an die Sinnhaftigkeit des Agentenmodells – nur für die Phase, in der wir gerade stecken, halte ich dieses Modell für nicht zielführend.
BYD Seal U (2024)
BildergalerieWas sind die aktuell die größten Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit den Händlern?
Jan Grindemann: Der Vorteil von sieben Händlern ist, dass es die Komplexität reduziert. Mit 150 Händlern zusammenzuarbeiten wäre deutlich aufwendiger. Auch der Netzausbau hat eine andere Bedeutung, weil er auf weniger Schultern lastet. Und wenn ich Netzausbau meine, dann geht es um Sales und After Sales. Wir sind intensiv dabei, mit Partnern in beiden Bereichen das Netz auszubauen. Aber das braucht bei weniger Partnern natürlich länger als bei vielen Partnern.
Sind Sie im Zeitplan?
Jan Grindemann: Im Moment sind wir sogar leicht vor dem Plan. Dabei versuchen wir aber, auch weiter vor dem Zeitplan zu bleiben, weil wir jetzt beispielsweise die Leads, die wir in München auf der IAA bekommen haben, möglichst schnell mit Händlern bedienen möchten. Darauf setzen wir derzeit unseren Fokus. Während der IAA haben wir auch über 1000 Probefahrten gemacht, die sehr gut ankamen.
Wie viele und welche stationären Kundenkontaktpunkte streben Sie in Deutschland an?
Jan Grindemann: Wir haben uns rund 100 Sales-Standorte vorgenommen. Beim Thema Werkstatt liegt die Verantwortung grundsätzlich bei unseren Partnern. Das heißt z. B., dass jeder Partner mit einem Pioneer-Store in der Nähe auch eine Werkstatt haben muss. Ob das eine Werkstatt ist oder ein weiterer Vollbetrieb, das sei dahingestellt. Genauso wie die Partner weitere Vollbetriebe eröffnen, müssen wir auch weitere Werkstätten dort eröffnen, wo es jetzt vielleicht für einen Vertriebsstandort noch nicht reicht. Wie viele Servicestandorte es einmal werden sollen, haben wir aber nicht konkret festgelegt. Dabei ist uns aber bewusst, dass die Netzabdeckung im Service natürlich dichter sein muss als im Sales, Faktor 1,5 vielleicht.
Wie weit sind Sie mit der Teileversorgung?
Jan Grindemann: Die Ersatzteillogistik ist aus der ehemaligen Saab-Logistik hervorgegangen, entsprechend bauen wir in der Hedin Mobility Group auf der Organisation und den Prozessen der Saab Ersatzteillogistik auf. Es gibt ein BYD-Lager in Holland und dann unser deutsches Zentrallager in Leimen, von dem unsere Händler versorgt werden. Damit können wir innerhalb von 24 Stunden die A- und B-Teile an unsere Händler liefern. Die Verfügbarkeit dort ist bereits sehr hoch, und was nicht in Leimen verfügbar ist, kommt dann von BYD aus Holland. Wir sind hier also auf einem sehr professionellen Niveau.
BYD Atto 3 Fahrbericht (2023)
BildergalerieWollen Sie uns einen grundsätzlichen Einblick in das Vergütungsmodell geben?
Jan Grindemann: Wir setzen auf klassische Händlermargen mit fixen und variablen Komponenten. Bei den variablen Komponenten geht es um Quantität und Qualität.
Welche Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen halten Sie vor und wie werden diese umgesetzt?
Jan Grindemann: Wir arbeiten unter anderem mit Santander zusammen und fokussieren uns stark auf Leasingangebote. Natürlich setzen wir uns zum Beispiel auch mit Abomodellen auseinander, den Schwerpunkt haben wir darauf aber ganz bewusst nicht gesetzt. Ich glaube hier nicht an einen Marktanteil von 30 oder 40 Prozent.
Haben Sie konkrete Formate zur Unterstützung der Händler in der Vermarktung von Komplementärprodukten rund um die Elektromobilität?
Jan Grindemann: Bislang haben wir punktuell bei Wallboxen oder Ladekarten unterstützt und möchten diesen Bereich zukünftig ausbauen. BYD als Unternehmen hat hier viele Möglichkeiten und großes Potenzial. Im Moment ist das noch nicht unser Fokus.
Haben Sie als Importeur Interesse an der Mitwirkung im Gebrauchtwagenmarkt?
Jan Grindemann: Wir denken über alle Kanäle nach: Von unserer eigenen Handelsorganisation über klassische Auktionen oder auch über europäische Exporte in andere Märkte.
Anteil Gewerbekunden vs. Privatkunden: Sind Sie da auf Kurs?
Jan Grindemann: Wir haben einen sehr hohen Privatkundenanteil, während im Geschäftsbereich noch viel ungenutztes Potenzial schlummert. Dazu muss ich aber auch erwähnen, dass Entscheidungsprozesse, insbesondere bei den großen Flotten, sehr langwierig sind. Der Flottenbereich muss definitiv weiter ausgebaut werden.
Wer macht dieses Großabnehmergeschäft?
Jan Grindemann: Wir brauchen ein Flottengeschäft auf jeder Ebene: Auf der Händlerebene, auf unserer Importeursebene und auf Herstellerebene mit jeweils klaren Verantwortlichkeiten.
Wie sieht Ihr Wunschhandelspartner aus?
Jan Grindemann: Wir brauchen Partner mit einer gewissen Größe und Finanzstärke. Wichtig ist, dass das Mindset passt, gerade im Hinblick auf das Start-up-Environment, bei dem noch nicht alle Prozesse geregelt sind und es noch nicht für alles einen Standard gibt.
BYD Dolphin
BildergalerieIn der Zulassungsstatistik findet der Markthochlauf eher schleppend statt. Woran liegt es?
Jan Grindemann: Wir haben die Company Ende 2022 aufgebaut und in den ersten Monaten Prozesse und Team aufgesetzt. Langsam spüren wir das Anziehen der Zulassungszahlen. Wir sind sehr zuversichtlich, dass jetzt auch das Volumen wächst und sich die Zulassungsstatistiken deutlich nach oben entwickeln werden.
Wo liegen die Stärken von BYD gegenüber den etablierten Herstellern?
Jan Grindemann: Auf jeden Fall in der Batterietechnologie und der Lieferfähigkeit. Wie wichtig eine solche integrierte Wertschöpfungskette sein kann, haben die vergangenen Jahre gezeigt. Umgekehrt zahlt das natürlich auch auf das Entwicklungstempo ein, wo das Ziel mitschwingt, den europäischen und den deutschen Markt immer besser zu verstehen und dieses Wissen in die Produktentwicklung einfließen zu lassen.
Was ist Ihre größte Challenge in Deutschland?
Jan Grindemann: Die Marke BYD bekannt zu machen. Aktuell ist die Marke lediglich bei Automobilexperten sehr präsent. Um das bei den Kunden zu erreichen, ist es noch ein weiter Weg. Die Zahlen deuten aber in die richtige Richtung. Für uns ist auch das sehr positive Presse-Feedback sehr erfreulich. Das war nicht immer so, wir freuen uns da sehr.
Herzlichen Dank für das Gespräch!