BMW hat im zweiten Quartal an Schwung verloren und spürt ein Abflauen der Nachfrage in Europa. Angesichts der hohen Inflation und der weiterhin schwierigen Versorgung mit Halbleitern erwartet der Autobauer jetzt einen leichten Rückgang seiner weltweiten Auslieferungen. Man sehe "zusätzlich zu den anhaltenden Versorgungsengpässen auch einen zunehmenden wirtschaftlichen Gegenwind aufziehen", sagte Vorstandschef Oliver Zipse am Mittwoch in München.
Wegen fehlender Halbleiter, Kabelbäume und unterbrochener Lieferketten brachen die Verkäufe im zweiten Quartal um 20 Prozent auf 563.000 Fahrzeuge ein. Der Auftragsbestand sei noch sehr hoch, aber die Neubestellungen gingen zurück, Inflation und steigende Kreditzinsen belasteten die Kunden, sagte Zipse. Der Vorjahresabsatz von 2,5 Millionen Autos dürfte nicht mehr erreicht werden.
Rückenwind hat BMW wie die gesamt Branche durch die weiterhin hohen Preise für Neuwagen und Leasingrückläufer. Im ersten Halbjahr stieg der Umsatz um 19 Prozent auf 65,9 Milliarden Euro, der Gewinn nach Steuern sogar um 74 Prozent auf 13,2 Milliarden Euro - mehr als bei Mercedes-Benz und Audi zusammen. Entscheidend dafür war allerdings die erstmalige Einbeziehung des chinesischen Gemeinschaftsunternehmens BMW Brilliance Automotive (BBA), an dem BMW die Mehrheit übernommen hat: Die Neubewertung der schon bisher gehaltenen BBA-Anteile trug 7,7 Milliarden Euro zum Vorsteuerergebnis von 16,2 Milliarden Euro bei - ein Rekordwert. Auch im Gesamtjahr erwartet der Konzern ein deutlich höheres Vorsteuerergebnis als im vergangenen Jahr.
BMW 3er (E30) 40 Jahre
BildergalerieEntwicklung der Versorgungslage ist entscheidend
Steigende Preise für Rohstoffe und Energie, die unsichere Gasversorgung in Europa, hohe Inflation und steigende Zinsen belasteten aber das Geschäft, sagte Zipse. "Entscheidend ist, wie sich die Versorgungslage entwickelt. Nicht nur bei den Halbleitern, sondern auch in Bezug auf die Energieversorgung in Europa." BMW könne lokale Einschränkungen oder Ausfälle der Gasversorgung größtenteils auffangen. Der von eigenen gasbetriebenen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in Deutschland und Österreich erzeugte Strom könne zugekauft werden. Bei größeren Umstellungen werde es schwierig und teuer. Und wenn die Chemieindustrie und Lieferanten kein Gas mehr hätten, lägen alle Prozessketten still, sagte Zipse.
Die Börse nahm den Ausblick schlecht auf, die BMW-Aktie verlor bis Mittwochmittag fast fünf Prozent und war damit der schwächste Wert im deutschen Leitindex DAX. Die Quartalszahlen waren so erwartet worden, der Gewinn war sogar besser als erwartet.
Das Ergebnis vor Steuern lag mit 3,9 Milliarden Euro zwar ein Drittel unter dem Vorjahreswert. Allerdings hatte BMW damals von der Auflösung einer Kartellrückstellung in Höhe von einer Milliarde Euro profitiert, und Kosten für die BBA-Mehrheitsübernahme belasteten das Ergebnis im Berichtsquartal um 1,1 Milliarden Euro, wie Finanzvorstand Nicolas Peter erklärte. Analyst Philippe Houchois von der US-Investmentbank Jefferies schrieb, mit zwölf Prozent sei die um Konsolidierungseffekte bereinigte operative Gewinnmarge in der Autosparte stark ausgefallen. Unbereinigt lag sie bei 8,2 Prozent. Im Gesamtjahr sagte BMW sieben bis neun Prozent voraus.
Der Konzern hat seine Forschungs- und Entwicklungsausgaben und seine Investitionen im ersten Halbjahr deutlich erhöht - für den Ausbau der Werke in China, den Hochlauf der Elektrifizierung, neue Modelle und Digitalisierung, wie Peter erklärte. Im ersten Halbjahr verkaufte BMW 76.000 vollelektrische Autos. Spätestens 2030 sollen Batterieautos die Hälfte des Absatzes ausmachen. Zipse setzt aber weiter auf Technologieoffenheit und sieht auch Wasserstoff als "das fehlende Puzzle-Teil, das E-Mobilität dort vervollständigen kann, wo sich batterie-elektrische Antriebe nicht durchsetzen werden." Ende des Jahres starte die Produktion einer Kleinserie des BMW iX5 Hydrogen, "und wir denken bereits über eine mögliche nächste Generation nach".