Für die US-Amerikaner muss die Diskussion in Deutschland um die Spritsorte E10 bizarr anmuten. Sie tanken längst Benzin mit einer zehnprozentigen Beimischung von Ethanol und fahren gut damit. Nun soll nach dem Willen der Regierung allerdings E15 die Autos antreiben. An dieser Stelle ähneln sich Alte und Neue Welt wieder: Der größte Automobilclub des Landes warnt eindringlich vor der neuen Spritsorte.
Nur zwölf Millionen der 240 Millionen Autos auf der Straße seien für das neue Gemisch freigegeben, erklärte der AAA am Freitag. Weil die Autofahrer jedoch unzureichend aufgeklärt seien, könnten sie den Sprit versehentlich tanken und damit kräftig Probleme bekommen, fürchtet der Club und beschreibt ein Horrorszenario für Autobesitzer: Der Motor könnte schneller verschleißen und am Ende ausfallen, Tank und Spritzufuhr könnten angegriffen werden und die Motorwarnanzeige könnte des öfteren fälschlicherweise aufleuchten.
"Millionen Amerikaner kennen sich mit E15 nicht aus", sagte AAA-Präsident Robert Darbelnet. Er drängte die Regierung öffentlich, das Okay für die Spritsorte zurückzunehmen. Und sein Wort hat Gewicht: Immerhin hat der AAA mehr als 53 Millionen Mitglieder. Zum Vergleich: Beim ADAC als größtem europäischen Automobilclub sind es gut 18 Millionen.
Große Skepsis
Der Verkauf von E15 läuft in den USA erst seit einigen Monaten und das Gemisch ist laut AAA bislang auch nur an einer Handvoll Tankstellen zu haben. Das liegt nach Angaben des Händlerverbandes NACS genau an der Unsicherheit der Kundschaft. Doch die Hersteller von Ethanol drängen auf eine schnelle Ausweitung von E15 und bekommen dabei Schützenhilfe aus Washington. Nach Angaben der US-Umweltbehörde EPA können alle Autos ab dem Modelljahr 2001 den Sprit problemlos tanken. Der AAA widerspricht und beruft sich dabei auf die Hersteller. Gehe der Motor wegen E15 kaputt, greife die Garantie in den meisten Fällen nicht, warnte der Club.
Diese Sorgen sind den deutschen Autofahrern nicht fremd: Auch hierzulande herrscht an der Tankstelle große Skepsis gegenüber einer Beimischung von Ethanol. Der Marktanteil von E10 stieg bis zum Sommer gerade mal auf 14 Prozent. Die Ironie dabei: In den USA ist E10 längst gang und gäbe. Nach Angaben des US-Energieministeriums ist mehr als 95 Prozent des Sprits im Land bis zu einem Zehntel Ethanol beigemischt.
Die Vereinigung für Erneuerbare Kraftstoffe RFA sieht in E15 kein Risiko für den Motor und wirbt mit einer geringeren Abhängigkeit von ausländischem Öl und niedrigeren Spritpreisen. Fast zwei Drittel aller Autos auf den Highways führen problemlos mit mehr Ethanol im Tank, sagt der Verband.
Keine Tank-oder-Teller-Debatte
Auffällig ist, dass in den USA ein Punkt beinahe ausgeklammert wird, der in Deutschland und anderswo in Europa zuletzt die politische Diskussion über E10 bestimmte: Dass der Treibstoff die Nahrungsmittelknappheit in der Welt noch verschlimmern könnte. Denn Ethanol wird aus Pflanzen gewonnen, etwa aus Weizen, Roggen, Mais, Raps oder Zuckerrüben. Die EU rudert deshalb bei ihren einst hochtrabenden Biosprit-Plänen schon zurück. In den USA dürfte diese Diskussion gerade erst begonnen haben.