Der Volkswagen-Konzern wird seine vom Abgas-Skandal belastete Bilanz für das Jahr 2015 am 28. April präsentieren. Das teilte das Unternehmen am Freitag mit. Veranstaltungsort für die mit Spannung erwartete Jahrespressekonferenz ist der Stammsitz Wolfsburg. Ursprünglich hatte der kriselnde Autobauer seine Zahlen in der nächsten Woche in Berlin erläutern wollen. Doch wegen offener Bewertungsfragen im Zusammenhang mit der Abgas-Affäre verschob VW den Termin.
Zudem gab das Unternehmen am Freitag den Termin für die ebenfalls verschobene Hauptversammlung bekannt. Die Aktionäre werden für den 22. Juni nach Hannover geladen. Intern rechnet der Konzern nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur damit, dass der eine Tag für das wahrscheinlich turbulente Anteilseignertreffen nicht ausreichen dürfte. Daher ist als Folgetag der 23. Juni zur Fortsetzung vorgesehen.
In den Vereinigten Staaten gibt es - anders als hierzulande - keinen genehmigten Plan für einen Rückruf oder Rückkauf der manipulierten Wagen. Seine Jahreszahlen will Volkswagen bis Ende April vorgelegt haben. Dies hätte ursprünglich schon in der kommenden Woche geschehen sollen. Die Hauptversammlung baut ebenso auf dem Jahresabschluss auf wie der Bericht fürs erste Quartal, der nun ebenfalls verschoben ist.
Mehrfacher Sprengstoff
Die Hauptversammlung birgt gleich mehrfach Sprengstoff: Zum ersten Mal seit dem Beginn des Diesel-Debakels im vorigen September werden sich Aktionärsschützer mit dem Konzern auf großer öffentlicher Bühne auseinandersetzen. Der Aufsichtsrat wird Rechenschaft ablegen über Lehren aus der Krise - und sein neuer Chef Hans Dieter Pötsch, bisher per Gericht bestellt, soll regulär gewählt werden.
Auch die Entlastung des Vorstands steht dann an. Über die Schuldfrage beim Abgas-Skandal will VW schon Ende April informieren, die Ermittler der Kanzlei Jones Day legen einen Zwischenbericht über die beteiligten Ebenen und Wege vor. Dies wird ebenfalls noch ein Thema bei der Hauptversammlung sein. Ursprünglich war das Treffen der Anteilseigner für den 21. April geplant.
Deutschlands größter Konzern hat Stammaktien, an denen Stimmrechte und damit die Macht hängen. Davon entfallen gut 50 Prozent auf die Muttergesellschaft Porsche SE. In dieser Holding steuern die Familien Porsche und Piëch ihre Beteiligung an Volkswagen, dessen Keimzelle mit dem VW-Käfer auf die Porsches zurückgeht. Zudem hält das Land Niedersachsen mit 20 Prozent der Stämme eine Blockadeposition in der Aktionärskonstellation. Das Scheichtum Katar besitzt 17 Prozent.
Starke Verluste für Aktien
Außerdem gibt es stimmrechtslose Vorzugsaktien, die bei der Dividende bevorzugt werden. Diese Papiere haben seit dem Ausbruch der Krise Ende September teils 40 Prozent verloren, aktuell sind es rund 30 Prozent. Auch über die Dividende, die angesichts der Milliardenkosten für die Affäre leiden dürfte, soll die Hauptversammlung abstimmen.
Vor einem Jahr hatten die Aktionäre 4,80 Euro je Stammaktie und 4,86 je stimmrechtsloser Vorzugsaktie beschlossen. Das Land Niedersachsen als Großaktionär strich damit gut 283 Millionen Euro Dividende ein.
"Je mehr Klarheit, desto besser"
Niedersachsens Regierungschef und VW-Aufseher Stephan Weil (SPD) sagte der dpa, er sehe die Verschiebung von Hauptversammlung und Bilanzvorlage als Qualitätsgaranten. Ähnlich hatte auch der Konzern das Vorgehen begründet. "Diese prinzipielle Logik - je mehr Klarheit wir im Jahresabschluss haben, desto besser ist es für alle - ist von den Kapitalanlegern honoriert worden", sagte Weil und verwies auf einen Anstieg der VW-Vorzugsaktie nach der Bekanntgabe der Verschiebung. "Jetzt ist es so, dass man für viele Stellen des Jahresabschlusses mehr Zeit hat, um mehr Qualität liefern zu können."
Die Entlastung des Vorstandes sieht Weil unabhängig davon. "Bezogen auf den Jahresabschluss hätte es noch größere Unsicherheiten gegeben. Wir hoffen, dass wir der Hauptversammlung jetzt einen präziseren Bericht präsentieren können", sagte er. Ungewissheiten ließen sich aber trotz des Zeitgewinns nicht ganz vermeiden. "Es wird auch dann - und das ist völlig normal für Hauptversammlungen - Einschätzungen geben müssen. Aber mehr Zeit bringt mehr Klarheit." (dpa)