Nach einer Abkühlung in China soll es auf dem größten Automarkt der Welt langfristig wieder steiler aufwärtsgehen. Experten rechnen in diesem Jahr mit rund fünf bis zehn Prozent Wachstum. 2011 waren in dem Land nach Angaben von Chinas Personenwagenvereinigung rund 14,5 Millionen Pkw verkauft worden – 5,2 Prozent mehr als im Jahr zuvor. "Die Talsohle ist erreicht", sagte der Vizegeneraldirektor Cui Dongshu am Montag zum Auftakt der Internationalen Automesse in Peking der Nachrichtenagentur.
Der Markt werde sich wieder erholen, weil es großen Nachholbedarf gebe, betonte Cui Dongshu. "Das Potenzial ist weiter groß." Doch Wettbewerb und Preiskampf seien Probleme. Vor allem die heimischen chinesischen Marken spürten den Druck. Im ersten Quartal 2012 stagnierte der Pkw-Markt mit 3,13 Millionen verkauften Einheiten auf Vorjahresniveau.
Experten der Unternehmensberatung KPMG warnten zu Messebeginn vor Überkapazitäten, weil im Reich der Mitte zu viele Autofabriken neu gebaut werden. Die Zahl der Werke werde sich zwischen 2009 und 2014 von 120 auf knapp 160 erhöhen. Dadurch ergebe sich eine Kapazitätsausweitung um 117 Prozent auf 35 Millionen Fahrzeuge pro Jahr. "Hersteller in China scheinen gewillt zu sein, hohe Risiken einzugehen, um ihre Marktpräsenz im Reich der Mitte sicherzustellen", sagte Mathieu Meyer, Leiter des Automobilbereichs bei KPMG. Jüngst hatten VW und Ford angekündigt, neue Produktionsstätten in China zu errichten.
Überkapazitäten seien zwar in einem gewissen Ausmaß nötig, um auf eine schwankende Nachfrage flexibel reagieren und vom Wachstum profitieren zu können. "Doch eine sich abzeichnende Überkapazitätsquote von dauerhaft rund 30 Prozent ist bei weitem zu hoch", so Meyer. Wegen der Abkühlung des größten Automarktes der Welt bei gleichzeitigem Ausbau der Werke sei effektives Kapazitätsmanagement notwendig, "wenn die Hersteller ihre Fixkosten im Griff behalten und sich angemessene Margen sichern wollen", schrieb KPMG.
Volumenhersteller: China-Gewinne sinken
Die zusätzlichen Kapazitäten in China dürften in diesem Jahr bei gut zwei Millionen Pkw liegen. "Durch das langsamere Marktwachstum weiten sich die Überkapazitäten in China aus", warnte auch Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Bisher seien überwiegend chinesische Autobauer betroffen, doch greife das Problem auch auf ausländische Marken über. "Massenautos gehen in China nicht mehr weg wie warme Semmeln, die Rabatte steigen", sagte Dudenhöffer. "Damit sinken die China-Gewinne bei den Volumenherstellern."
Die 1,3 Milliarden Chinesen können derzeit unter 476 verschiedenen Pkw-Modelle auswählen. Dieses Jahr kommen mehr als 80 Fahrzeuge dazu – und auch neue Marken wie Seat drängen mit Vehemenz auf den Wachstumsmarkt.