Der Online-Verkauf von Autos lag schon vor Corona im Trend. Die Pandemie hat die Verlagerung vom Autohaus ins Internet nun weltweit beschleunigt. Die deutschen Hersteller hinken den Branchenführern aus China und den USA aber noch hinterher, wie eine am Donnerstag veröffentlichte Studie der Beratungsagentur Bearing Point zeigt.
Pionier und Marktführer beim Online-Verkauf ist auf allen großen Märkten Tesla. Der amerikanische Autohersteller verzichtet seit seiner Gründung auf ein klassisches Händlernetz und verkauft vor allem über das Internet. Hinzu kommen einige Flagship-Stores in wichtigen Metropolen. Der E-Autobauer ist nicht nur überall vertreten, sondern hat auch in allen analysierten Märkten der Studie zufolge das beste Angebot.
Bei den deutschen Marken sieht es weniger gut aus. Aktuell verfügen sie nur in wenigen der untersuchten Märkte überhaupt über eigene Online-Shops. Am stärksten vertreten sind sie in China, Großbritannien und Deutschland. Allerdings weisen die Angebote im Vergleich zu Tesla Optimierungspotenziale auf, etwa bei den angebotenen Bezahlmethoden, den Funktionen oder den verfügbaren persönlichen Beratungsmöglichkeiten.
US-Markt wird kaum bedient – Deutschland im Mittelfeld
Die meisten Online-Angebote gibt es den Experten zufolge für chinesische Kunden. Unter den elf Shops finden sich neben dem von Tesla unter anderem auch welche von Volkswagen, Audi und BMW.
Für Europa zählt die Studie zwölf Angebote auf, oft finden sich diese aber nur in einzelnen Ländern. Führend ist dort Großbritannien mit acht Online-Verkaufsstellen. Deutschland kommt aktuell auf vier Angebote und hat damit genau so viele wie der Riesenmarkt USA. Dort kommt der Online-Verkauf nur schwer in Fahrt – auch, weil die Amerikaner es gewohnt sind, Autos nicht mit langem Vorlauf beim Händler zu bestellen, sondern sie direkt nach Vertragsabschluss vom Hof mitzunehmen.
Frankreich (mit zwei Online-Shops) sowie Italien und Spanien (jeweils nur ein Online-Shop) sind in dieser Betrachtung die Schlusslichter. Das liegt laut Bearing Point daran, dass die OEMs diese nicht als Märkte mit hoher Online-Verkaufsreife ansehen.
Volumenhersteller auf Augenhöhe
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Der Reifegrad der untersuchten Webshops korrelliert nicht mit dem Segment, in dem der Autobauer aktiv ist. So würden sowohl Volumen- als auch Premiumhersteller Internetstores von hoher Qualität anbieten.
Neue Kundenkontakte über eigene Shops seien für die Branche mittlerweile nicht nur optional, sondern überlebenswichtig, erklärte Christoph Landgrebe, Partner bei Bearing Point, mit Blick auf neue Kundenanforderungen und verändertes Kaufverhalten. "Die Automobilhersteller können sich nicht mehr allein auf den guten Ruf ihrer Marke verlassen, um ihre Fahrzeuge zu verkaufen. Sie müssen dort sein, wo ihre Kunden sind, um deren Bedürfnisse und Vorlieben zu verstehen." Die digitale Umgestaltung der Customer Journey beim Neuwagenkauf sei ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Der Charme des Online-Vertriebs liegt aus Sicht der Autohersteller in seiner Effizienz. Wer seine Fahrzeuge direkt an den Endkunden verkauft, muss sich den Gewinn nicht mit dem Händler teilen. Allerdings sind letztere oft auch für das Werkstattgeschäft und die Fahrzeugauslieferung zuständig, zudem kennen sie ihre Kunden vor Ort meist besser als der Hersteller. (SP-X/hh/rp)
Interessenten können die internationale Branchenstudie auf der Website von Bearing Point abrufen!
Dieter M. Hölzel