Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat die Autobranche aufgefordert, die Entwicklung neuer Antriebe und mögliche technische Abgas-Nachrüstungen älterer Diesel parallel anzugehen. "Man muss manchmal im Leben zwei Dinge gleichzeitig machen", sagte die SPD-Politikerin am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Das heiße, nach vorne zu gehen, aber auch aufzuräumen, was man vorher falsch gemacht habe. Hendricks beharrte darauf, dass, wo machbar, auch Umbauten direkt an Motoren nötig seien. Die geplanten Software-Updates für weniger Schadstoffe reichten nicht, um mögliche gerichtlich erzwungene Fahrverbote in Städten sicher zu verhindern.
Die deutsche Autobranche hatte beim Dieselgipfel Anfang August neue Software für zusätzliche 2,8 Millionen Wagen zugesagt, Umrüstungen an der Hardware älterer Diesel aber abgelehnt. VW-Chef Matthias Müller verwies zur Begründung unter anderem darauf, er wolle die Ingenieure zukunftsorientiert statt rückwärtsgewandt arbeiten lassen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) deutete später ähnliche Zweifel an.
VW-Markenchef Herbert Diess erläuterte im ZDF, Hardware-Umrüstungen seien starke Eingriffe in den Motor, bedeuteten Prozeduren von zwei bis drei Jahren und könnten Qualitätsrisiken zur Folge haben. Er sei nicht sicher, ob die Kunden dies wollten. Software-Updates habe VW inzwischen bei zwei Millionen Wagen umgesetzt, ohne dass sich Fahrzeugeigenschaften verschlechtert hätten.
Grüne fordern Wiedergutmachung für Folgeschäden
Die Grünen erhöhen im Abgas-Skandal den Druck auf die Autokonzerne. Zur Automesse IAA und kurz vor der Bundestagswahl konfrontiert die Öko-Partei die Hersteller mit einem Fünf-Punkte-Forderungskatalog. Er sieht "angemessene" Entschädigungen für Besitzer betroffener Diesel-Autos vor, sollten die Fahrzeuge nach einem Software-Update oder einer Umrüstung mehr Sprit verbrauchen oder die Motorleistung nachlassen. "Die nachgerüsteten Fahrzeuge müssen voll funktionstüchtig bleiben. Die Hersteller müssen sich bereit erklären, für Folgeschäden zu haften", heißt es in der Auflistung der Grünen, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
An diesem Freitag wollen der grüne Spitzenkandidat Cem Özdemir und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gemeinsam die weltgrößte Automesse IAA in Frankfurt besuchen.
In dem Papier rufen die Grünen den Verband der Automobilindustrie (VDA) auf, "seine Verteidigungsschlacht für fossile Kraftstoffe zu beenden und aufzuhören, in altbekannter Manier von Brüssel über Berlin bis nach Peking gegen ambitionierte Grenzwerte und Umweltstandards zu lobbyieren". Das Auto von morgen werde abgasfrei fahren. "Wir Grüne wollen, dass es in Deutschland gebaut wird." Der VDA müsse sich darauf einstellen, dass ab 2030 nur noch abgasfreie Autos in Deutschland neu zugelassen würden. Ob die Grünen dies in einer möglichen Koalition mit Union und FDP durchsetzen könnten, ist fraglich. Die Spitzen von CDU und CSU, Kanzlerin Angela Merkel und Horst Seehofer, sehen für Verbrennungsmotoren noch eine jahrzehntelange Zukunft. (dpa)
Andy