Volkswagen muss wegen des Abgas-Skandals in den USA voraussichtlich bis zu 14,7 Milliarden Dollar (13,3 Milliarden) zahlen. Ein entsprechendes Paket sieht Rückkäufe, Entschädigungen und Strafen vor. Das geht aus einem Dokument hervor, das US-Kläger am Dienstag bei einem Gericht in San Francisco einreichten. Die Wolfsburger verpflichten sich demnach, Hunderttausende von der Affäre betroffene Dieselwagen in den USA zurückzukaufen oder umzurüsten. In dem Gesamtbetrag soll auch eine Zahlung von 2,7 Milliarden Dollar an einen Fonds enthalten sein, mit dem Umweltprojekte gefördert werden sollen. Außerdem soll VW zwei Milliarden Dollar in Infrastruktur zur Reduzierung von Emissionen investieren.
Den US-Kunden mit manipulierten Autos will VW jeweils mindestens 5.100 Dollar (4.600 Euro) Entschädigung zahlen. In manchen Fällen kann die Summe sogar fast 10.000 Dollar betragen. Die Autobesitzer können sich aussuchen, ob VW ihre Wagen zurückkaufen oder umrüsten soll. Die Entschädigung würde in beiden Fällen fließen. Beide Seiten seien sich aber einig, dass es derzeit keine technische Möglichkeit gibt, die Autos in einen gesetzeskonformen Zustand zu bringen, ohne dass sich dafür andere Eigenschaften der Wagen verändern, hieß es. Damit könnte zum Beispiel ein höherer Verbrauch oder eine verminderte Leistung gemeint sein.
Der Vergleich ist noch nicht rechtskräftig. Zunächst muss der Richter Charles Breyer dem Entwurf zustimmen. Seine Entscheidung wird für Ende Juli erwartet. Nach Ablauf einer Einspruchsfrist haben Kläger die Möglichkeit, das Vergleichsangebot anzunehmen. Zahlungen könnten frühestens im Oktober fließen, heißt es in einem Dokument.
US-Justizministerium: historische Ausmaße
Der VW-Dieselskandal ist nach Einschätzung des US-Justizministeriums eine der schwerwiegendsten Verletzungen von Verbraucher- und Umweltrecht in der Geschichte der USA. Verbraucher hätten VW vertraut und seien bitter enttäuscht worden, sagte Vize-Generalbundesanwältin Sally Q. Yates am Dienstag vor Medien in Washington. "Sie haben über 500.000 Amerikaner unwissentlich zu Komplizen gemacht."
Yates bestätigte den Eingang eines Dokuments bei einem Gericht in San Francisco, das für Volkswagen Zahlungen von voraussichtlich 14,7 Milliarden Dollar umfasst. Das Paket sieht Rückkäufe, Entschädigungen und Strafen vor. Vorausgegangen waren monatelange Verhandlungen. Gina McCarthy von der Umweltschutzbehörde EPA sprach von einer "historischen Einigung". Sie fügte hinzu: "Ich bin unglaublich stolz, dass das so gelungen ist." Es handle sich um eine in jeder Hinsicht bahnbrechende Einigung - VW müsse in vollen Umfang alle Konsequenzen seines Verhaltens tragen. "Wir senden heute eine starke Botschaft", sagte McCarthy: "Wenn Sie unser Gesetz brechen, gibt es sehr ernsthafte Konsequenzen." Sie sei froh und stolz, dass gelingen werde, jeden betroffenen VW-Fahrer in den USA zu entschädigen.
Die manipulierten VW-Dieselautos dürfen der EPA zufolge nicht aus den USA in andere Länder verkauft werden. "Wir verfrachten diese Luftverschmutzung nicht woanders hin", sagte McCarthy. Die Wagen müssen entweder bei einem von ihrer Behörde geprüften Rückruf umgerüstet oder verschrottet werden.
Verbraucherzentralen dringen auf Entschädigung deutscher VW-Kunden
Die Verbraucherzentralen dringen auch auf Entschädigungen für betroffene Kunden in Deutschland. Sehr hohe Zahlungen in den USA zeigten, dass das dortige Rechtssystem Betrügereien und Tricksereien hart bestrafe, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Leider lehne Volkswagen eine Entschädigung europäischer Verbraucher weiterhin ab. "Auch in Deutschland haben wir offenkundig Kunden zweiter Klasse." Die Bundesregierung müsse sich konsequent für Verbraucherbelange einsetzen, damit betroffene Kunden angemessen entschädigt werden.
Der VW-Konzern hatte nach Vorwürfen des US-Umweltamtes EPA zugegeben, in großem Stil bei Abgastests getrickst zu haben. Weltweit sind elf Millionen Wagen betroffen. Für Volkswagen ist der Abgas-Skandal noch lange nicht ausgestanden. Es drohen Milliardenklagen von Anlegern wegen angeblicher Marktmanipulationen. Außerdem sind die Rückrufe der betroffenen Wagen noch nicht abgeschlossen. Als Reaktion auf die Krise hat der Konzern inzwischen eine neue Strategie vorgelegt. In der neuen "Strategie 2025" hatte VW-Chef Matthias Müller angekündigt, die Elektromobilität massiv auszubauen. Darüber hinaus will er Milliarden für neue Mobilitätsdienstleistungen wie Carsharing investieren.
"Erhebliche Bürde für Zukunft"
Der Finanzchef des VW-Konzerns sieht in den US-Vergleichsplänen eine "sehr erhebliche Bürde für unser Geschäft". Die milliardenteure Einigung machten den eingeschlagenen Sparkurs umso nötiger, sagte Frank Witter in einer Mitteilung. Das Gebot der Stunde sei, "die operative Exzellenz im gesamten Konzern zu verbessern". Der Finanzvorstand warnte mit Blick in die USA: "Vergleichslösungen in dieser Größenordnung belasten uns ohne Zweifel erheblich."
VW-Konzernchef Matthias Müller nannte die Vereinbarungen "einen wichtigen Schritt nach vorn". Doch der Weg sei noch weit, mahnte er. "Wir sind uns bewusst, dass wir noch viel tun müssen, um das Vertrauen der Menschen in Amerika zurückzugewinnen. (...) Wir werden Volkswagen zu einem besseren und stärkeren Unternehmen machen", sagte er. Nach dem Skandal um die Abgas-Manipulationen sei es das erklärte Ziel, einer der Marktführer für "nachhaltige Mobilität" zu werden.
Der Vergleich in den USA könnte den VW-Konzern einen Großteil seiner bisher erfolgten Rückstellungen von 16,2 Milliarden Euro kosten. Damit machen die bisher bezifferbaren Posten in den USA schon gut 80 Prozent des gesamten Krisen-Finanzpolsters aus. Laut aktuellem Stand haben die Wolfsburger die 16,2 Milliarden Euro für die schon absehbaren globalen Kosten wie folgt veranschlagt: Auf "Feldmaßnahmen" entfallen 7,8 Milliarden Euro. Damit gemeint sind Servicemaßnahmen und Rückrufe, aber auch mögliche Rückkäufe. Auf "Rechtsrisiken" entfallen 7,0 Milliarden Euro. Der Konzern sieht sich in den USA, aber auch in Europa, mit milliardenschweren Klagen konfrontiert. Vieles dabei dürfte erst in Jahren feststehen. "Wertminderungen von Vermögenswerten" machen 0,8 Milliarden Euro aus. Dabei könnte es sich etwa um die vielen neuen Diesel-Wagen handeln, für die in den USA seit Monaten ein Verkaufsstopp gilt. Auf "Vertriebsprogramme" im Zusammenhang mit dem Skandal entfallen 0,6 Milliarden Euro. Gemeint sind damit Rabattaktionen oder Werbung.
Bereits im Herbst hatte Volkswagen gut 6,7 Milliarden Euro für "außergewöhnliche Belastungen aus der Dieselthematik" zurückgestellt. Dieser Posten ist in den nun aufgestockten 16,2 Milliarden Euro enthalten und galt damals vor allem für die Rückrufkosten in Europa. Auf den Heimatkontinent entfällt mit rund 8,5 Millionen betroffenen Wagen der Großteil der weltweit elf Millionen manipulierten Autos. (dpa)
Jörg Herrmann
Rudi S.
Lutzi