Volkswagen hat auf den letzten Drücker den ersten US-Gerichtsprozess im "Dieselgate"-Skandal verhindert. Der Rechtsstreit mit einem Jetta-Besitzer, der wegen manipulierter Abgastechnik auf 725.000 Dollar geklagt hatte, wurde am Freitag (Ortszeit) mit Zustimmung des Richters beigelegt. Das geht aus Gerichtsunterlagen vor, die der Deutschen Presse-Agentur vorlagen.
Weder VW noch der Klägeranwalt Michael Melkersen wollten sich auf Nachfrage zu der Einigung oder Einzelheiten eines Vergleichs äußern. Der Prozess hätte eigentlich am Montag mit der Jury-Auswahl am Bezirksgericht in Fairfax im US-Bundesstaat Virginia beginnen sollen.
Obwohl es dabei nur um einen einzigen Kläger und eine relativ geringe Streitsumme ging, sorgte der Fall für großes Aufsehen. Melkersen hatte eine Studie mit Abgasversuchen an Affen im Auftrag von VW aufgedeckt, die viel Empörung hervorrief. Zunächst sollten die Tests an Menschen durchgeführt werden, was den Anwalt zu einem kontroversen Nazi-Vergleich verleitete – in einer TV-Dokumentation stellte er einen Bezug zur Juden-Vergasung im Zweiten Weltkrieg her.
Volkswagen hatte daraufhin eine "Abkühlungsperiode" und Verschiebung des Prozesses um sechs Monate gefordert, weil die Klägerseite das Unternehmen öffentlich mit "Hitler, dem Holocaust und anderem Horror" in Verbindung gebracht habe. Die VW-Anwälte sahen darin einen unlauteren Versuch, die Jury gegen den Konzern aufzubringen. Diesen Antrag hatte das Gericht jedoch am Dienstag abgewiesen.
Entschädigung auf eigene Faust
Trotz der Milliarden-Vergleiche, die VW im "Dieselgate"-Skandal mit zahlreichen Autobesitzern in Nordamerika geschlossen hat, streitet der Konzern immer noch mit vielen US-Kunden, die aus der Sammelklage ausscherten und auf eigene Faust Entschädigung durchsetzen wollen. Allein Melkersen vertritt über 300 solcher Kläger, zwei weitere Prozesse stehen eigentlich in den nächsten Monaten an. Ob er sich auch hier außergerichtlich mit VW einigt, ist unklar. Bislang hat VW US-Klagen im Abgas-Skandal mit Vergleichen aus der Welt geschafft, so dass es auf Konzernebene nie zu einem richtigen Gerichtsprozess kam.
VW hatte im September 2015 auf Druck der US-Umweltbehörden zugegeben, in großem Stil bei Abgastests betrogen zu haben. Der Konzern hat ein Schuldbekenntnis abgegeben und bereits rund 25 Milliarden Euro an Rechtskosten für Strafen und Entschädigungen bei Vergleichen mit Klägern in Nordamerika verbucht. Zudem wurden schon zwei Mitarbeiter in den USA zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt.
VW steht auch noch ein großes Verfahren in Deutschland bevor. Anleger klagen am Oberlandesgericht Braunschweig auf Schadenersatz für Kursverluste der VW-Aktie, weil das Management angeblich nicht rechtzeitig und den Kapitalmarktregeln entsprechend auf die Risiken des Abgas-Skandals hingewiesen habe. VW weist den Vorwurf zurück. Ende Februar läuft die Erwiderungsfrist bei der Musterklage aus. (dpa)