Unbeeindruckt von der Dieselkrise hat Volkswagen 2017 mehr verdient als vor dem Bekanntwerden des Abgas-Skandals. Der weltgrößte Autobauer fuhr zudem Rekordwerte bei Umsatz und Ergebnis ein. Mit unterm Strich 11,4 Milliarden Euro fiel der auf die Aktionäre entfallende Gewinn nicht nur mehr als doppelt so hoch aus wie im Vorjahr, wie der Dax-Konzern am Freitag auf Basis vorläufiger Zahlen mitteilte. Gleichzeitig war es ein größerer Überschuss als im letzten vollen Jahr vor dem Beginn der Affäre um Software-Manipulationen an Diesel-Motoren, 2014. Damit trotzt VW den Debatten um Fahrverbote und Milliardenlasten zumindest in der Bilanz.
Insgesamt bleibt "Dieselgate" aber durchaus präsent. Bezeichnend ist, dass Vorstandschef Matthias Müller ebenfalls am Freitag dem Aufsichtsrat unter anderem Auskunft über die umstrittenen Versuche mit Abgasen an Affen geben sollte. Diese hatten VW sowie Daimler und BMW mitfinanziert. Volkswagen distanzierte sich "vehement" von allen Formen der Tierquälerei, künftig sollten die Forschungsvorhaben von externen Experten überprüft werden.
Analyst Frank Schwope von der NordLB urteilte trotz allem, die Dieselaffäre sei wohl weitgehend ausgestanden. Das zeigt sich am guten Lauf im Tagesgeschäft: VW hatte 2017 mit einem Absatzplus von vier Prozent auf 10,74 Millionen ausgelieferte Pkw und Nutzfahrzeuge den Spitzenplatz als weltweit größter Autokonzern verteidigt. Der Umsatz stieg um 6,2 Prozent auf 230,7 Milliarden Euro.
Das um Sondereinflüsse – nämlich die Folgen der Abgas-Affäre mit Millionen von manipulierten Dieselmotoren – bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern legte vor allem dank des Erfolgs mit teuren Stadtgeländewagen um 16,5 Prozent auf rund 17 Milliarden Euro zu. Die operative Rendite, also der Anteil des Ergebnisses am Umsatz, lag bei 7,4 Prozent.
Vorsichtiger Ausblick
VW-Finanzchef Frank Witter bleibt für das laufende Jahr jedoch vorsichtig. Zunächst peilt er bei der Umsatzrendite 6,5 bis 7,5 Prozent an. Analysten hatten mehr erwartet. Die Anleger reagierten daher ein wenig enttäuscht, die Vorzugsaktien rutschten am Freitagnachmittag zwischenzeitlich deutlich ins Minus. Dennoch: Der Umsatz soll im laufenden Jahr um bis zu fünf Prozent steigen, der Auslieferungsrekord von 2017 leicht übertroffen werden.
Inklusive der Kosten für die Diesel-Affäre verdoppelte sich das operative Ergebnis auf 13,8 Milliarden Euro, obwohl die Wolfsburger 2017 erneut 3,2 Milliarden Euro für die Bewältigung verbuchen mussten. Ein so hohes Betriebsergebnis hat Volkswagen noch nie erzielt. Insgesamt stieg die Rechnung für die Folgen des Abgasskandals auf über 25 Milliarden Euro. Dennoch hat VW reichlich Geld in der Kasse: Die Netto-Liquidität sank zum Jahresende zwar um 17,7 Prozent, beträgt aber immer noch fast 22,4 Milliarden Euro.
Das Geld kann der Konzern gut gebrauchen. "Mit Blick nach vorne stehen wir, wie die gesamte Industrie, vor großen Aufgaben und tiefgreifenden Umbrüchen", sagte Müller zu Zukunftsthemen wie E-Mobilität, Vernetzung und autonomem Fahren. Das hervorragende Ergebnis sei eine starke Basis und "Grund zur Zuversicht". Witter ergänzte, die finanzielle Lage sei robust. "Dennoch dürfen wir nicht nachlassen, denn es liegen sehr große Aufgaben vor uns."
Osnabrück bekommt SUV-Cabriolet
Dazu zählt auch die Zukunft des Standorts Osnabrück, wo es Sorgen wegen der Auftragslage gab. Doch die Perspektiven sind gut – Osnabrück bekommt das erste SUV-Cabriolet der Kernmarke VW, das vom ersten Halbjahr 2020 an in dem niedersächsischen Werk gebaut werden soll. Nach Unternehmensangaben bestätigte der Aufsichtsrat die notwendigen Investitionen von mehr als 80 Millionen Euro. Über 2.300 Menschen arbeiten in dem Werk.
Eine gute Nachricht für Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil, der auch im Aufsichtsrat sitzt. Der SPD-Politiker sprach von erfreulichen Zwischenergebnissen "auf einem langen Weg, der vor uns liegt". VW könne die kommenden Herausforderungen – zu denen nach wie vor die Aufarbeitung des Diesel-Skandals gehöre – mit Zuversicht angehen. Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) meinte, aus Sicht des Landes sei die vorgeschlagene Dividende erfreulich. Niedersachsen könne damit rund 230 Millionen Euro brutto vor Kapitalertragssteuern erzielen.
Die Dividende soll auf 3,90 (Vorjahr 2,00) Euro je Stammaktie und 3,96 (2,06) Euro je Vorzugsaktie steigen. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs zuletzt um 2,5 Prozent auf weltweit über 642.000 Menschen. (dpa)
Realist77
Rudi