Strategie: A.T.U kocht auch nur mit Wasser

Am 1. September dieses Jahres verkündet A.T.U stolz den Start seiner Online-Terminvereinbarung für Werkstattbesuche. Das hatten die doch schon mindestens seit zwei Jahren ganz hervorragend gelöst. Tatsächlich: Beim Aufruf der Startseite ein geändertes Layout. An diesem Tag präsentiert sich ausschließlich der neue Werkstatt- Terminplaner. Im März von den Lesern der "auto, motor, und sport" zum klaren Sieger in der Kategorie "Online-Versandhandel Autoteile" im Wettbewerb "Best Brand 2014" gewählt, ist ein paar Klicks weiter das bis dahin bekannte Layout wieder zu finden. Der Online-Shop von A.T.U zählt mit einem Sortiment von rund 110.000 Artikeln zu den größten und bekanntesten Shops im Kfz-Bereich. Einen kompletten Relaunch hat er also nicht erfahren. Doch was ist das: Verschwunden sind fast sämtliche Preise für die Reparaturen. Gerade die Lockvogel-Preise für die Fahrzeuginspektionen sind komplett rausgenommen. Doch es kommt noch besser. Der Kampfpreis Radwechsel pro Rad mit 3,49 Euro ist über Nacht auf 7,49 Euro gestiegen. Ob sich eine Trendwende abzeichnet und die Preise bei A.T.U anziehen werden, steht noch in den Sternen. Den Lockvogel-Ölwechsel zu 29,90 Euro gibt es noch - allerdings nur an Montagen. Online-Terminplaner In Teilen ist der Online-Terminplaner tatsächlich intelligenter geworden. Zum Projektbeginn sind Termine für fahrzeugunabhängige Dienstleistungen wie Ölwechsel, Klimawartung oder Reifenservice per Online-Termin verbindlich reservierbar zum Festpreis. Bei Inspektionen dagegen werden weder Preis noch Termin angegeben. Das kann auch damit zusammenhängen, dass über die Werkstatt-Portale, insbesondere von FairGarage und AutoScout24, bedingt durch die mächtigen Daten-Pools, die dahinter stehen, die Preisauskünfte viel aussagefähiger waren als die von A.T.U geschnürten Pseudo-Pakete. Wen interessiert, wie der A.T.U-Online-Verkauf von Reparaturen inklusive Online-Terminvereinbarung erfolgte, der wird beim ADAC (siehe Screenshot rechts unten oder www.adac.de/sp/werkstatt) fündig. Der Autoclub hatte nämlich für sein mittlerweile - sagen wir: auf Eis gelegtes Werkstattkonzept den A.T.U-Auftritt fast eins zu eins übernommen. Man muss ja das Rad nicht immer wieder neu erfinden. Operative Sanierung Was derzeit im Internet-Auftritt von A.T.U erkennbar ist, schein die Spitze des Eisberges zu sein. Im März hatte Norbert Scheuch, der neue Vorsitzende der Geschäftsführung, bereits von "operativer Sanierung" gesprochen. Wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war, haben gerade die langen Öffnungszeiten hohe Personalkosten verursacht, denen zu wenige Umsätze gegenüberstanden. Von 22 auf 20 Uhr und mittlerweile in vielen Filialen auf 18 Uhr wurden die Öffnungszeiten reduziert. Gerade zwischen 20 und 22 Uhr seien kaum Kunden gekommen und bei komplizierten Reparaturen (Motor, Elektrik/Elektronik) hätten "die Weidener geblutet". Fehlende Qualifikation liegt wohl auch darin begründet, dass die Kette gerade bei den Mechatronikern eine hohe Fluktuation haben soll. Da kamen Aussagen wie: "Was da verlangt wird, konnte ich mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren." Derweilen berichten Serviceberater der Markenwerkstätten, dass A.T.U-Filialen diese Reparaturen nicht mehr annehmen würden, sondern die Kunden direkt in die Markenwerkstätten geschickt werden. Mutieren die markengebundenen Werkstätten immer mehr zu den Problemlösern, die ihre Leistungen nicht mehr in vollem Umfang verrechnen können? Bei Garantiearbeiten ein hoher administrativer Aufwand, der mit niedrigeren Verrechnungssätzen und Teilepreisen vom Hersteller honoriert wird. Bei älteren Fahrzeugen haben die Kunden kein Verständnis dafür, Fehlersuche bezahlen zu müssen. Also machen die Serviceberater Preiszugeständnisse, die oft für die Geschäftsleitungen von der Ursache her kaum nachvollziehbar sind. A.T.U jedenfalls will angeblich zwischen 1.000 und 1.500 Stellen abbauen und arbeite an einem Programm, "das leise im Markt vorzunehmen." Zeitgleich mit dem Online-Werkstatt-Terminplaner haben die Weidener als weiteres Kundenbindungsinstrument das Payback-System übernommen. Zu lange Wartezeiten? Bekanntlich sind A.T.U-Filialen telefonisch nicht erreichbar. Der Kunde muss kommen, um dann vom A.T.U-Mitarbeiter bedient zu werden. Das führt oft zu extrem langen Wartezeiten vor Ort. In den von uns besuchten Filialen musste für die gewünschte Reparatur der beratende Mitarbeiter im Lager die Teileverfügbarkeit prüfen. Teilweise war der Counter verwaist. Im Shop einkaufende Kunden hatten dadurch ebenfalls lange Wartezeiten. Man darf gespannt sein, wenn der Online-Terminplaner vollumfänglich im Einsatz ist, ob das die Wartezeiten für Kunden reduzieren wird. Auslastungsprobleme? Für die Montage gibt es derzeit Sonderangebote, vermutlich, um die Werkstattauslastung an diesem Tag planbarer zu bekommen. Angeboten werden als "Werkstatt-Specials" allerdings nur Öl-, Bremsflüssigkeitswechsel, Achsvermessung und Klimaanlagen-Wartung. Die auf die bisherigen stationären Filialpreise gewährten Rabatte liegen zwischen 23 und 34 Prozent. Beim "Tag der Automobilwirtschaft" am IFA hatte im Jahr 2009 der damalige CEO der A.T.U, Dr. Michael Kern, die Strategie der Kette wie folgt definiert: - Durch Konzentration auf den Schnellservice zurück zu den Wurzeln - Discount-Strategie: hohe Qualität zu günstigen Preisen (ca. 20 bis 25 Prozent unter OE) - Klare Margenvorteile durch Ausschaltung der Zwischenhandelsstufen durch direkten Einkauf beim Teilehersteller (i.d.R: OEM-Lieferanten) und Verkauf an Endkunden - Hoher Werbedruck durch Monatsbeilagen (zehn Mal jährlich mit einer Auflage von bis zu 22 Millionen) - Starke Marke mit gestützter Bekanntheit (> 90 Prozent bei deutschen Autofahrern) - Kernsegment bleiben Fahrzeuge zwischen drei und zehn Jahren - Skalenvorteile durch hohen Grad an Standardisierung in Organisation, Werbung, Einkauf, Vertrieb - Ausbau Flottengeschäft und neue Geschäftsfelder wie Glas, Smart-Repair, Online, Autogas - Kurzfristige Strategie: - Krise meistern durch Kostenmaßnahmen - Verstärkte Aktionsangebote sorgen für erhöhte Aufmerksamkeit und Kundenfrequenz - Kundengewinnung aus größer werdender Insolvenzwelle der Wettbewerber Heute, knapp fünf Jahre später, hat es den Anschein, als seien die Vorgaben des Ex-Markenvorstands Volkswagen für Vertrieb, Marketing und Aftersales in großen Teilen realisiert. Allein bei den Kostenmaßnahmen kocht das A.T.U-Management wie das Kfz-Gewerbe mit Wasser. Durch das Rosinen-Picking ertragsstarker Reparaturen und das bessere Preis-Marketing hat die Kette das Potenzial, sich auch operativ zu sanieren. Kurzfassung Anfang September startete A.T.U seine Online-Terminvereinbarung für Werkstattbesuche. Wir zeigen, was das neue Tool kann, was an Service-Preisen nicht mehr genannt wird und welche Reparaturen A.T.U nicht mehr annimmt.

Chery: So erfolgt der Deutschland-Start 2025

Forum Automotive: Branchenwandel als Chance nutzen

Hyundai Ioniq 9: Dieses große E-SUV kommt nach Europa

Fahrzeugschaden in der Waschanlage: BGH-Urteil "richtungsweisend"

ZDK-Krise: Einheit macht stark, Zwietracht schwächt

Alle Schlagzeilen

Strategie: A.T.U kocht auch nur mit Wasser

HASHTAG

#ATU

Schuldenabbau: ATU kommt bei Sanierung voran

Werkstattkette: ATU weiter in den roten Zahlen

MEISTGELESEN

Sternauto: Größter BYD-Store in Deutschland eröffnet

Dacia: "Wir erobern von anderen Marken"

Jaguar-Zukunft: Britische Marke erfindet sich komplett neu

STELLENANGEBOTE

Werkstattmeister Karosserie (m/w/d)

Juniorverkäufer (m/w/d)

Leiter IT (w/m/d)

Servicetechniker (m/w/d)

Finanz- oder Bilanzbuchhalter (m/w/d)

WEITERLESEN

NEWSLETTER