Von Jonas-Erik Schmidt und Heiko Lossie, dpa
Ernst-Robert Nouvertné kann beim besten Willen nicht sagen, wie viele Volkswagen er in seinem Leben schon verkauft hat. Wenn man ihn danach fragt, schaut er zuerst über seine Brille und lacht dann laut auf. Seit gut 40 Jahren verkauft er die Automarke aus Wolfsburg, es ist mehr als sein halbes Leben. Nun ist der Weltkonzern ins Schlingern geraten, weil er mit einer Software Abgastests manipulierte. Die Wellen, die das auslöst, kommen nach und nach auch bei Ernst-Robert Nouvertné in Solingen in Nordrhein-Westfalen an.
Auf seine beiden Betriebe rollen wohl bald 5.000 Fahrzeuge zu, die nachgebessert werden sollen. Der VW-Passat markiert zwar nicht den Startschuss für die größte Rückrufaktion in der Geschichte von VW - der fiel schon mit dem Amarok im Januar, mit 8.500 Modellen aber im vergleichsweise kleinen Maßstab. Der Passat, der als nächstes ansteht, ist da eine andere Hausnummer - und damit die erste Nagelprobe. Händler wie Nouvertné bereiten sich darauf vor. Er hat nicht vor, ins Schlingern zu geraten.
Wenn man den 70-Jährigen darum bittet, kann er auch schon zeigen, wie das bei dem Passat laufen wird. Wer sich bei Autos nicht so sehr für das Innenleben interessiert, könnte dabei etwas enttäuscht sein - zumindest wenn er irrigerweise annimmt, bei so einer Nachbesserung würde ein Schraubenschlüssel genutzt und Schmieröl vergossen. Es geht um eine Software, die erneuert wird, neudeutsch: updaten. Der Passat hängt mit einem Kabel an einem Laptop.
30 Minuten je Vorgang
Ein Programm liest Daten aus, Werkstattmitarbeiter tragen weitere Kennwerte ein. Update sei dabei aber auch nicht gleich Update, erklärt Nouvertnés Werkstattmeister Marc Oliver Dahl: "Hat das Fahrzeug ein Automatikgetriebe, hat es ein Schaltgetriebe? Hat es eine automatische Klimaanlage oder eine manuelle? Es ist dann immer ein anderes." Sobald VW das passende Update bereitgestellt und freigegeben hat, liegt es auf dem Server des Autohauses, und Dahl kann es aufspielen. Nouvertné rechnet mit etwa 30 Minuten je Vorgang. Bei 5.000 Stück dennoch ordentlich Arbeit. Aber das sei handhabbar. Hier und da könne es passieren, dass man länger arbeiten müsse.
Beim Amarok hatte die Nachbesserung etwas Irritationen ausgelöst. Noch bevor das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) offiziell seinen Segen gegeben hatte, hingen Modelle am Computer. VW begründete dies unter anderem mit der Komplexität einer solchen Rückrufaktion. Nouvertné berichtet nun, dass seine Leute bereits einen Passat geupdatet hätten, der zu einer Hauptuntersuchung da gewesen wäre. "Es hat durch einen Zufall schon mal funktioniert", sagt er. Warum die Software schon da war, wisse er nicht. "Es wurde gezeigt, dass das Software-Update steht, und da muss der Kunde nicht noch mal wiederkommen."
Nach Darstellung des Konzerns steht die Software für das Aufspielen auf betroffene Passats zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht einsatzbereit zur Verfügung bei den VW-Servicepartnern. Erst eine Freischaltung ermögliche das Update über die vom Konzern gefütterten Server. Und dieses Okay erfolge auch erst, wenn das KBA final grünes Licht gibt. Zum Fall in Solingen erklärt ein VW-Sprecher: "Wir können das nicht erklären." Es müsse sich um einen Einzelfall handeln.
Keine Schlangen
Für Nouvertné spielt es aber auch gar keine große Rolle. Wenn der Begriff nicht etwas abgehangen wäre, könnte man ihn einen Autohändler alter Schule nennen. Er spricht mehr von seinen Kunden als vom Konzern VW. Manche kommen seit 20 oder 30 Jahren zu ihm. Einen Teil der Kundschaft hat die ganze Abgas-Geschichte schon etwas verstört. Man müsse da schon einige Gespräche führen, sagt Nouvertné. Er schätzt aber auch, dass etwa 80 Prozent absolut loyal zu VW und zu ihrem Händler stehen. "Die kommen und sagen: Nouvertné, mach uns das in Ordnung!"
Mit Warteschlangen beim Passatrückruf rechnet er nicht. "Wir haben entsprechende Mitarbeiter geschult und das läuft durch den normalen Betrieb durch." Es könne aber sein, dass man hier und da länger arbeiten müsse, oder auch am Samstag.
D.Buschhorn