Von Peter Maahn/SP-X
Der Volkswagenkonzern will die Produktion seine Marken enger miteinander vernetzen, um so schneller auf neue Trends, Kundenwünsche, aber auch Probleme reagieren zu können. Dabei setzt das Unternehmen auf verstärkte Digitalisierung und den Einsatz innovativer Technologien und will so für die effektive Produktion von Elektrofahrzeugen ebenso gerüstet sein wie für den Bau von autonom fahrenden Autos.
Ingenieur Dennis Abmeier hat eine dicke sogenannte VR-Brille auf der Nase und zwei Geräte in den Händen, die an eine TV-Fernbedienung erinnern. Dabei steht er in einem fast leeren Raum des Tagungszentrums von VW in Braunschweig. Auf einem großen LED-Bildschirm ist eine Fabrikhalle zu sehen. Jede Bewegung Abmeiers überträgt sich auf den Monitor. Die Umstehenden werden Zeuge, wie er sich im gut 500 Kilometer entfernten Logistikzentrum von Skoda im tschechischen Mlada Boleslav zurechtfindet, durch die Gänge spaziert und ab und zu auch mal einen Gegenstand aufhebt, um ihn näher unter die Lupe zu nehmen. Dabei begegnet er seiner Kollegin Jasmin Müller, die zwar bei Audi arbeitet, aber heute für die Schwestermarke Skoda unterwegs ist und den Braunschweiger in der Fabrik herumführt.
Natürlich nicht der echten Logistikerin Müller. Denn auch die junge Expertin ist in Braunschweig, aber ein paar Räume entfernt. Auch sie trägt diese unförmige Brille und erscheint auf dem Monitor als sogenannter Avatar, einer Art Zeichentrickfigur. Was wie ein Spielchen aus der Playstation anmutet, hat einen ernsten Hintergrund. Mitarbeiter des VW-Konzerns können so Produktionsstätten in weit entfernten Standorten kennenlernen, sich mit den dortigen Kollegen austauschen und so voneinander lernen. Die Scheinwelt der virtuellen Realität (VR) ist ein wichtiger Baustein der künftigen Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Fabriken des VW-Konzerns. 120 davon gibt es weltweit. Die Reise von Wolfsburg in die USA oder nach China findet im Saal auf deutschem Boden statt. Das spart Geld und Zeit.
VWs Autofabrik der Zukunft
BildergaleriePotenziale der einzelnen Marken bündeln
"Mit der Einführung der digitalen Fabrik der Zukunft können wir Kräfte und Potenziale der einzelnen Marken bündeln und die daraus entstehenden Vorteile für die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit des gesamten Konzerns nutzen", sagt Holger Heyn, der für Zukunftstechnologien in der Produktion der VW-Marken verantwortlich ist. "Wir wollen Menschen, Marken und Maschinen intelligent vernetzen und gemeinsam die Produktion von morgen gestalten".
Dabei gibt es natürlich Unterschiede zwischen den einzelnen Marken. Volkswagen, Seat und Skoda haben andere Anforderungen wie Audi, Porsche oder gar Bentley und Bugatti. "Überall aber arbeiten hochbegabte Ingenieure und Fachleute", erklärt Heyn. "Warum sollten wir also die Idee eines Seat-Ingenieurs oder eines Teamleiters bei MAN nicht auch für eine Verbesserung der Produktion bei Porsche nutzen".
Dabei gibt es unzählige Ansätze für die Fabrik der Zukunft. Neue Anlagen können im Computer bereits geplant und simuliert werden, wenn vor Ort noch eine grüne Wiese auf die Bagger wartet. Wie müssen die Fließbänder konstruiert sein, wie müssen die einzelnen Stationen wie Lackiererei oder Endmontage aufeinander abgestimmt sein. Und wo müssen die Roboter aufgestellt werden, von denen es im Konzern immerhin gut 30.000 Stück gibt. Dieter Geckler, Chef des Teams Energieeffizienz, berichtet, dass durch intelligente Platzierung der Roboter jährlich bis zu 30 Prozent an Energie eingespart werden können.
"Arbeitsalltag wird sich erheblich verändern"
Ähnliches gilt für die menschliche Arbeitskraft. Arbeitsmedizinerin Heike Münstermann begleitet die Einführung neuer digitaler Techniken im Konzern. "Für mich stehen die Menschen im Fokus, denen die Neuerungen ebenfalls Nutzen bringen sollen." Dabei geht es um Gesundheitsthemen wie Bildschirmarbeit oder das erwähnte Eintauchen in die virtuelle Realität ebenso wie um Auswirkungen auf die Psyche der Mitarbeiter. "Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und das Erlernen der neuen Technologien werden sich verändern", sagt die Ärztin. "Der Arbeitsalltag wird sich für die Menschen erheblich verändern".
Und was bringt das alles für den Kunden, den VW- oder Audi-Käufer der Zukunft? Fest steht, dass die Autos nicht billiger werden, sicher aber schneller und effektiver gebaut werden können. "Hauptziel ist es aber, unsere Produkte noch besser zu machen", sagt Projektchef Holger Heyn. "In der digitalen Fabrik können Fehlerquellen schneller erkannt werden, neue Techniker und Wünsche unserer Kunden früher eingesetzt werden."
Markus